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Für die Rekrutenschule von Südafrika in die Schweiz

Rekrut Gregory Boast
Gregory Boast hat 2020 die Rekrutenschule in Chamblon absolviert. Lazar

Jedes Jahr leisten in der Schweiz mehrere Dutzend junge Auslandschweizer Militärdienst. Was bewegt sie dazu? Und wie ist es in der Armee des Landes ihrer Mütter und Väter? Wir haben mit Gregory Boast aus Südafrika gesprochen.

Während sich in der Schweiz immer mehr Jugendliche für den Zivil- und gegen den Militärdienst entscheiden, zog es in den vergangenen Jahren vermehrt Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in die Schweiz, um hier Dienst zu leisten.

«Ich wusste schon immer, dass ich dereinst in der Schweiz das Militär machen will», erzählt Gregory Boast. Der 19-Jährige ist schweizerisch-südafrikanischer Doppelbürger, seine Mutter stammt aus dem Kanton Luzern. Aufgewachsen ist der junge Auslandschweizer in Johannesburg.

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In Südafrika sei der Militärdienst freiwillig, es wäre also auf Berufsmilitär hinausgelaufen. Aber das hätte so gar nicht zu Boasts Zukunftsplänen gepasst. «Ich will Jurist werden», sagt er. Das war auch der eigentliche Grund, weshalb er vor einem Jahr in die Schweiz eingereist ist: Um hier zu studieren.

Militär vor Studium

Kommen Auslandschweizer in jungen Jahren für ein Studium in die Schweiz, erhalten sie bei der Anmeldung automatisch ein Aufgebot für den Militär- oder Zivildienst. «In der Familie hat in meiner Generation noch niemand das Militär gemacht.»

Gregory Boast sah es als Herausforderung, dies zu ändern und entschied sich deswegen gegen den Zivildienst. «Ausserdem habe ich Freunde, welche die Rekrutenschule absolviert haben. Sie haben es mir alle sehr empfohlen.»

Boast rückte Ende Juni in die Rekrutenschule ein, als einer von insgesamt 20’183 Rekruten im vergangenen Jahr. Er war als Füsilier in Chamblon im Waadtländer Jura stationiert. Es hat ihm so gut gefallen, dass er gleich weitergemacht und die Unteroffiziersschule angehängt hat.

«Ich wusste schon immer, dass ich dereinst in der Schweiz das Militär machen will.»

Jedes Jahr befinden sich unter den Rekruten auch junge Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. 2020 waren es 53, 2019 deren 61 und im Jahr davor deren 39. Dies, obwohl sie in Friedenszeiten von der Rekrutierung und der Militärdienstpflicht befreit sind, solange sie sich im Ausland aufhalten.

Einschränkungen bestehen nur für den grenznahen Raum. «Dabei handelt es sich um Schweizer, die in grenznahen Gebieten wohnhaft sind und in der Schweiz eine berufliche Tätigkeit ausüben. Grenzgänger sind somit grundsätzlich militärdienstpflichtig», sagt Armeesprecher Stefan Hofer.

Die Schweiz übernimmt die Reisekosten

Auch die Aushebung gestaltet sich für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer speziell. Während sich Gregory Boast bereits in der Schweiz aufhielt und regulär an der militärischen Aushebung im Kanton Aargau teilnehmen konnte, werden interessierte junge Schweizerinnen und Schweizer im Ausland in der Regel ein bis vier Wochen vor Beginn der RS zur Rekrutierung aufgeboten.

Je nach sprachlichen Fähigkeiten erfolgt die Aushebung im Rekrutierungszentrum in Sumiswald, Payerne oder Monteceneri. Die Kurzfristigkeit hat ihren Grund: So werden die Reisekosten so gering wie möglich gehalten. Je nach finanziellen Verhältnissen werden die Reisekosten aus dem Ausland nämlich vom Staat übernommen.

«Die Bundesverwaltung erstattet einmal pro Weg die Reisekosten – generell an die Rekrutierung und nach der Rekrutenschule wieder zurück ins Ausland», schreibt das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS.

