Vergiftungsgefahr in Indien durch Schweizer Pestizid
Auf den Baumwollfeldern in Zentralindien wird derzeit tonnenweise Insektengift versprüht. Teils mit fatalen Folgen: Allein in der Region Yavatmal sind letztes Jahr nach der Arbeit mit Pestiziden 20 Bauern gestorben, 800 Menschen mussten mit Vergiftungen ins Spital gebracht werden. Auch ein Produkt des Basler Chemiekonzerns Syngenta wird dafür verantwortlich gemacht.
Die Sendung «10vor10» besuchte mehrere Familien in der Region Yavatmal, die das Pestizid Polo von Syngenta eingesetzt haben. Verschiedene berichteten von gereizten Augen, Schwindel und Teilverlusten der Sehkraft.
Nach Angaben von Public EyeExterner Link wurden in Yavatmal 2017 innert zwölf Wochen rund 800 Landarbeiter schwer vergiftet, als sie auf Baumwollfeldern Pestizide ausbrachten. Über 20 von ihnen starben. Das Schweizer Parlament müsse Exporte von Insektiziden wie Polo endlich verbieten, fordert die Nichtregierungsorganisation.
Hiraman Soyam ist heute sogar arbeitsunfähig und kann kaum mehr sprechen. Seine Frau Archana sagt: «Wir haben nicht gewusst, dass so etwas passieren kann. Bevor wir Polo einsetzten, hatten wir 15 Jahre lang keine Probleme.»
Kein Bauer im Dorf habe gewusst, dass man beim Sprühen von Pestiziden Schutzkleidung tragen sollte, so Archana. «Wir haben hier nie Schutzkleidung getragen. Wir wussten überhaupt nichts über die Gefahren.»
Trotz Verbot erhältlich
In der Schweiz ist Polo seit 2009 «aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes» verboten, wie es in der entsprechenden Verordnung heisst. Auch in Yavatmal ist das Produkt eigentlich seit Juli nicht mehr zugelassen. Dennoch konnte das Team von «10vor10» in Indien Polo kürzlich in einem Laden kaufen.
Den Hauptwirkstoff für Polo – Diafenthiuron – produzierte Syngenta bis ins Jahr 2016 in der Schweiz, am Walliser Standort Monthey. Von hier aus exportierte der Konzern Diafenthiuron in alle Welt, im letzten Jahr gingen 75’000 Kilo Diafenthiuron nach Indien.
NGO fordert Export-Verbot
Public Eye kritisiert Syngenta seit Jahren für den Verkauf von hierzulande verbotenen Pestiziden nach Indien. Die Nichtregierungsorganisation verfügt über Dokumente, welche die Schädigung von indischen Bauern durch Polo belegen.
Gemäss Mediensprecher Oliver Classen hält sich Syngenta nicht an internationale Richtlinien zum Schutz der Bauern: «Wir plädieren stark und nachdrücklich für ein Ausfuhrverbot des Produkts. Auch aufgrund der Vorkommnisse in Indien.»
Syngenta weist Kritik zurück
Der kritisierte Basler Konzern weist die Kritik zurück. Den Export von Polo begründet die Firma gegenüber «10vor10» so: «Es kommt häufig vor, dass ein Pflanzenschutzmittel in einem Land registriert ist und in einem anderen nicht – aufgrund unterschiedlicher regulatorischer Kriterien sowie klimatischer und agronomischer Bedingungen oder unterschiedlicher Bedürfnisse der Landwirte.»
Syngenta unterstütze die Bauern im sicheren Umgang mit den Produkten. Weiter schreibt der Konzern: «Um solch tragischen Unfällen bestmöglich vorzubeugen, weisen wir stetig darauf hin, dass unsere Produkte nur unter strenger Einhaltung der auf jedem Etikett oder Beipackzettel angegebenen Vorgaben angewendet werden dürfen.»
Stellungnahme Syngenta
Syngenta schreibt in einer offiziellen MitteilungExterner Link: «Wir distanzieren uns von den falschen und nicht wahrheitsgetreuen Medienberichten, in denen behauptet wird, dass unser Pflanzenschutzmittel ‹Polo› Auslöser für die tragischen Vorfälle sei. Es gibt weder Hinweise noch Belege dafür, dass ‹Polo› für die aufgetretenen Vorfälle verantwortlich war.
In den aktuellen Medienberichten wird weder berücksichtigt noch erwähnt, dass es in Indien mehr als 30 Hersteller lokaler Generika (…) gibt, deren Zusammensetzung sehr ähnlich ist und die ebenfalls auf dem Markt verkauft werden. Diese Produkte wurden oft als ‹Polo› vermarktet, jedoch ohne die Hinweise und Begleitinformationen, die Syngenta für einen sicheren Umgang mit dem Produkt für unabdingbar hält und daher jedem Produkt standardmässig anfügt.
(…) Polo ist in der Schweiz nicht verboten, sondern es ist in der Schweiz nicht registriert und wird demzufolge hierzulande auch nicht verkauft.»
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