Vor einem Jahr – genau um 10.29 Uhr am 15. Januar – gab es für einen Euro noch Schweizer Waren und Dienstleistungen im Wert von 1,2 Franken. Um 10.30 Uhr verzichtete die Schweizer Nationalbank abrupt auf die Durchsetzung des Euro-Mindestkurses. Der Euro tauchte und war innerhalb weniger Minuten nur noch 83 Rappen wert.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
9 Minuten
Berichtet er nicht gerade über Fintech, Kryptowährungen, Blockchain, Banken oder Handel, kann man den Wirtschaftskorrespondenten von swissinfo.ch an verschiedenen Orten in der Schweiz beim Cricket spielen antreffen – unter anderem auf dem zugefrorenen See in St. Moritz.
Für den grössten Teil des vergangenen Jahres stabilisierte sich der Euro-Wechselkurs schliesslich in einer Bandbreite zwischen 1,05 und 1,08 Franken, doch damit waren Schweizer Güter für Käufer in Euro noch immer mindestens 10% teurer als vor dem 15. Januar 2015, ganz zu schweigen von den Kosten für Touristen aus der Eurozone, welche die Schweiz besuchten.
Ein Jahr später rechnen Firmen und Ökonomen die wirtschaftlichen und politischen Kosten des Entscheids der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zusammen.
Die Zahlen des letzten Jahres sehen düster aus. Jeden Monat waren in der Schweiz im Vergleich zu 2014 im Durchschnitt rund 6000 Personen mehr ohne Stelle. Die Regierungsprognosen zum Wirtschaftswachstum sanken im Verlauf von 2015 von 2,1% auf 0,8%. Die Schweizer Hotels verbuchten zwischen Mai und Oktober 142’000 weniger Übernachtungen. Grenzüberschreitende Detailhandelsausgaben von Konsumenten aus der Schweiz stiegen um geschätzte 8% auf 11 Milliarden Franken, und Unternehmens-Insolvenzen stiegen um 7%.
Zusätzlich führte die SNB Negativzinsen ein, was den Druck auf Schweizer Pensionskassen, die bereits schwächelten, sowie auf Banken, die Investitionen verkaufen wollten, zusätzlich erhöhte. Einige Unternehmen verlagerten zur Reduktion von Kosten die Produktion ins Ausland, andere führten wegen der geringeren Nachfrage Kurzarbeit ein oder erhöhten die wöchentliche Arbeitszeit auf 44 Stunden, um die Produktivität zu steigern.
Wahrscheinlich kann nicht jede verlorene Stelle oder Firma, die dicht machen musste, ausschliesslich auf die Frankenstärke zurückgeführt werden. Aber andere Faktoren, wie eine geringere Nachfrage aus dem grössten Markt der Schweiz, der Eurozone, hatten sich im letzten Jahr nicht derart dramatisch verändert wie der Wechselkurs.
Externer Inhalt
Jordan, der Zerstörer»
«Die Daten, die wir bisher haben, deuten für 2015 auf eine Stagnation hin», erklärte der Ökonom Janwillem Acket von der Bank Julius Baer gegenüber swissinfo.ch. «Doch wenn erst einmal die vollständigen Datensätze vorliegen und die Überprüfungen erfolgt sind, werden wir vielleicht sogar herausfinden, dass die Schweiz in eine technische Rezession gerutscht ist. Sicher ist, dass Detailhandel, Tourismus sowie Maschinen- und Elektroindustrie bereits in einer Rezession stecken.»
«Wir erwarten auch für 2016 stürmische Gewässer, weil wir von den Wechselkursraten keine grosse Entlastung erwarten», fügte Acket hinzu. «Die einzig wirkliche Hoffnung für Schweizer Wirtschaftszweige ist, dass die Nachfrage aus der Eurozone wieder anzuziehen beginnt.»
Die düsteren Aussichten sorgten dafür, dass Lobby-Verbände, Gewerkschaften, Firmen und gewisse einzelne Unternehmer die SNB mit scharfer Kritik eindeckten. Work, die Zeitung der Gewerkschaft Unia, hängte dem SNB-Präsidenten Thomas Jordan im Dezember das Etikett «Jordan, der Zerstörer» um: Auf einer Work-Postkarte steht der Chef der Nationalbank vor den rauchenden Trümmern der Schweizer Industrie.
Der Artikel verwies darauf, dass die Schweiz nach Berechnungen der Internationalen Arbeits-Organisation (ILO) im dritten Quartal letzten Jahres eine höhere Arbeitslosenrate (4,9%) hatte als Deutschland (4,5%) – zum ersten Mal überhaupt.
