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Starker Franken setzt Schweizer Wirtschaft zu

Der Schweizer Franken stand Anfang Juli 2010 auf einem Allzeithoch gegenüber dem Euro (Keystone) Keystone

Die Schweizerische Nationalbank (SNB), die Exportindustrie und Detailhändler schultern weiterhin die Last, die sich aus dem starken Franken ergibt. Eine Trendwende zur Schwächung der europäischen Währung ist nicht in Sicht.

Um den anhaltenden Aufwärtskurs des Euros zu bremsen, hatte die SNB in den letzten Monaten Milliarden von Franken in Euro-Devisenkäufe investiert.

Experten schätzen, dass die SNB bei der Präsentation ihrer Halbjahres-Bilanz nächsten Monat bei den Währungsreserven einen Kursverlust von rund 10 Mrd. Franken ausweisen dürfte.

In den letzten Wochen hat die SNB ihre Interventionen auf dem Geldmarkt verlangsamt, nachdem Exporte und Auftragsaussichten wieder etwas angezogen hatten, und der Franken gegen den Euro zwischen 1,30 und 1,35 Franken notierte.

Infolge der Befürchtungen, dass Euro-Länder wie Griechenland ihre Schulden nicht in den Griff bekommen würden, war der Schweizer Franken im Verlauf der letzten Monate immer stärker geworden.

Zudem galt der Franken den Währungsanlegern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten einmal mehr als «sicherer Hafen». Gewisse kurzfristige Schwankungen wurden auch Finanzspekulanten zur Last gelegt, die gegen den Euro setzten.

Gegen Ende 2009 hatte der Euro in der Schweiz rund 1,5 Franken gekostet, doch im Dezember wurde diese Marke nach unten durchbrochen, der Franken wurde immer stärker. Am 1. Juli schliesslich hatte ein Euro mit 1,3070 Franken so wenig gekostet wie nie zuvor.

Die von der Financial Times veröffentlichten Schätzungen der Verluste für die SNB führten in der Schweiz bisher aber nicht dazu, dass die Alarmglocken zu läuten begannen. Die Nationalbank kann mit dem Verkauf ihrer Reserven zuwarten, bis der Euro-Kurs wieder angestiegen ist.

Exportindustrie erwartet weitere Interventionen

«Wir gehen davon aus, dass der Franken gegenüber dem Euro für die nächsten 12 Monate etwa auf dem jetzigen Niveau bleiben wird», sagt Alessandro Bee, Ökonom bei der Bank Sarasin, gegenüber swissinfo.ch.

«Mittelfristig läge ein fairer Euro-Wert zwischen 1,4 und 1,45 Franken. Das Potential, dass sich der Euro erholt und die SNB ihre Verluste wieder ausgleichen kann, ist vorhanden.»

«Die SNB intervenierte, um die Schweizer Exportindustrie zu unterstützen, nicht um Profit zu machen», sagt Bee. «Man muss die potentiellen Verluste abwägen mit der Tatsache, dass die Exporte ohne diese Interventionen unter noch grösseren Druck hätten kommen können.»

Die Exportfabrikanten hoffen, dass die SNB auch weiter Euros kaufen wird. Johann Schneider-Ammann, der Präsident des Industrie-Dachverbands Swissmem, will diese Woche mit der SNB über deren künftige Strategie reden.

Die Schweizer Exporte sind zwar in den letzten Monaten langsam wieder gewachsen, doch sorgt der starke Franken für Einbussen bei den Margen. Dies vor allem bei Unternehmen, die den Löwenanteil ihrer Produkte in den Euro-Raum liefern.

Einige Unternehmen haben schon gewarnt, dass sie ihre Produktion ins Ausland verlagern müssten, falls der Franken noch lange so stark bleibe.

Zwar hat die SNB ihre Interventionen im Geldmarkt in den letzten Wochen zurückgefahren, doch SNB-Präsident Philipp Hildebrand erklärte jüngst, dass die Nationalbank erneut handeln würde, um eine «exzessive» Aufwertung des Frankens zu verhindern.

