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«Tiermilch bleibt die Leidenschaft und das Kerngeschäft von Emmi»

Porträtbild von Ricarda Demarmels
Ricarda Demarmels (44) hat Anfang Jahr die Leitung des Luzerner Emmi-Konzerns übernommen. DR

Die neue Emmi-Chefin Ricarda Demarmels ist überzeugt, dass pflanzliche Alternativen die tierische Milch nicht ersetzen werden. Zudem will sie sich auf vier strategische Produkte in vier Ländern konzentrieren.

Als die Bündnerin Ricarda Demarmels im Januar 2023 die Führung der Emmi Gruppe übernahm, blickten viele gespannt auf ihr Wirken. Denn der grosse Schweizer Milchverarbeiter hatte ein schwieriges Jahr 2022 hinter sich. Es war geprägt von mehreren operativen Herausforderungen, darunter ein gravierendes Problem mit einem neuen Zentrallager in Chile.

Die Emmi Gruppe mit Sitz in Luzern beschäftigt 9000 Mitarbeitende, wovon rund 70% in 14 anderen Ländern tätig sind. Das Unternehmen vertreibt seine Produkte in rund 60 Ländern und produziert diese in über 50 eigenen Produktionsbetrieben in elf Ländern.

Die Emmi Gruppe ist seit 2004 an der Schweizer Börse kotiert und erzielte im Geschäftsjahr 2022 einen Umsatz von 4,2 Milliarden Franken (+8,1% gegenüber dem Vorjahr).

SWI swissinfo.ch traf Demarmels in Luzern. Sie zeigte sich erfreut über die guten Ergebnisse des ersten Halbjahrs 2023 unter ihrer Leitung. Der Umsatz von Emmi stieg von Januar bis Juni gegenüber dem Vorjahr um 4,3% auf 2,1 Milliarden Franken und übertraf damit die Erwartungen der Analystinnen und Analysten.

Die Bündnerin wurde 1979 geboren. Sie verfügt über einen Master in Finance and Accounting der Universität St. Gallen.

Im Jahr 2019 trat sie als Leiterin Finanzen (CFO) in die Emmi Gruppe ein. Per 1. Januar 2023 übernahm sie die Funktion der Konzernleiterin (CEO) des Luzerner Unternehmens.

Vor ihrem Eintritt in die Emmi Gruppe war Demarmels CFO bei Orior und hatte verschiedene Beratungs- und Führungspositionen in Strategie- und Investmentfirmen inne.

SWI swissinfo.ch: Sie haben die Leitung von Emmi im Januar 2023 übernommen. Wie waren Ihre ersten Schritte in dieser neuen Funktion?

Ricarda Demarmels: Ich arbeite seit vier Jahren bei Emmi, und meine Flitterwochen mit dem Unternehmen und seiner Kultur dauern bis heute an. Bei Emmi ziehen wir alle am gleichen Strick. Der Unternehmensgeist hat uns in den letzten 20 Jahren eine unglaubliche Entwicklung ermöglicht.

Zudem haben wir starke Marken und ein attraktives Sortiment. Mit anderen Worten: Ich habe die Führung eines Unternehmens in einer sehr beneidenswerten Position übernommen.

Haben Sie auch schon Veränderungen eingeleitet?

Mein Ziel ist es, zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen die positive Dynamik weiterzuführen, bei der nicht das Management im Vordergrund steht, sondern das Unternehmen Emmi, dem wir alle dienen.

Seit Beginn dieses Jahres haben wir in einem schwierigen Umfeld daran gearbeitet, den im letzten Jahr verlorenen Boden wieder gutzumachen. Diese Anstrengungen haben dazu geführt, dass wir im ersten Halbjahr erfreuliche Ergebnisse erzielt haben.

Und wir sind auf dem besten Weg, unsere Ziele für dieses Jahr und darüber hinaus zu erreichen. Schliesslich wollen wir auch unsere Produktpalette schrittweise, aber kontinuierlich verbessern.

Ist Ihre Produktpalette nicht zu breit?

Unser Ansatz ist es, uns auf unsere profitablen und strategischen Segmente zu konzentrieren. Deshalb fokussieren wir auf vier «strategische Nischen»: Fertigkaffee, Käsespezialitäten, hochwertige gekühlte Desserts und pflanzliche Alternativen.

Im Rahmen dieser Fokussierung haben wir uns kürzlich von der deutschen Firma «Die Gläserne Molkerei» getrennt.

Sie sind aber immer noch recht diversifiziert. Beeinträchtigt das Ihr Umsatzwachstum und Ihre Rentabilität?