Mehr
Mehr
An bester Adresse
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
1912 wurde der rechtlich-administrative Berner Sitz der Nationalbank in Bern eröffnet. Das dreiköpige Direktorium selbst arbeitet hingegen am Zürcher Sitz. Die reich illustrierte Chronik «Die Schweizerische Nationalbank in Bern» erlaubt ungewohnte Einblicke in die Institution und zeichnet ihre Geschichte nach.
Gewisse Ökonomen schwächen solche Kommentare mit dem Hinweis ab, dass der Spielraum der SNB durch den Entscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) vom letzten Januar, Milliarden von Euro in die Wirtschaft einzuspeisen, ernsthaft eingeschränkt worden sei. Die SNB erklärte zu ihrer eigenen Verteidigung, sie sei gefangen zwischen der expansiven Geldpolitik der EZB und der gegenläufigen Bewegung der US-Notenbank (Federal Reserve, FED).
Die SNB argumentierte auch schon mehrmals, wenn sie der EZB im Spiel mit Geld drucken gefolgt wäre, hätte das die Bilanzsumme der SNB auf kaum überschaubare Proportionen anschwellen lassen.
Glaubwürdigkeit intakt
Die Zürcher Sonntags-Zeitung ging bei der Verteidigung der SNB gar noch weiter, indem sie Thomas Jordan zum «Schweizer des Jahres» ernannte, für seinen Mut, den Euro-Mindestkurs aufzugeben.
Doch die SNB bleibt politisch stark unter Druck. Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) hat zwar ihre lautstarke Kritik an der Nationalbank etwas zurückgefahren, seit diese die Durchsetzung des 2011 fixierten Euro-Mindestkurses aufgegeben hat. Dafür kommt die Kritik jetzt aus dem linken Lager, wegen der aufgrund der Frankenstärke drohenden Stellenverluste.
Die politische Debatte über die Art und Weise, wie die SNB funktioniert, zog auch Volksabstimmungen nach sich: 2014 wurde eine Initiative abgelehnt, welche die SNB verpflichten wollte, grössere Goldreserven zu halten. Nun steht ein weiteres Volksbegehren im Raum, das fordert, dass in der Schweiz nur noch die SNB Geld erschaffen kann.
Die SNB hat sich noch nicht im Detail zu der so genannten Vollgeld-Initiative geäussert. SNB-Präsident Thomas Jordan erklärte aber letzten Monat, es «wäre ein gewagtes Experiment».
Wie auch immer, die äusserst wichtige Glaubwürdigkeit der SNB in den globalen Märkten scheint trotz ihrer geldpolitischen Kehrtwende bisher intakt geblieben zu sein. Janwillem Acket zeigt sich beeindruckt, dass der Franken-Euro-Wechselkurs seit dem Sommer letzten Jahres relativ stabil bei etwa 1,08 Franken liegt. Dies sei ein Zeichen, dass die Märkte noch immer gewillt seien, die SNB-Warnungen ernst zu nehmen, dass sie bereit sei, zur Verteidigung des Frankens in den Märkten einzugreifen.
«So lange der Wechselkurs stabil bleibt, haben Unternehmen die Möglichkeit, ihre Kostenstrukturen anzupassen», erklärte Acket. «Nachdem sie den Damm im Zeitpunkt der Flut gesprengt hat, scheint die SNB jetzt auf Zeit zu spielen, um der Schweizer Wirtschaft Zeit zu geben, ihre Anpassungen durchzuziehen.»
Zähmung des Frankens
Der Schweizer Franken gilt traditionell als sichere globale Fluchtwährung, die Investoren in wirtschaftlich schwierigen Zeiten anzieht. Das war auch nach der Finanzkrise von 2008 nicht anders, als der Wert vieler Investitionen schrumpfte und grosse Unsicherheit herrschte, was die Zukunft anging.
Als der Wert des Frankens gegenüber anderen Währungen zunahm – vor allem gegenüber dem Euro, aber auch dem US-Dollar – wurde der Druck auf die SNB grösser, der Exportindustrie unter die Arme zu greifen. 2011 hatten die schlechter werdenden wirtschaftlichen Bedingungen in der Eurozone dazu geführt, dass der Euro fast Parität mit dem Franken erreicht hatte.
Aus Furcht vor einer Periode der Deflation hatte die SNB ab Sommer 2011 immer mehr frische Franken gedruckt. Als dieser Ansatz jedoch keinen Umschwung auf den Märkten nach sich zog, führte die SNB am 6. September 2011 einen Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken ein und erklärte, sie werde so viel Geld wie nötig drucken, um diesen Kurs zu halten.
