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Steuerberaten oder lieber gleich Auslagern?

Bis vor 25 Jahren wurde Offshore-Geld auch auf diese Weise in die Schweiz gebracht. Jetzt verlässt es die Schweiz wieder. Keystone

Das "Swiss Private Banking" ist unter Druck. Folge: Privatbanker, auf die nun in der Schweiz steuertechnische Mehrarbeit zukommt, können in Schwellenländer auslagern, wo reiche nichteuropäische Kunden warten. Denn "Swiss Private Banking" ist auch in Singapur machbar.

Privatbanker sind Vermögensverwalter. Schweizer Vermögensverwaltung zeichnete sich früher dadurch aus, dass die Steuerbelastung – bei nicht deklarierten Vermögen ohnehin – geringer als anderswo ausfiel. Seit dem Druck auf den Finanzplatz Schweiz steigt die Steuerlast zumindest auf Vermögen von EU- und US-Bürgern stark. Asiaten sind davon nicht betroffen.

Oft wird deshalb die Frage aufgeworfen, ob Privatbankiers, falls sie in der Schweiz bleiben, zu einer Art Edel-Steuerberater respektive -optimierer mutieren müssen. Oder ob sie sich nicht besser gleich selbst ins Ausland auslagern. Dann könnten sie ihr ‹Swiss Private Banking› an (legal) steuergünstigen Finanzplätzen wie Sao Paolo oder Singapur anbieten.

«Die Bankiers, besonders die Genfer, sind mit ihrer neuen Steuerberater-Rolle nicht glücklich», sagt Christoph Lechner vom Institute of Management der Universität St. Gallen. «Aber die Alternativen sind gering, besonders in Europa.» Steuerberater hingegen, die mit den Privatbankern zusammenarbeiten, seien sehr glücklich.

Diplomatischer gibt sich Mario Bassi, Geschäftsführer von Solution Providers für Privatbanken. Der seit 2001 in Singapur lebende Auslandschweizer und Vizepräsident der dortigen Swiss Business Association sagt, es liege am Banker, den Bedarf bei seinem Kunden zu erkennen und gegebenenfalls Steuerberater als Experten beizuziehen. «Ein guter Private Banker sollte die Rolle eines Generalunternehmers einnehmen.»

Ähnlich argumentiert Franco Rossi, auch er ein Dienstleister für Privatbanken und Auslandschweizer aus Kanada : «Der Private Banker selbst wird nicht Steuerberater werden, aber seine Bank wird die Steueroptimierung als Dienstleistung ausbauen.»

Auslagerbare Swissness

Ähnlich wie Produktionsbetriebe, die ihre Fertigung in der Schweiz ab- und zwischen Bratislava und Peking wieder aufgebaut haben, seien auch immer mehr Banker versucht, ihre Büros nach Asien oder Südamerika auszulagern, um den steigenden Kosten sprich Auflagen und der Stagnation in der alten Welt zu entkommen, berichten die Medien.

Lechner relativiert dies zwar, denn «jede neue Eurokrise spült weiter Geld in die Schweiz»: Mehrere Euro-Milliarden aus Krisenstaaten wie Spanien oder Italien, laut der Ratingagentur Standard & Poor’s. Es gehe also weniger um ein Auslagern oder nicht, sondern mehr um ein Deklarieren oder nicht: Schweizer Privatbanker müssten in neue Länder gehen und dort Kundengelder akquirieren, aber steuertransparent und klar domiziliert.

Auch Bassi sagt, etablierte Finanzzentren wie das schweizerische hätten sich der neuen Welt anzupassen. Bis in rund zehn Jahren werde ohnehin die Hälfte des weltweiten Vermögens in Asiens ’neuen Ländern› gehalten.

Und dort, so Bassi, sei schweizerisch geprägte Vermögensverwaltung «weiterhin stark im Trend». Die Bank of China habe kürzlich ihr gesamtes Vermögensverwaltungs-Geschäft ausserhalb Chinas der Bank Julius Baer anvertraut.

Rossi hingegen bestätigt eine gewisse Auslagerungs-Bewegung der Private Banker aus der Schweiz. Einen Grund dafür sieht er in der Gefahr übermässiger Regulierung. «Im Bereich der Fonds-Verwaltung ist die Schweiz gegenüber Finanzplätzen wie Luxemburg oder Malta überreguliert, im Bereich der Vermögensverwaltung (noch) nicht.»

Immer wieder Singapur

Reichen Kunden wird von ihren Vermögensverwaltern angeraten, ihr Vermögen zu diversifizieren: Nicht nur Aktien, sondern auch andere Wertpapiere, nicht nur Franken-Anleihen, sondern auch andere Obligationen. Diversifikation streut das Risiko.

