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Tausende Kinder wurden von Schweizer:innen illegal adoptiert

Kinder in einer Favela in Peru, 2002
Keystone / Yoshiko Kusano

Kinder aus zehn Ländern wurden zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren auf betrügerische Weise ihren Familien entrissen und Schweizer Adoptiveltern übergeben. Die Schweizer Behörden hatten Kenntnis davon.

Kinderhandel. Fälschung von Dokumenten. Falsche Angaben zur Herkunft. Diese Praktiken sind bei Tausenden von Adoptionen, die zwischen den 1970er- und 1990er-Jahren stattgefunden haben, Realität, wie ein vom Bundesrat in Auftrag gegebener Bericht enthüllt.

Nach einer 2020 veröffentlichten Studie über Sri Lanka forderte die Regierung eine Bestandsaufnahme der Adoption von Kindern aus Bangladesch, Brasilien, Chile, Guatemala, Indien, Kolumbien, Korea, Libanon und Rumänien. Von den 8000 Kindern, die in diesem Zeitraum adoptiert wurden, könnten «mehrere Tausend» von einer illegalen Adoption betroffen sein. Die Untersuchungen geben jedoch keinen Aufschluss darüber, wie viele es sind.

Die Analyse des Schweizerischen Bundesarchivs durch die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zeigt, dass die Bundesbehörden von illegalen Praktiken wussten und «von Fall zu Fall» darauf reagierten. Angesichts der Fälschung von Dokumenten gingen die Schweizer Vertretungen im Ausland davon aus, dass sie «die Ereignisse im Gastland nicht beurteilen können».

In Brasilien wurden die künftigen Adoptiveltern regelmässig in die Geburtsurkunde der Kinder eingetragen. Die Bundesbehörden «haben den Bedürfnissen adoptionswilliger Paare insgesamt mehr Gewicht beigemessen als den Interessen der adoptierten Kinder», heisst es in dem Bericht. Heute bedauert der Bundesrat, «dass die Behörden ihre Verantwortung nicht ausreichend wahrgenommen haben».

Der waadtländische Verein Bureau d’aide à la recherche des originesExterner Link (Baro) stellt fest, dass diese Situationen grosses Leid für adoptierte Personen und ihre Familien verursachen können. Die Mitbegründerin Sitara Chamot, eine Adoptionsfachkraft und selbst Adoptierte, berichtet über die Situation.

Le Courrier: Was ist Ihnen an diesem Bericht aufgefallen?

Sitara Chamot: Leider handelt es sich um Praktiken, die wir bereits kennen. Es ist sehr selten, dass ein adoptiertes Kind eine Waise ist. Die meisten wurden aus sehr unterschiedlichen Gründen von ihren Familien getrennt. Dies geschieht z. B. im Zusammenhang mit Kriegen, Armut oder der Stellung der Frau.

Einige kranke oder arbeitslose Eltern gingen davon aus, dass sie ihr Kind nur vorübergehend in Obhut geben würden. In anderen Fällen haben Vermittler:innen gelogen und behauptet, dass sie ihre Kinder in der Stadt zur Schule schicken würden. Dann wurde ein Schmuggel in Gang gesetzt. Man sollte jedoch nicht alles über einen Kamm scheren und denken, dass dies alle Adoptionen betrifft. Es kommt auch vor, dass sie auf legale Weise zustande gekommen sind.

Die Behörden wussten von den illegalen Machenschaften und liessen sie geschehen. Wie ist das zu erklären?

Zu diesem Zeitpunkt wurde der Schutz des Kindeswohls kaum beachtet. In der kollektiven Vorstellungswelt, die auf ein koloniales Erbe zurückgeht, dachte man, dass das Kind in der Schweiz ein besseres Leben haben würde. Es gab auch die Idee eines «Rechts auf Familie» für Menschen mit Kinderwunsch. Man tat den Adoptiveltern einen Gefallen und rettete Kinder. Die Behörden wussten, dass es administrative Probleme gab, redeten sich aber ein, dass für das Kind alles gelöst sein würde, sobald es in der Schweiz angekommen war.

Es gab jedoch strenge Kriterien für eine Adoption: die Zustimmung der Herkunftsfamilie oder der Status einer Waise. Aber das reichte nicht aus. Es kam auch zu einer Zersplitterung der Zuständigkeiten der Behörden. Jede Abteilung hatte eine kleine Aufgabe, ohne das grosse Ganze zu sehen. Es gab Anzeigen, vor allem in der Presse, aber die Behörden reagierten nicht immer.

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Welche Auswirkungen hat die Studie auf erwachsene Adoptierte?

Es kann sehr schmerzhaft sein, und ich bin mir nicht sicher, ob die Behörden sich dessen bewusst sind. Mit diesen Enthüllungen konfrontiert zu werden, bedeutet, dass man den Verdacht hat, aus einem Kinderhandel zu stammen und sich wie eine Ware fühlt. Der Bericht kann auch dazu führen, dass Personen, die zuerst nicht daran interessiert waren, plötzlich beginnen, nach ihrer Herkunft zu suchen. Dies erfordert eine Begleitung. Es ist äusserst anstrengend, sich erneut in seine Akte zu vertiefen. Gefälschte Akten erschweren die Suche.

Der Bundesrat hat sein Bedauern ausgedrückt. Ist das ausreichend?

Ja, wenn er eine Begleitung für erwachsene Adoptierte einführt. Nach der Veröffentlichung des Berichts über Sri Lanka im Jahr 2020 hat Bern einen Verein von Adoptierten aus der Schweiz unterstützt. Was wird er für die 8000 Personen tun, die potenziell von dem neuen Bericht betroffen sind und nach Antworten suchen?

In seiner Pressemitteilung erklärt er, dass es Aufgabe der Kantone sei, die betroffenen Personen zu unterstützen…

Es muss schnell gehandelt werden! Denn der Bedarf besteht heute. Die grosse Mehrheit der Adoptierten beginnt im Alter von 30-35 Jahren nach ihren Wurzeln zu suchen. Der Kanton Waadt delegiert die Begleitung an unseren Verein, aber in einigen Kantonen gibt es noch immer keine spezialisierten Dienste. Der Bund sagt, dass er über eine Lösung nachdenkt, aber das kann noch dauern. Die von dem Bericht betroffenen Personen müssen mit ihren Fragen schnell aufgefangen werden können.

Ist eine Adoption heute immer noch riskant?

Ja, aber wenn Adoptiveltern mit zugelassenen Vermittler:innen zusammenarbeiten, die vom Bund beaufsichtigt werden, ist das Risiko praktisch nicht mehr vorhanden. Eine vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe soll über eine Reform des Adoptionsgesetzes nachdenken. Mit der Möglichkeit, die Aufsicht zu verstärken und die Zusammenarbeit auf bestimmte sichere Länder zu beschränken oder die internationale Adoption ganz abzuschaffen. Wir erwarten eine Antwort bis zum nächsten Jahr.

Übertragung aus dem Französischen: Janine Gloor

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