Dreieinhalb Jahre lang funktionierte diese Intervention, aber die SNB sah sich gezwungen, ihre Devisenreserven auf mehr als 500 Mrd. Franken ansteigen zu lassen – rund 70% der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes. Gegen Ende 2014 erreichte der Druck auf die SNB den Siedepunkt, als die EZB ankündigte, dass sie plane, die Wirtschaft mit Milliarden von Euro pro Monat zu überfluten. Am 15. Januar 2015 musste sich die SNB geschlagen geben und den Verzicht auf die Durchsetzung des Euro-Mindestkurses bekannt geben.
Wie erwartet lancierte die EZB eine Woche später ihr Anleihekaufprogramm in Höhe von 1 Billion Euro (1,09 Bio. Franken). Im Fachjargon werden solche Programme als quantitative Lockerung (oder «QE» für Quantiative Easing) bezeichnet. Um der EZB entgegen halten zu können, hätte die SNB Hunderte Milliarden frischer Franken drucken müssen und ihre Devisenreserven wären in untragbare Höhen gestiegen.
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
Beliebte Artikel
Mehr
Bundespolitik
Warum das Bahnland Schweiz auch ein Land der Autobahnen ist
Soll der Verkauf von Rohmilch verboten werden oder sollen Konsumentinnen und Konsumenten selbst entscheiden?
In der Schweiz verbietet das Lebensmittelgesetz den Verkauf von Rohmilch zum direkten Verzehr. Ein Schlupfloch erlaubt dies jedoch in 400 Rohmilchautomaten.
Ist eine Reform des Schweizer Rentensystems noch möglich, und wenn ja, wie?
Es müssen noch Lösungen gefunden werden, um die Herausforderung einer alternden Bevölkerung zu bewältigen und die Renten von Geringverdienenden, mehrheitlich Frauen, zu verbessern.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
US-Zinserhöhung: Keine rasche Auswirkung für Schweizer Firmen
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) erhöhte die Leitzinsen in den USA am 16. Dezember um 0,25 Prozentpunkte, womit der Zinsbereich für Gelder, die Banken einander leihen, auf 0,25 bis 0,5 Prozent steigt. Es war die erste Zinserhöhung in den USA seit 2006, und der dritte in einer Reihe von Zentralbank-Entscheiden, die sich auf den Schweizer…
Starker Franken: Sturmwarnungen für Schweizer Industrie
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Schweizer Unternehmen spüren die Auswirkungen der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank am 15. Januar mit voller Wucht. Trotz dem starken Franken blieb der Arbeitsmarkt aber bisher recht robust, doch gegen Ende Jahr könnte es vermehrt Entlassungen geben. In der Industrie macht man sich Sorgen.
Auch nach sechs Monaten bleibt Rolf Muster in Aufruhr. "Die Werkzeugmaschinenindustrie ist daran gewöhnt, zyklische Krisen durchzumachen, aber heute ist die Situation wirklich schwerwiegend. Wir befinden uns in einem Flugzeug ohne Pilot, und niemand scheint zu realisieren, dass wir direkt auf eine Mauer zusteuern", klagt der Chef von Schaublin Machines SA, einem Unternehmen im Jurabogen, das auf den Bau von industriellen Drehmaschinen spezialisiert ist.
Die plötzliche Aufwertung des Schweizer Frankens nach dem Entscheid der SNB, den Euro-Mindestkurs aufzugeben, traf die von Muster geleitete Firma mit voller Wucht. Zwischen dem 1. Januar und dem 31. Mai dieses Jahres brachen die Bestellungseingänge bei Schaublin Machines SA (40 Millionen Franken Umsatz 2014) um fast 60% ein. Muster, der bekräftigt, im Namen "zahlreicher anonymer Unternehmer" zu sprechen, welche dieselben Klippen zu umschiffen hätten, sah sich gezwungen, ein Dutzend Mitarbeiter zu entlassen sowie für 35 seiner Mitarbeiter Kurzarbeit zu verfügen.Schwankt der Franken weiterhin hartnäckig an der Paritätsgrenze zum Euro herum, wird Muster sich darauf vorbereiten müssen, dass er mittelfristig bis zur Hälfte seiner rund 120 Mitarbeiter entlassen werden muss. "Während der Krise 2009-2010 wussten wir, dass die Weltwirtschaft früher oder später wieder in Fahrt kommen würde. Heute wiegt die mangelnde Aussicht besonders schwer, denn es scheint wenig wahrscheinlich, dass der Schweizer Franken gegenüber dem Euro rasch einmal an Wert einbüssen wird", unterstreicht er.
Innovation, aber wie?
