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Taiwan und die Schweiz: Geschäftlich nahe, politisch auf Distanz

Taipei Financial Center
"Taipei 101": Das Taipei Financial Center ist das höchste Gebäude in Taiwan. Und Symbol für die Wirtschaftsstärke der Insel. Keystone

Offiziell erkennt die Schweiz den asiatischen Inselstaat nicht an. Beziehungen pflegt sie dennoch – auf verschlungenen Wegen.

Selten führen Besuche zu solch harschen Reaktionen: Als Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, ihren Besuch in Taiwan ankündigte, reagierte Peking rhetorisch ungewohnt scharf – und begann im Anschluss massive Militärmanöver rund um die Insel. Als Reaktion darauf begann Taiwan eigene Übungen mit scharfer Munition. Die Lage ist weiterhin sehr angespannt. Befürchtet wird, dass China die «abtrünnige Provinz», deren internationaler Status umstritten ist, mit Gewalt eingliedern will.

Weltweit sind Staaten vor die Frage gestellt, welche Position sie beziehen in dieser Krise, so auch die Schweiz. Sie anerkennt Taiwan nicht als eigenständigen Staat an. Aber kann man überhaupt diplomatische Beziehungen mit einem Staat führen, den man nicht offiziell anerkennt? Das geht durchaus – allerdings auf Kosten der Übersichtlichkeit. Wir haben die wichtigsten Eckpunkte im Verhältnis zwischen der Schweiz und Taiwan gesammelt.

Wie sieht es mit der Anerkennung aus?

Die Schweiz hat am 17. Januar 1950 als eines der ersten Länder die Volksrepublik China anerkannt, bis heute orientiert sie sich an deren Ein-China-Politik. Diese besagt, dass einzig die Regierung der Volksrepublik China die legitime Vertretung von ganz China ist – also von Festlandchina, Hongkong, Macau und Taiwan (Republik China).

Die schnelle Anerkennung war ein Bruch mit der zuvor zurückhaltenden Chinapolitik der Schweiz. Zudem anerkannte sie damals ausdrücklich die kommunistische Regierung, entgegen der für die Schweiz üblichen Praxis, nur Staaten, nicht aber Regierungen anzuerkennen. Das hatte einen Grund: Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Schweiz aufgrund ihrer Neutralität isoliert, sie suchte Wege, um sich international besser zu vernetzen – zudem wollte man nicht den Fehler mit der Sowjetunion wiederholen, deren Anerkennung sich bis 1946 verzögert hatte.

Damit war die Schweiz in einer Sonderposition: Angeführt von den USA anerkannten die meisten Staaten die nationalistische Kuomintang-Regierung in Taiwan. Dieses änderte sich aber gegen Ende der 1970er Jahre, als Peking seine Ein-China-Politik weltweit durchsetzen konnte. Damit endete für viele die Anerkennung Taiwans als Staat – der Druck Chinas zeigte Wirkung.

Beugt sich die Schweiz dem Druck Chinas?

Auch wenn die Schweiz dank ihrer frühen Vernetzung mit Peking stets gute Beziehungen zu China hatte – wenn es um Taiwan geht, ist der Spielraum mit dem befeuerten Nationalismus unter Xi Jinping auch für sie enger geworden. Das wurde unlängst klar, als der Parteipräsident der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei SVP in seiner Funktion als Präsident der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Taiwan eine Reise auf die Insel ankündigte. Diese war schon vor dem Besuch von Nancy Pelosi geplant – für 2023. Dennoch liess der chinesische Botschafter in Bern in den Medien sehr deutlich verlauten, dass China diesen Kontakt ablehne.

Weltweit anerkennen heute nur noch weniger als zwei Dutzend Nationen Taiwan als Staat und pflegen diplomatische Beziehungen. Viele weitere – darunter die Schweiz – benutzen inoffizielle Kommunikationskanäle.

Wie umgeht die Schweiz das Dilemma?

Wo die Politik zögert, ist die Wirtschaft flexibler. Taiwan hat eine der kaufkräftigsten Gesellschaften in Asien, das macht die Insel zu einem interessanten Absatzmarkt für die verhältnismässig teuren Schweizer Produkte. Die wichtigsten Schweizer Ausfuhren sind chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Uhren sowie Maschinen und Elektronikerzeugnisse. Für die Schweiz ist Taiwan der fünftwichtigste Exportmarkt in Asien, mit einem steigenden Handelsvolumen.