Die Welt ist immer vernetzter und volatiler geworden. Ich denke da zum Beispiel an die jüngste Pandemie, die plötzliche Inflation oder die Spannungen zwischen Ost- und Westeuropa. Wir müssen ständig mindestens einen Brand löschen, egal ob er von aussen oder von innen kommt.

Glücklicherweise können wir dank unserer Unternehmenskultur und unseres dezentralen Geschäftsmodells sehr schnell reagieren.

Darüber hinaus sorgt unsere relative Diversifizierung – sei es in Bezug auf Produkte, Vertriebskanäle, Preisniveaus oder geografische Präsenz – auch für eine gewisse Stabilität. Das ist uns sehr willkommen, auch wenn es unser Wachstum oder unsere Rentabilität etwas bremst.

Porträtbild von Ricarda Demarmels
Ricarda Demarmels hat sich während ihrer gesamten Laufbahn im Finanzbereich bewegt. DR

Wie sieht es mit Ihren neuen pflanzlichen Produkten aus?

Wir stellen seit über 20 Jahren Produkte auf pflanzlicher Basis her. Wir haben in der Schweiz die Marke Beleaf und in Spanien die Marke Begetal lanciert und uns in diesem Bereich auch durch Akquisitionen verstärkt.

Dennoch bleibt die tierische Milch die Leidenschaft und das Kerngeschäft von Emmi. Mit unseren Milchalternativen bedienen wir eine Nachfrage, zum Beispiel in der Schweiz.

Damit überlassen wir unsere Regale nicht ausländischen Anbietern. Zudem geben unsere Produkte aus Schweizer Hafer den Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz Arbeit.

Wie gross ist das Risiko einer Kannibalisierung zwischen Ihren pflanzlichen Produkten und Ihren Milchprodukten?

Derzeit machen unsere pflanzlichen Produkte weniger als ein Prozent unseres Gesamtumsatzes aus. Daher sehe ich nur eine begrenzte Kannibalisierung.

Auf jeden Fall wird Milch immer ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung sein, da sie ein natürliches und nährstoffreiches Lebensmittel ist.

Möchten Sie lieber exportieren oder im Ausland produzieren?

Wir kombinieren beides. Historisch gesehen haben wir mit dem Export unserer Produkte aus der Schweiz begonnen.

Seit unserem Börsengang an der Schweizer Börse im Dezember 2004 haben wir unsere Internationalisierung weiter vorangetrieben, indem wir durch 42 Transaktionen Positionen in lokalen Märkten ausserhalb der Schweiz aufgebaut haben. Heute sind wir in der Lage, unser internationales Wachstum organisch zu beschleunigen.

Ihre Produkte werden in 60 Ländern verkauft. Möchten Sie Ihren Absatz in einigen grossen Märkten wie Japan oder China steigern?

Unsere Konzernleitung hat kürzlich eine Grundsatzdiskussion zu diesem Thema geführt. Wir sind zum Schluss gekommen, dass wir unsere Stärken ausbauen müssen.

Unsere Strategie ist es deshalb, uns vor allem auf vier Märkte – Schweiz, USA, Chile und Brasilien – und auf vier Produktkategorien zu konzentrieren.

Sind Ihre Verkäufe im Ausland profitabler als Ihre Aktivitäten in der Schweiz? Diese Information findet sich nicht in Ihren Geschäftsberichten.

Die Rentabilität hängt in erster Linie von den Produktkategorien und nicht von den geografischen Märkten ab!

Über 60% Ihres Aktionariats sind Schweizer Milchbäuerinnen und -bauern. Decken sich deren Interessen mit denjenigen der grossen US-Fonds, die ebenfalls zu Ihrem Aktionariat gehören?

Ich denke, alle unsere Aktionärinnen und Aktionäre wollen, dass Emmi den Erfolgskurs der letzten zwei Jahrzehnte fortsetzen kann. Und zwar noch sehr lange.

Sie waren während Ihrer gesamten beruflichen Laufbahn hauptsächlich im Finanzbereich tätig. Was sind die Vor- und Nachteile eines solchen Werdegangs in Ihrer jetzigen Position?

Mein beruflicher Werdegang hat mich in verschiedene Unternehmen geführt, wobei ich stets einem Leitgedanken gefolgt bin: die Unterstützung dynamischer Wachstumspfade.

Diese Erfahrung hat mir ein solides Verständnis der Mechanismen vermittelt, die für die Schaffung von Unternehmenswert entscheidend sind.

Darüber hinaus habe ich durch die häufigen Wechsel von Funktionen die Fähigkeit entwickelt, immer wieder neu anzufangen.

Ich habe gelernt, dass der Schlüssel zur schnellen Anpassung darin liegt, beide Ohren weit offen zu halten und eine gesunde Bescheidenheit an den Tag zu legen.

Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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