Musters Zorn richtet sich gegen die SNB, aber auch gegen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann, der sich in dieser Krise viel zu passiv verhalte. Der Patron der Schaublin Machines SA schluckt auch die Beschwörungen der Politiker zur Förderung von Innovation nicht, um die Wettbewerbsfähigkeit von "Swiss made"-Produkten noch weiter zu steigern.
"In normalen Zeiten investieren wir bereits gegen 10% unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Wie soll dieser Anteil erhöht werden, wenn der Umsatz um die Hälfte gesunken ist? Die Deutschen, unsere wichtigsten Konkurrenten, sind auch nicht dümmer als wir. Im Gegenteil, sie wurden von einem Tag auf den anderen 15% billiger, ohne auch nur einen Bolzen ihrer Maschinen austauschen zu müssen", beklagt Muster.
Auch Swissmem, der Dachverband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM), die mit ihren gegen 380'000 Beschäftigten in der Schweizer Volkswirtschaft eine wichtige Stelle einnimmt, teilt die Sorgen dieses Unternehmers. "Eine Mehrheit der Unternehmen in der Branche sind vom Entscheid der SNB stark betroffen", bekräftigt Philipe Cordonier, der bei Swissmem zuständig ist für die französischsprachige Schweiz.
Bisher konnte der Schock des starken Frankens, der zweite, den die Schweiz nach jenem von 2011 erlebt, mit raschen Massnahmen wie dem Senken von Kosten und dank den Bestellungseingängen aus der Zeit vor dem 15. Januar abgefedert werden. So gingen in den ersten drei Monaten nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses in der MEM-Industrie, die 80% ihrer Produktion exportiert, davon 60% in den EU-Raum, "nur" 2000 Arbeitsplätze verloren. Und die Prognosen zum Wirtschaftswachstum wurden zwar nach unten revidiert, bleiben aber für die Wirtschaft insgesamt für das laufende Jahr im positiven Bereich.
Bleiben 30'000 Stellen auf der Strecke?
Doch jetzt, wo es darum geht, mit den Kunden neue Verhandlungen aufzunehmen, zeigen sich die Chefs von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) wenig optimistisch. "Die zweite Hälfte des Jahres dürfte schwierig werden. Bestätigen sich die Auftragsverluste, besteht das Risiko, dass wird bald einmal eine Welle von Entlassungen sehen werden", erklärt Cordonier.
Wenn sich der Euro-Wechselkurs weiterhin um 1,05 Franken herum bewege, könnten in den nächsten sechs bis neun Monaten gegen 30'000 Stellen verloren gehen, befürchtete Valentin Vogt, der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, jüngst in einem Bericht der NZZ am Sonntag.
Pierluigi Fedele, Mitglied der Geschäftsleitung der Gewerkschaft UNIA, teilt diese Einschätzungen: "In der Industrie gehen jeden Tag Stellen verloren. Bisher sind davon vor allem Beschäftigte mit befristeten Verträgen betroffen, die nicht erneuert werden. Daneben werden Stellen nicht wieder besetzt, wenn jemand in Pension geht, weshalb sich diese Entwicklung bisher erst leicht auf die Arbeitslosenquote ausgewirkt hat. Aber viele KMU-Chefs, vor allem im Jurabogen, ziehen in Betracht, viel brutalere Entscheidungen zu treffen."
Fedele macht vor allem Sorge, dass ein Strukturwandel im Schweizer Industriesektor in Gang gekommen sei. "Wir befinden uns nicht in einer konjunkturellen Logik, die verlorenen Arbeitsplätze werden nicht wieder neu geschaffen."
Subunternehmen an vorderster Front
Die in der MEM-Industrie zahlreichen Subunternehmen am untersten Ende der Beschaffungskette sind die ersten, die unter der Aufwertung der nationalen Währung leiden.
"Wir haben von einigen unserer Kunden in der Schweiz harsche Briefe erhalten, in denen wir dazu angehalten wurden, unsere Preise rasch zu senken", erklärt etwa Jürg Haefeli, Chef von Lamineries Matthey SA, einer auf Präzisionskaltwalzen spezialisierten Firma aus dem Kanton Bern. "Gleichzeitig profitierten unsere europäischen Konkurrenten von der Situation und praktizieren eine aggressive Preispolitik."
Resultat: Verlust von Kunden, Rückgang der Bestellungseingänge, Einschnitte bei den Margen. "Wir werden gezwungen sein, unsere Produktivität weiter zu erhöhen, um wieder die Position zu erlangen, die wir vor dem 15. Januar hatten. Das wird jedoch nicht von heute auf morgen passieren, wir müssen sicher mit vier bis fünf Jahren rechnen. Zum Glück haben wir einen soliden finanziellen Rückhalt, was in unserer Branche eher die Ausnahme ist", erklärt Haefeli weiter.
