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Starker Franken verschlingt kleine alpine Hotels

Ob leere Plätze an der Bar oder leere Betten in den Zimmern – kleine Hotels haben viel Überzeugungsarbeit vor sich. RDB

Etwa zehn Prozent der Schweizer Hotels, vor allem in alpinen Regionen, mussten wegen der Aufwertung des Frankens in den letzten fünf Jahren den Betrieb einstellen. Stellen gingen nicht entsprechend viele verloren, vor allem weil der Nachfrage-Rückgang in den Alpen in den Städten aufgefangen wurde.

«Wir haben in der Schweiz über die letzten fünf Jahre hinweg pro Jahr etwa 90 Hotels verloren», erklärt Andreas Züllig, der Präsident des Branchenverbands Hotelleriesuisse. «Wir erwarten, dass diese Entwicklung seit dem 15. Januar [als die Schweizerische Nationalbank entschied, den Franken nicht mehr an einen Euro-Mindestkurs zu koppeln] noch rascher voranschreiten wird.»

Die Gäste kämen für kürzere Visiten, buchten eine Unterkunft in Städten und unternähmen Tagesausflüge in die Berge, fügt Züllig hinzu. «Die meisten Hotels, die wir verloren haben, waren kleinere Familienbetriebe in alpinen Regionen. Im Gegenzug werden Hotels in den Städten jedes Jahr voller.»

Die Zahl der Hotels ist in der Schweiz von insgesamt etwa 5500 im Jahr 2010 auf heute etwa 5000 gesunken. Profitieren von dieser Entwicklung würden vor allem städtische Hotels mit 4- oder 5-Stern-Angeboten, so Züllig.

Der Trend, dass Touristen immer mehr auf Hotels in Städten setzen und jenen in den Bergen die kalte Schulter zeigen, ist ein Paradox. Viele Besucher und Besucherinnen werden von der unberührten alpinen Landschaft, von Schnee und frischer Luft ins Land von Heidi gelockt. Weshalb steigen sie dann immer häufiger in Hotels in Städten ab – und kann man etwas dagegen tun?

Zahlen lügen nicht

Die nackten Statistiken scheinen dies zu bestätigen. Die Zahl der Übernachtungen in der Schweiz ist im vergangenen Jahr insgesamt leicht gestiegen, um 0,9%. Die höchsten Zunahmen wiesen die Regionen Basel (+5,2%), Luzern (+3,5%), Zürich (+2,4%) und Genf (+2%) aus.

Im Kanton Graubünden, in dem der Schweizer Nationalpark liegt, ging die Zahl der Übernachtungen um 2,1% zurück, und im Kanton Wallis, der Heimat des legendären Matterhorns, stagnierten die Zahlen. Von den klassischen Tourismusregionen in den Alpen wies nur gerade das Berner Oberland (mit Eiger, Mönch und Jungfrau) eine Zunahme aus, um 0,9%.

Damian Constantin, Direktor von Wallis Promotion, warnt davor, diesen Zahlen allzu viel Bedeutung beizumessen. Etwa 60% der Besucher und Besucherinnen im Wallis würden in Mietwohnungen übernachten, und die Statistiken für diese seien weniger einfach zu eruieren, sagt er. Constantin räumt aber auch ein, dass die Lage für viele kleinere Hotels bedrohlich sei.

«Diese Unternehmen sind auf einen kritischen Cashflow angewiesen, um über die Runden zu kommen», erklärt er. «Ich glaube, in Zukunft werden zwei Geschäftsmodelle funktionieren: günstig und Nischenangebot oder grösser und mit mehr Prestige.»

Die Beschäftigung im Tourismussektor blieb über die letzten fünf Jahre mehr oder weniger konstant, mit 175’000 Stellen direkt in der Branche, wie Tourismus Schweiz bei der Jahrespressekonferenz am 23. Februar sagte. «Das kann teilweise damit erklärt werden, dass es in urbanen Regionen besonders gut läuft», sagte Jürg Schmid, Direktor der Schweizer Tourismus-Marketingorganisation, gegenüber swissinfo.ch. «Und es handelt sich nicht nur um Geschäftsreisende, die Städte haben auch viele Feriengäste.»

Einheimische Lösung

Der Höhenflug des Frankens gegenüber dem Euro und anderen Währungen treibt der Tourismusbranche praktisch Tränen in die Augen. Seit dem 15. Januar ist ein Besuch der Schweiz für viele ausländische Gäste viel teurer geworden, während die Schweizer Bevölkerung ihren Blick auf Ferienangebote im Ausland wirft, die sie dank der gestiegenen Kaufkraft nun viel weniger kosten.

