«Suisse Secrets»: Credit Suisse hatte Autokraten und Kriminelle als Kunden
Die Schweizer Grossbank Credit Suisse soll über Jahre umstrittene Machthaber und korrupte Beamte als Kunden gehabt haben. Das wirft ein internationales Recherche-Netzwerk der Grossbank vor. Die der Bank vorgeworfenen Vorfälle sollen von den 1940er-Jahren bis weit ins vergangene Jahrzehnt reichen.
Das berichtet das Recherche-Netzwerk Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) unter dem Titel «Suisse Secrets». Die beteiligten Journalistinnen und Journalisten beziehen sich auf interne Daten der Bank, die ihnen zugespielt worden seien. Die Credit Suisse habe es Autokraten, Drogendealern, Kriminellen und mutmasslichen Kriegsverbrechern ermöglicht, ihren Reichtum sicher parkieren zu können, schreibt etwa die an der Recherche beteiligte «Süddeutsche Zeitung».
BREAKING: Leaked bank records show how Credit Suisse helped dictators, corrupt politicians, spies, and criminals hide their illicit fortunes.
— Organized Crime and Corruption Reporting Project (@OCCRP) February 20, 2022Externer Link
This is #SuisseSecretsExterner Link, one of the world’s largest investigations into the world of Swiss banking https://t.co/ijEPe5aNN2Externer Link
Gemäss der an den Recherchen mitbeteiligten ARD gehörten etwa mehrere Familienangehörige von Kasachstans Ex-Präsidenten Nursultan Nasarbajew zu den Kunden der Credit Suisse. Nasarbajews Familie gilt bis heute als überaus mächtig und einflussreich.
Weiter zählt gemäss ARD auch der König von Jordanien, Abdullah II., zu den Kunden der Grossbank – auch nachdem Medien über sein «Königreich der Korruption» berichtet hätten. Eines seiner Konten sei noch immer aktiv.
Credit Suisse weist Vorwürfe zurück
In einer Stellungnahme Externer Linkweist die Credit Suisse die Vorwürfe und Unterstellungen über «angebliche Geschäftspraktiken der Bank entschieden zurück». Die dargestellten Sachverhalte seien überwiegend historisch bedingt und reichten teilweise bis in die 1940er-Jahre zurück. Sie würden auf unvollständigen oder selektiven Informationen beruhen, die aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Die Mehrheit der betroffenen Konten sei bereits vor 2015 geschlossen worden.
Die Vorwürfe treffen die Credit Suisse in einer Phase, in der sie bereits unter starkem Druck steht. Kürzlich meldete sie einen Jahresverlust in Höhe von 1.6 Milliarden Franken wegen Fehlspekulationen sowie einen plötzlichen Wechsel an der Spitze des Verwaltungsrats. Zudem stand sie vor einigen Wochen in Bellinzona vor Bundesstrafgericht wegen Geldwäscherei in den Jahren 2004 bis 2008. Die neuen Vorwürfe bringen nun erneut Unruhe in den Konzern. Die CS betont denn auch, sie habe in den vergangenen Jahren «eine Reihe bedeutender, zusätzlicher Massnahmen» ergriffen, um Finanzkriminalität zu verhindern. Heutzutage stehe das Risikomanagement im Mittelpunkt.
Die Credit Suisse könne sich aus rechtlichen Gründen nicht zu potenziellen Kundenbeziehungen äussern. Man nehme die Anschuldigung sehr ernst und werde die Untersuchungen mit einer internen Taskforce unter Einbeziehung spezialisierter externer Experten fortsetzen.
30’000 Kunden aus aller Welt involviert
Dem Bericht zufolge geben die Unterlagen Aufschluss über die Konten von mehr als 30’000 Kunden aus aller Welt. «Suisse Secrets» stützt sich laut eigenen Angaben auf Akten von 18’000 Konten im Umfang von 100 Milliarden Dollar.
Gemäss diesen Daten haben Kriminelle Konten eröffnen beziehungsweise Konten auch dann behalten können, «wenn die Bank längst hätte wissen können, dass sie es mit Straftätern zu tun hat». Laut den internen Bankdaten waren zahlreiche Staats- und Regierungschefs, Minister und Geheimdienstchefs ebenso wie Oligarchen und Kardinäle Kunden der Credit Suisse.
Keine Schweizer Medien an der Recherche beteiligt
Die «Süddeutsche Zeitung» hat die Credit-Suisse-Daten nach eigenen Angaben zusammen mit dem Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) sowie 46 Medienpartnern aus aller Welt ausgewertet. Beteiligt waren unter anderem die ARD, der britische Guardian und die New York Times.
Schweizer Medien hätten bei der Recherche auf die Teilnahme verzichtet, denn seit 2015 drohe Journalistinnen und Journalisten ein Strafverfahren, wenn sie über geleakte Bankdaten schreiben, twitterte der «Tagesanzeiger» am SonntagabendExterner Link.
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