Einkaufen im nahen Ausland

Schweizer Detailhändler ihrerseits kämpfen darum, ihre Kundschaft zu überzeugen, ihre Einkäufe nicht im Ausland zu machen, wo die Preise wegen der Wechselkurse noch tiefer sind als sonst schon.

Coop, die zweitgrösste Detailhandelskette der Schweiz, gab bekannt, dass sie im Zug der Euro-Schwäche die Preise für eine Reihe von Produkten senke.

Coop-Sprecherin Denise Stadler verneinte, dass der Detailhändler damit auf den Einkaufstourismus in Deutschland und Frankreich reagiere. «Wir können diese Produkte von unseren europäischen Lieferanten billiger kaufen und geben dies an unsere Kunden weiter», sagt sie gegenüber swissinfo.ch.

Untersuchungen von Coop zeigen, dass die Zahl von Schweizer Einkaufstouristen in den letzten Jahren wieder etwas gesunken ist. Gemäss Schätzungen hatten Schweizer Detailhändler 2005 rund 2,1 Mrd. Franken an Läden im grenznahen Ausland verloren; 2009 lag der Verlust noch bei 1,8 Mrd. Franken.

In der jüngsten Zeit gab es allerdings wieder reichlich Medienberichte über Läden in Frankreich und Deutschland, die mit Kunden aus der Schweiz bestens Geschäfte machen.

«Für Schweizer Konsumenten, die zum Beispiel in Basel leben, ist es kein Problem, zum Einkaufen rasch über die Grenze zu gehen», sagt Alessandro Bee.

«Wenn sie nicht darauf reagieren, könnte dies für die Schweizer Detailhändler zu einem ziemlichen Problem werden.»

Matthew Allen, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Im ersten Halbjahr 2010 hat der deutsche Zoll in Lörrach eine Zunahme der Ausfuhren Richtung Schweiz um 10 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode festgestellt.

Die Schweizer Grenzwache in Basel hat im gleichen Zeitraum ebenfalls eine Zunahme von rund 10 Prozent bei der schriftlichen Selbstanmeldung im Reiseverkehr verzeichnet.

Die Behörden einen Zusammenhang zum aktuellen Wechselkurs.

Sie rufen den Einkaufstouristen die aktuellen Zollvorschriften in Erinnerung (vgl. www.zoll.ch.)

Trotz den andauernden Sorgen um den starken Franken hat die Schweizer Wirtschaft die Krise relativ gut überstanden: Zu diesem Fazit kommt eine Studie der Credit Suisse.

Die Studie zeigt, dass die Schweiz langfristig das Potential hat, sich im internationalen Wettbewerb hervorragend zu behaupten.

Die Ökonomen der Bank wollen Trends erkennen, dass die Schweiz im internationalen Wettbewerb heute ziemlich gut da stehe.

Erstens hatte die Schweizer Wirtschaft auf die Talfahrt der traditionellen Industrieproduktion bereits vor der letzten Krise mit einem Strukturwandel reagieren müssen.

Seither wurde der dritte Sektor kontinuierlich weiter ausgebaut, vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen sowie bei den Unternehmens-Dienstleistungen.

Zweitens wurden viele Industriearbeitsplätze in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten ins billigere Ausland verlagert.

Dies habe zur Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beigetragen.

Drittens hätten die Liberalisierungsbemühungen der letzten Jahre in verschiedenen Branchen den Wettbewerb im Inland gestärkt.

Im Zuge dieser Veränderungen seien Unternehmen schlanker und fitter geworden für den globalen Wettbewerb.

Den grössten wachstumshemmenden Faktor sehen die Ökonomen der CS im beschränkten Raumangebot. Der Raumplanung komme daher eine wichtige Rolle zu.

Bei mehreren Branchen sei bereits ein Trend der Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Städten in ländliche Regionen zu sehen.

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