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Nach abgeschlossener militärischer Ausbildung im Dezember geht es für Gregory Boast im Januar weiter auf dem Waffenplatz in Chamblon. In der Zwischenzeit verbrachte er die Feiertage trotz Pandemie in Südafrika.

«Mit einem negativen Covid-Test darf man nach Johannesburg fliegen», freute er sich am Tag vor Abflug Mitte Dezember – damals war ein mutiertes Virus noch kein Thema und alle Flüge zwischen der Schweiz und Südafrika noch möglich. Ob und wie er es zurück in die Schweiz schafft, ist momentan noch offen.

Gregory Boast hat seine Eltern und Freunde seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Der frisch beförderte Wachmeister hat denn auch nicht gerade ein einfaches Jahr erwischt, um in einem «fremden» Land Fuss zu fassen.

Kein Jahr voller Parties und Ausflüge

«Ich dachte, dass neben dem Militär ein Jahr voller Parties und Ausflüge bevorsteht», gibt Boast zu. Er musste schnell umdenken. Zufrieden sei er aber trotzdem mit den vergangenen zwölf Monaten. «Die Schweiz ist ein sehr tolles Land und ich bin froh, dass ich hier noch ein Teil meiner Jugend ausleben kann.»

Portraitbild von Gregory Boast
Schnee in der Schweiz – etwas, das der junge Auslandschweizer nur vom Hörensagen kannte. Gregory Boast.

Gregory Boast plant längerfristig. «Ich will hier studieren – Rechtswissenschaften in Fribourg – und mich beruflich etablieren.» Auch seine drei Jahre ältere Schwester studiert in der Schweiz, an der EPFL in Lausanne. Wie ist das für die in Südafrika gebliebenen Eltern? «Sie wussten schon immer, dass ich in der Schweiz leben will», sagt Boast. Für ihn sei es nie eine Option gewesen, in Südafrika zu bleiben.

«Uns wurde schon in der Schule gesagt: Wenn du die Möglichkeit hast, dann geh weg. In Südafrika gibt es keine Zukunft», sagt der junge Mann, der an der deutschen Schule in Johannesburg das Abitur abgeschlossen hat.

«Wenn du die Möglichkeit hast, dann geh weg.»

Auch das Leben an der Südspitze des afrikanischen Kontinents sei komplett anders als in der Schweiz. «Das fängt mit Kleinigkeiten an wie Einkaufen, oder nachts auf die Strasse gehen», erklärt er. Im vergangenen Jahr in der Schweiz konnte er endlich selbständig werden und etwa eigenständig im Land herumreisen – etwas, das in Südafrika kaum vorstellbar ist.

«Viele möchten Englisch mit mir sprechen»

Gregory Boast spricht Englisch, Schweizerdeutsch, Deutsch und seit diesem Jahr auch noch Französisch. Leben kann er bei seinen Verwandten, eine Tante wohnt im luzernischen Kriens, ein Onkel in Genf. «Wir waren als Familie oft hier in der Schweiz im Urlaub», sagt er.

Obwohl er vor einem Jahr schon eine Art Kulturschock erlebt habe, konnte er sich dank der Familie schnell einleben. «Wenn man in der Schweiz aufgewachsen ist, weiss man es gar nicht zu schätzen, was dieses Land bietet», gibt Boast zu bedenken.

Für ihn sei die Schweiz immer ein spezielles Land gewesen, bevor er überhaupt das erste Mal hier war. Schliesslich sei er in der deutschen Schule in Johannesburg schon seit je «der Schweizer» gewesen. Das habe ihn stolz gemacht.

Dass Gregory Boast aus Südafrika kommt, ist für seine Militärkollegen ein grosses Thema. «Viele möchten gerne Englisch mit mir sprechen oder fragen nach dem Leben in Südafrika.» Er könne Reisen nach Südafrika nur empfehlen. Und noch was kann er empfehlen, und zwar jungen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern: Einmal die Chance zu ergreifen, um in der Schweiz zu leben.

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