Um die negativen Auswirkungen des starken Frankens etwas abzufedern, setzt Schweiz Tourismus auf lokale «Touristen» sowie auf Gäste aus den wachsenden Märkten in Asien und den USA.

Für die Budgetperiode 2016-2019 hat die Marketingorganisation daher eine Erhöhung des Rahmenkredits um 270 Mio. Franken beantragt. Das Problem ist, dass die Regierung ihrerseits nur eine Erhöhung um 220,5 Mio. Franken empfohlen hat; es wird nun am Parlament liegen, zu entscheiden, welche Summe angemessen ist.

Rund 44% aller Logiernächte entfallen auf Gäste aus dem Inland, im letzten Jahr stieg die Zahl der Logiernächte der einheimischen Gäste um 0,9% auf 16 Millionen – die höchsten Werte seit 1991.

Schmid besteht darauf, dass die zusätzlichen 50 Mio. Franken entscheidend sind, um den Heimmarkt zu stützen. «Wir brauchen dieses Geld, um einheimische Gäste wirkungsvoll erreichen zu können», erklärte er. «Für dieses Segment sind Ferien in der Schweiz billiger geworden, weil Hotels und Ferienorte die Kosten senken. Zum Beispiel bieten einige Hotels heute einen Skipass als Teil des Pakets an.»

Diese Feriengäste könnten auch für das Tourismusgewerbe in den bedrängten alpinen Regionen wichtig sein: Die meisten Leute in der Schweiz leben in städtischen Gebieten, und man könnte durchaus davon ausgehen, dass etliche in die Berge fahren würden, falls sie die Ferien im eigenen Land verbringen würden.

«Abenteuerlustige» Asiaten?

Möglichkeiten für Hotels in den Bergregionen sieht Schweiz Tourismus auch beim wachsenden Zustrom von Touristen aus Asien. Die Zahl der Gäste aus China schoss im vergangenen Jahr in die Höhe, die Zahl ihrer Logiernächte stieg um 15,6%, die Zahl der Übernachtungen von Touristen aus Korea nahm um 40% zu, jene der Gäste aus Indien um 3,7%.

Insgesamt erreichte die Zahl der Logiernächte von Touristen aus Asien im letzten Jahr einen Rekordwert von vier Millionen, eine Zunahme um 9,9% gegenüber 2013.

Das Problem der Ferienorte in den alpinen Regionen ist, dass Touristen aus Asien bekannt dafür sind, dass sie Hotels in Städten bevorzugen und meist nur in dicht besetzten Bussen Tagesausflüge in die Berge machen.

Aber Schmid ist überzeugt, dass es einen neuen, sehr ermutigenden Trend am Horizont gibt. «Wir sehen deutlich, dass aus China kleinere Gruppen ankommen und sogar einige unabhängige Besucher, welche die Reise in die Schweiz machen. Und je mehr die Leute reisen, umso abenteuerlustiger werden sie», erklärte er.

«Für viele dieser Gäste ist es eine einmalige Gelegenheit, einmal im Leben Schnee in den Alpen berühren zu können. Wir sehen mehr und mehr Touristen aus China, die nicht mehr länger in den 50er-Gruppen mit Bussen reisen wollen, sondern während ihrem Ausflug den Bergen nahe kommen wollen.»

Aber diese Erfahrung hat man bisher im Wallis kaum gemacht, wie Damian Constantin erklärt. «Der Wachstumsmarkt ist Asien, mit einem beträchtlichen Potenzial, betrachtet man die Grösse der Bevölkerung», sagt er. «Gäste aus Asien suchen meist nach einer kleineren Stadt, die sie als Drehscheibe nutzen, von der aus sie dann Tagesausflüge unternehmen.»

Mindestens kurzfristig betrachtet werden die einheimischen Gäste (sie machen 52% aller Feriengäste im Kanton Wallis aus) die beste Unterstützung sein, auf die kleine Hotels in den Alpen hoffen können.

Kraft des Wandels

Andreas Züllig malt kein optimistisches Bild für das kleine Hotel in den Alpen. «Wir erleben einen enormen Strukturwandel im Markt, weg von kleinen, ländlichen hin zu grösseren, urbanen Hotels», sagt er.

«Solche Entwicklungen sind in jedem Wirtschaftssektor normal. Sie treffen Kleinbauern genauso. Vor hundert Jahren war die Schweiz bekannt für ihre Textilindustrie, heute haben wir nur noch einige wenige Spezialisten», fügt er hinzu.

«Wir können tun, was wir können, um zu versuchen, diese Entwicklung zu stoppen, aber was wir erreichen können, ist begrenzt.»

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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