«Wenn Privatbanken, auch schweizerische, in anderen Ländern Booking Center unterhalten, werden die Buchungen in der Schweiz nicht mehr erfasst», sagt Bassi. Im Booking Center einer Bank wird das jeweilige Konto eröffnet und buchhalterisch geführt. Mit anderen Worten: Hält ein Kunde einer Schweizer Bank in Singapur direkt ein Konto, kommt er in dieser Bank in der Schweiz gar nicht vor, ausser er hätte kürzlich Gelder transferiert.

Deutsche Oppositionspolitiker befürchten, dass deutsche Vermögende ihr Geld aus der Schweiz nach Singapur ‹diversifizieren›, das heisst am deutschen Fiskus vorbei auslagern. Die Schuld daran wird der Schweiz zugeschoben.

Bassi stellt klar: Asiens Markt für Vermögensverwaltung wachse mit oder ohne deutsche Kunden und mit oder ohne den Finanzplatz Schweiz: «Bereits jetzt liegt rund ein Drittel des weltweiten Vermögens in Asien – und das Wachstum ist im Gegensatz zu Europa ungebrochen.»

Von den weltweit rund tausend Milliardären entfallen rund ein Viertel auf Asien. 60% der Weltbevölkerung und ein Drittel des weltweiten Vermögen stammen aus Asien. China erzeugt zur Zeit neben den USA und Japan am drittmeisten Vermögen.

Unter diesen Umständen, meint Mario Bassi, werden auch Schweizer Privatbanken «wohl genug mit der Bewältigung dieses Potenzials zu tun haben».

Und die in der Schweiz verbleibenden Privatbanker fragen sich, wie sie sich des deutschen Vorwurfs entledigen sollen, ihren Kunden ein «Abschleichen» nahe gelegt zu haben. Denn diese tun es auch ohne Anraten oder haben es bereits getan, weil es der freie Kapitalverkehr ermöglicht.

Würden Staaten diese Kapital-Transfers wieder einzuschränken versuchen, käme dies einem Eingriff in den freien Kapitalverkehr gleich, sagt Lechner. Erst Mitte der achziger Jahre war dieser liberalisiert worden, sagt auch Rossi. Denn die Politik musste einsehen, dass Einschränkungen oder Verbote das Abwandern von Geld nicht unterbinden konnte.

Mit 13,2 Mio. Besuchern hat Singapur 2011 einen neuen Besucherrekord verbucht. Fast 80’000 Besucher davon stammen aus der Schweiz.

Rekorde dürfte es auch bei den Kapitalzuflüssen gegeben haben. Das deutsche Finanzministerium vermutet zweistellige Milliardenbeträge, die allein aus der Schweiz von «Abschleichern» nach Singapur transferiert worden seien.

Das Schweizer Staatssekretariat für Finanzfragen schätzt den Betrag demgegenüber auf weniger als eine halbe Milliarde Franken.

Mitte Oktober traf sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble mit Singapurs Premier Lee Hsien Loong. Zur Sprache kam eine Revision ihres Doppelbesteuerungs-Abkommens (DBA). Singapur soll dabei dem automatischen Informations-Austausch über Steuerpflichtige gemäss OECD-Standard zustimmen – Auskünfte also, die bisher vom dortigen Bankgeheimnis geschützt wurden.

Da die Schweiz diesen Informations-Austausch ablehnt und Deutschland dafür eine Abgeltungssteuer im DBA vorschlägt, versucht Schäuble nun via Singapur, an die Namen der «Abschleicher» aus der Schweiz und deren Beträge heranzukommen.

2010 gab es in der Schweiz 320 Banken und Finanzgesellschaften (2007: 330; 1990: 625).

Davon waren 122 ausländisch beherrschte Banken (2007: 122; 1990: 126), Privatbankiers gab es 13 (2007: 14; 1990: 22).

Banken in der Schweiz verwalteten Ende 2009 insgesamt (On- und Offshore) Vermögen von 5600 Mrd. Franken.

Allein im grenz überschreitenden, also Offshore-Private Banking, liegt die Schweiz mit einem Marktanteil von 27% knapp vor Grossbritannien/ Kanalinseln mit 26%.

Singapur gehört seit einigen Jahren zu den Finanzplätzen mit den höchsten Wachstumsraten. Ende 2009 wurden in Singapur Offshore-Vermögen in Höhe von 1208 Mrd. Dollar verwaltet. Zum Vergleich: Hongkong 1091 Mrd. Dollar; Schweiz 2000 Mrd. Dollar.

Weltweit betrugen die grenzüberschreitend verwalteten Vermögen Ende 2009 7400 Mrd. Dollar.

Sehr vermögende Personen (High Net Worth Individuals, HNWI) hielten Ende 2009 ein Off- und Onshore-Vermögen von 39’000 Mrd. Dollar: 10’700 Mrd. aus den USA, 9’700 Mrd. aus Asia-Pacific, 9’500 Mrd. aus Europa.

Quellen: SwissBanking, SIF

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