Unsicherheit der Uhrenbranche
Die MEM-Industrie ist vom starken Franken am stärksten betroffen, doch die Flaute könnte sich bald auch auf andere Sektoren ausweiten. So haben Vertreter der Chemie-, Pharma- und Nahrungsmittelbranche, Sektoren, die dafür bekannt sind, einem steifen Gegenwind ziemlich gut entgegen halten zu können, jüngst in Schweizer Medien ebenfalls ihrer Sorge Ausdruck gegeben.
Das Aushängeschild der Schweizer Industrie, die Uhrenbranche, konnte in den vergangenen Jahren komfortable Margen einfahren, indem sie beim Endkonsumenten vom "Swiss made"-Effekt profitieren konnte. Doch auch die Uhrenindustrie beginnt, erste Erschütterungen des Währungsbebens zu spüren.
"Der starke Franken gesellte sich zu den wirtschaftlichen Unsicherheiten, die sich schon vor dem 15. Januar gezeigt hatten", erklärt François Matile, Generalsekretär des Arbeitgeberverbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (CP). "Bisher fielen die Folgen je nach Unternehmen sehr unterschiedlich aus, doch viele Firmen befürchten, dass es nach den traditionellen Uhrmacherferien vom Juli schwierig werden dürfte."
Keine Panikmache
Gewisse der Betroffenen, wie etwa Antonio Rubio, Generalsekretär Westschweizer Vereinigung der mechanischen Industrie (groupement suisse de l'industrie mécanique, GIM), weigern sich jedoch, den Teufel an die Wand zu malen: "Fast 40% der mit unserer Organisation verbundenen Unternehmen sind vom Entscheid der SNB stark betroffen. Im Gegenzug konnten etwa 40%, die ihr Rohmaterial aus dem Euroraum beziehen, davon profitieren, während bei etwa 20% keine bedeutenden Veränderungen auftraten", bekräftigt er.
Für Rubio steht daher ausser Diskussion, in Panik zu verfallen: "Sicher, die Aufgabe des Mindestkurses löste eine Schockwelle aus, und die kommenden Jahre werden für die Schweizer Industrie sicher zu einer Herausforderung. Gleichzeitig ist es auch eine Gelegenheit für viele Unternehmenschefs, die vor die Frage gestellt sein werden, Aktivitäten aufzugeben, die nur wenig oder durchschnittlichen Mehrwert erzeugen. Im Gegenzug glaube ich aber nicht an das Gespenst einer massiven Desindustrialisierung."
Konjunkturprognosen nach unten revidiert
Der starke Franken sollte die Schweizer Wirtschaft nicht in eine tief greifende Rezession rutschen lassen, schrieb das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) Mitte Juni. Voraussetzung dafür bleibe aber eine robuste Binnennachfrage und eine Erholung der Weltwirtschaft.
Das SECO rechnet aber weiterhin mit einer "schmerzhaften Anpassung" an die Frankenstärke und revidierte seine Wachstumsprognose für 2015 leicht nach unten (auf +0,8% des BIP).
Im Vergleich dazu prognostizierte die Schweizerische Nationalbank (SNB) jüngst für das laufende Jahr ein Wachstum von 1%. Und UBS und Credit Suisse gehen von einem Wachstum von 0,55 respektive 0,8% aus. Am wenigsten optimistisch zeigt sich die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, KOF, die mit einem Wirtschaftswachstum von 0,4% rechnet – und einer kurzen Rezession, die aber im zweiten Halbjahr überwunden sein soll.
Frankenkurs bremst Exporte mittelständischer Unternehmen
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Eine Rezession in der Schweiz im laufenden Jahr könne nicht ausgeschlossen werden. Als Grund für die getrübten Wirtschaftsaussichten nennt Keller einerseits die Aufhebung des Mindestkurses des Euros zum Schweizer Franken, andererseits die Planungsunsicherheit bei deutschen und schweizerischen Unternehmen auch als Folge des Zuwanderungsstopps, den das Schweizer Stimmvolk vor gut einem Jahr mit der Annahme der…
Starker Franken bringt Schweizer Löhne unter Druck
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Eine eisige Bise pfeift Anfang Februar über den Jura. Sie scheint Panik zu verbreiten, nicht nur in den Fertigungsbetrieben in den Hochtälern im Grenzgebiet gegen Frankreich, sondern in fast allen Industriebetrieben der Schweiz. Der Grund: Am 15. Januar hob die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken auf. Als Reaktion auf den Schritt, der…
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch