So könnte die Nationalbank den Zinsanstieg stoppen
In den Vereinigten Staaten und in der Schweiz steigen die Zinsen auf den Staatsschulden. Das verteuert die Finanzierung der Corona-Ausgaben. In Japan ist das kein Problem. Dort verhindert die Zentralbank einen Zinsanstieg. Wäre das japanische Rezept auch etwas für die Schweiz?
Die Politiker und Politikerinnen haben die Spendierhosen angezogen. Der US-Kongress hat letzte Woche ein Konjunkturpaket von 1,9 Billionen Dollar verabschiedet. Als Folge davon werden die amerikanischen Staatsschulden so stark steigen wie zuletzt während des Zweiten Weltkriegs.
Ähnlich ausgabefreudig zeigt sich das Schweizer Parlament. Es hat jüngst den finanziellen Rahmen für die Härtefallhilfen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 von fünf auf über zehn Milliarden Franken erhöht. Gleichzeitig mit den höheren Ausgaben steigen in beiden Ländern die Zinsen auf den Staatsschulden.
Steigende Inflation erwartet
Der Grund für die anziehenden Zinsen sind die steigenden Inflationserwartungen. Das ist ein bisschen wie bei einem Computer: Wenn Sie Ihren Computer für einige Jahre an eine Freundin ausleihen, bekommen Sie ihn nach Ablauf der Leihfrist zwar zurück. Der Computer wird dann aber weniger wert sein.
Beim Geld ist das ähnlich: Wenn ein Investor heute eine Million Franken an einem Staat ausleiht, erhält er sein Geld zwar dereinst zurück. Mit der zurückbezahlten Million wird er sich aber weniger leisten können. Der Grund dafür sind die steigenden Preise. Darum fordern die Investoren als Entschädigung für die zu erwartende Inflation höhere Zinszahlungen.
Für den Staat ist das eine Belastung. Wenn die Zinsen steigen, muss das Finanzministerium einen grösseren Anteil seiner Einnahmen für den Schuldendienst aufwenden. Es bleibt also weniger Geld übrig für Bildung, Armee oder Sozialwerke.
Der japanische Ansatz
Mitunter um das zu verhindern, hat die japanische Notenbank bereits 2016 versprochen, die Zinsen auf den Staatsschulden bei null zu halten. Diese Art der Geldpolitik ist bekannt als Zinskurven-Steuerung (yield curve control).
Für die Notenbank ist eine Zinskurven-Steuerung riskant. Aufgrund ihres Zinsversprechens kann es nämlich dazu kommen, dass die Zentralbank das gesamte Staatsdefizit finanzieren muss.
Der Grund: Wenn die Investoren eine steigende Inflation prognostizieren, verlangen sie üblicherweise höhere Zinsen. Das zeigen die Daten aus der Schweiz und den USA. Weil die Zinsen steigen, leihen die Investoren ihr Geld weiterhin an die beiden Staaten aus.
In Japan ist das anders. Wer dort eine höhere Inflation erwartet, kann gegenüber dem Staat keine Zinserhöhung durchsetzen. Das Nullzins-Versprechen der japanischen Zentralbank verunmöglicht einen Zinsanstieg.
Als Folge davon werden die Investoren bei steigenden Inflationserwartungen dem japanischen Finanzministerium kein Geld mehr überlassen. Die Notenbank müsste dann die Staatsfinanzierung übernehmen.
Die schlechten Erfahrungen der US-Notenbank Fed
Diese Art der Staatsfinanzierung kann dazu führen, dass die Politik noch mehr Geld ausgibt. Hohe Staatsausgaben im falschen Moment können im schlimmsten Fall in eine sich selbst verstärkende Geldentwertung münden.
Spätestens dann wird die gut gemeinte Zinskurven-Steuerung kontraproduktiv. Stark steigende Preise bremsen nämlich den Wirtschaftsgang. Anstatt sich um die Einführung einer neuen Produktserie zu kümmern, verwenden die Managerinnen und Manager plötzlich ihre ganze Zeit darauf, ständig die Preise ihrer Güter und Dienstleistungen anzupassen. So passiert ist das nach 1946 in den Vereinigten Staaten. Damals hat die US-Notenbank Fed zuletzt auf eine Zinskurven-Steuerung gesetzt.
Kommt die Zinskurven-Steuerung auch in der Schweiz?
Trotz dieser Risiken kontrolliert aktuell auch die australische Notenbank die Zinsen auf den Staatsschulden. «In Australien funktioniert die Zinskurven-Steuerung ziemlich gut.» Das sagt Anjeza Kadilli. Sie beobachtet für Pictet Asset Management die Geldpolitik der australischen Notenbank.
Die Zentralbank in Sydney habe die Zinsen auf den dreijährigen Staatsschulden ohne grössere Probleme bei 0,1 Prozent stabilisieren können. Auch deshalb sei die Arbeitslosigkeit heute deutlich tiefer als prognostiziert. Zu einem Teuerungsschub sei es deswegen nicht gekommen.
Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) könnte mit einer Zinskurven-Steuerung dafür sorgen, dass die Finanzierungskosten für die Schweizer Corona-Ausgaben tief bleiben. Das bestätigt die SNB indirekt, indem sie den Zusammenhang zwischen Zinskurven-Steuerung und Finanzierungskosten anerkennt.
Zudem lässt sie ausrichten: «Wir beobachten die Massnahmen anderer Zentralbanken genau und prüfen sie auf ihre Tauglichkeit für die Schweiz.» Ob eine Zinskurven-Steuerung im Hinblick auf ihre nächste Sitzung in Betracht gezogen wird, sagt die Nationalbank nicht.
Wie denken Sie über eine Zinskurven-Steuerung? Sollte die Schweizerische Nationalbank die Finanzierungskosten für den Bund tief halten? Auf Twitter können Sie darüber mit dem Autor diskutieren – auf Deutsch, Englisch und Französisch. Sein Profil finden Sie hierExterner Link.
AutorFabio CanetgExterner Link hat an der Universität Bern und an der Toulouse School of Economics zum Thema Geldpolitik doktoriert. Heute ist er Dozent an der Universität Neuenburg.
Als freischaffender Journalist schreibt er für swissinfo.ch und die Republik. Er moderiert den Geldpolitik-Podcast «GeldcastExterner Link«.
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