Die beiden Länder haben seit 2011 ein AbkommenExterner Link zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Dieses ist eine private Vereinbarung, die nachträglich per Bundesgesetz anerkannt wurde – ein einmaliger Vorgang. Der gut aufzeigt, wie die Schweiz trotz nicht-Anerkennung Wege findet, um bilaterale Beziehungen zu pflegen und weiterzuführen.

Was spricht gegen ein Freihandelsabkommen?

In den letzten Jahren ist immer wieder die ForderungExterner Link laut geworden, mit Taiwan ein Freihandelsabkommen abzuschliessen. Die Schweiz hat bereits solche Vereinbarungen mit mehreren asiatischen Ländern oder führt Verhandlungen darüber. Insbesondere dank der dominanten Stellung in der Halbleiter-Produktion ist Taiwan ein zentrales Bindeglied in globalen Lieferketten.

Doch die Schweizer Regierung möchte China nicht mit einem Taiwan-Abkommen provozieren. «Angesichts der allgemeinen Rahmenbedingungen und der globalen politischen Konstellation erachtet der Bundesrat zurzeit eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Frage aber nicht als opportun», antwortete sie 2020 auf einen entsprechenden Vorstoss im Parlament. Diese Haltung hat sie bis heute behalten.

Natürlich haben Freihandelsabkommen auch eine politische Dimension. Aber bilaterale Wirtschaftsabkommen mit Taiwan wären möglich, solange sie nicht die Frage der Souveränität direkt tangieren – Singapur und Neuseeland haben es vor einigen Jahren vorgemacht.

Dennoch: Das Handelsvolumen zu Festlandchina ist deutlich bedeutender und wächst auch stärker – im Jahre 2020 umfasste es 33 Milliarden Franken und war damit fast zehnmal grösser als das mit Taiwan. China ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien, und der drittwichtigste nach der EU und den USA. Jede politische Annäherung an Taiwan wird diesem Umstand Rechnung tragen.

Warum fördert die Schweiz Taiwans Demokratie?

Die Demokratieförderung ist ein Verfassungsauftrag in der Schweiz. Sie stellt ihr Wissen und ihre Expertise allen Interessierten zur Verfügung, im Fall von Taiwan war vor allem die Durchführung von Abstimmungen ein beliebtes Thema. Das ist nicht blosse Dekoration: Die Volksrechte sind nirgendwo in Asien so ausgebaut wie in Taiwan.

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Das hat auch einen Übertragungseffekt: Weitere ostasiatische Staaten haben digitale Lösungen übernommen, mit denen die Politik in Taiwan die Bürger:innen in die Entscheidungsfindung einbindet.

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Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch eine stark symbolische Komponente und wird in der westlichen Öffentlichkeit als Kampf zwischen Diktaturen und Demokratien wahrgenommen. Der Besuch von Nancy Pelosi war ein eindeutiges Zeichen der Unterstützung einer jungen Demokratie, die von einem zunehmend autoritär geführten Staat bedroht wird. Und die als Antithese zur Behauptung gelten kann, in weniger entwickelte Länder könnten sich keine demokratischen Strukturen entwickeln.

Wie geht es politisch weiter?

Auch in der Schweiz sind Stimmen lauter geworden, die engere Beziehungen mit Taiwan fordern – kürzlich erneut mit einer InterpellationExterner Link im Parlament, die diese auf verschiedenen Gebieten vertiefen will.

Politiker:innen aus diversen Parteien haben auf die grosse Abhängigkeit von China hingewiesen und fordern eine Hinwendung zu Taiwan, andere wollen aufgrund ebendieser engen wirtschaftlichen Verflechtung jeden Konflikt mit dem Reich der Mitte möglichst vermeiden.

Das dürfte auch so bleiben. Im Unterschied zu Ukraine und Russland besteht für die Schweiz vorderhand weder Dringlichkeit noch internationaler Druck, sich klar auf eine Seite – China oder Taiwan – zu schlagen.

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