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Studie bestätigt: Action-Videospiele verbessern die Lesefähigkeit

Kind spielt ein Videogame
Hans-bernhard Huber/laif

Videospiele sind der Albtraum aller Eltern. Wer hat sich noch nie mit den eigenen Kindern gestritten, um sie davon zu überzeugen, den Bildschirm auszuschalten und ein Buch in die Hand zu nehmen? Und doch könnte das Problem auch die Lösung sein: Das zeigt eine neue Schweizer Studie.

Eine Studie der Universität Genf in Zusammenarbeit mit der Universität Trient hat gezeigt, dass Action-Videospiele die Lese- und Aufmerksamkeitsfähigkeiten von Kindern deutlich verbessern können. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift Nature Human BehaviourExterner Link veröffentlicht.

Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass handelsübliche Action-Spiele positive Auswirkungen auf Kinder im Schulalter mit Legasthenie haben, insbesondere in Bezug auf die Lesegeschwindigkeit und die Verringerung der Ablenkbarkeit. Auf der Grundlage dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse entwickelte das Genfer Forschungsteam ein pädagogisches Action-Videospiel mit dem Namen «Skies of ManawakExterner Link«, das auf spielerische Weise die kognitiven Funktionen anspricht, die beim Lesen erforderlich sind. Dazu gehören Konzentration, Erinnerungs- und Wahrnehmungsvermögen.

Das Videospiel soll alle grundlegenden Fähigkeiten trainieren, die für das Erlernen des Lesens erforderlich sind, «ohne dass es als zusätzliche Aktivität zu den Hausaufgaben oder der Schule wahrgenommen wird», erklärt Angela Pasqualotto, Forscherin an der Fakultät für Psychologie und Erziehungswissenschaften der Universität Genf.

Das Spiel wird je nach Leistung der Spielenden moduliert, wobei verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Denn Lesen nicht nur eine sprachliche Fähigkeit, sondern erfordert auch die Aktivierung «höherer» kognitiver Funktionen, die in der Lage sind, das Verhalten des Einzelnen zu regulieren, erklärt Pasqualotto.

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Verbesserte Aufmerksamkeitsspanne

Die Studie wurde über einen Zeitraum von sechs Wochen in einer italienischen Schule durchgeführt, wobei 150 Schüler:innen im Alter von 8 bis 12 Jahren in zwei Gruppen aufgeteilt wurden: Die erste Gruppe spielte «Skies of Manawak», während die zweite Gruppe «ScratchExterner Link» spielte, ein Videospiel, das die Grundsätze des Programmierens auf kreative Weise vermittelt und von einem Forschungsteam des Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt wurde.

Unmittelbar nach dem Training, das insgesamt zwölf Stunden dauerte, beobachteten die Forschenden eine bis zu siebenmal grössere Verbesserung der Aufmerksamkeitskontrolle bei denjenigen, die das Actionspiel gespielt hatten, als bei der zweiten Gruppe. Auch die Lesefähigkeiten, sowohl in Bezug auf die Geschwindigkeit, wie auch auf die Genauigkeit, schienen sich in der ersten Spielgruppe deutlich zu verbessern.

Die Ergebnisse wurden im Laufe der Zeit überwacht. Tests zeigten, dass die besseren Leistungen der Jungen und Mädchen, die «Skies of Manawak» gespielt hatten, auch nach sechs Monaten noch anhielten, was sich auch in ihren Schulnoten widerspiegelte. «18 Monate nach dem Ende des Trainings hatten die Teilnehmenden, die unser Videospiel gespielt hatten, deutlich bessere Noten in Italienisch als die zweite Gruppe», sagt Pasqualotto.

videogioco di azione educativo sky of manawak
credits: Studiobliquo

Aber was macht Action-Spiele so effektiv bei der Stimulierung kognitiver Prozesse im Zusammenhang mit dem Lesen? Bei dieser Art von Videospiel müssen Sie unter Zeitdruck Entscheidungen treffen, Ihre Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten und sie effizient «verteilen», um schnell auf verschiedene Situationen zu reagieren, die auf dem Bildschirm auf unvorhersehbare Weise auftauchen.

Gerade diese ständige Variabilität der Aktivitäten rege die kognitiven Funktionen kontinuierlich an und verhindere, dass Handlungen automatisiert und mechanisch ausgeführt werden, erklärt Pasqualotto. «Dies wirkt sich sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern positiv auf weitreichende Lernfähigkeiten aus, die eine hohe Belastung des Aufmerksamkeitssystems erfordern, wie zum Beispiel das Lesen», fügt die Wissenschaftlerin hinzu. An einer Version des Spiels für Erwachsene wird derzeit geforscht.

«Skies of Manawak» ist derzeit nur für den Computer und nur auf Italienisch verfügbar. In einem nächsten Schritt soll es auf Deutsch, Englisch und Französisch adaptiert werden, damit es in Schweizer Schulen getestet werden kann. Die Entwickler:innen arbeiten auch an einer Anpassung für Tablets, um das Training auch zu Hause zu ermöglichen.

Videospiele: ja, aber mit Mass

Besteht aber nicht die Gefahr, dass wir unsere Söhne und Töchter zu sehr den bereits allgegenwärtigen Bildschirmen aussetzen und ihnen noch mehr Zeit zum Lesen von Büchern nehmen? «Wenn sie nur eine begrenzte Zeit lang gespielt werden, können diese Videospiele tatsächlich nützlich sein und Kinder zum Lesen motivieren», meint Silvia Brem, Leiterin der Gruppe Developmental Neuroimaging an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Universität Zürich.

Brem zufolge können Jungen und Mädchen, die eine Verbesserung ihrer Lesefähigkeiten feststellen, mehr Freude am Lesen kriegen, insbesondere wenn sie unter Lernstörungen wie Legasthenie leiden.

Die bisher vorliegenden Studien über die Auswirkungen von Action-Videospielen auf Kinder mit Defiziten sind zwar vielversprechend, aber «sie sind sehr spärlich und berücksichtigen nur kleine Gruppen», sagt Brem. Aus diesem Grund ist es laut Brem dringend notwendig, die bisher erzielten Ergebnisse mit grösseren Gruppen und in mehr Sprachen zu replizieren, um die tatsächlichen Auswirkungen von Action-Videospielen auf Kinder validieren zu können.

Der andere wunde Punkt ist die Sucht: Wie kann diese vermieden werden, ohne den Reiz des Spiels zu verlieren? «In unserem Zeitalter, das von ‹Design for Addiction› beherrscht wird, ist es schwierig, Suchtmechanismen zu vermeiden», sagt Serena Cangiano, Expertin für interaktives Design und Forscherin an der Fachhochschule Südschweiz. «Aber es ist möglich, Videospiele zu entwerfen, die nur für eine begrenzte Zeit befriedigend sind.»

(Übertragung aus dem Italienischen: Jonas Glatthard)

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