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Schweizer lieben Urlaub beim grossen Nachbarn

Die deutsche Ostseeinsel Rügen gehört zu den beliebtesten Tourismus-Destinationen von Herr und Frau Schweizer. Keystone

Deutschland wird als Urlaubsland unter Schweizern immer beliebter. Insbesondere die Ostsee profitiert von einem wahren Boom an eidgenössischen Gästen. Dort haben sich deren Übernachtungszahlen innerhalb von 15 Jahren vervierfacht.

Tobias Woitendorf kommt gerade aus Zürich zurück, wo er vor Medienvertretern und Reiseveranstaltern für einen Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern geworben hat. «Die Schweizer sind für uns eine ganz wichtige Zielgruppe», sagt der Leiter der Marketing- und Kommunikationsabteilung des dortigen Tourismusverbandes mit Sitz in Rostock. Insbesondere die Ostseeküste sowie Hausbootfahrten auf der Mecklenburgischen Seenplatte ziehen die Gäste aus dem Süden an.

Woitendorf war auch in Bern. Dort wird sein Bundesland im Herbst diese Jahres auf dem «Swiss Caravan Salon» als Partnerland dabei sein. «Wir sind seit einigen Jahren sehr aktiv in der Vermarktung unserer Region in der Schweiz», sagt er. Man kooperiere mit grossen Reiseveranstaltern und Einzelhandelsketten, die Reisen anbieten, und werbe im Radio und Printmedien für die Schönheiten des Hohen Nordens. Sechsmal im Jahr reist der Rostocker in die Schweiz, um Mecklenburg-Vorpommern noch bekannter zu machen.

Das Engagement trägt Früchte. Vier Mal so viele Schweizer wie vor 15 Jahren kamen allein 2016 in den hohen Norden Deutschlands. Im Jahr 2000 waren es erst rund 40’000 Übernachtungen, im vergangenen Jahr bereits 165’000. Nicht eingeschlossen in diesen Zahlen sind Aufenthalte auf Haus- und Segelbooten und in kleinen Beherbergungsbetrieben. «Und das sind einige», sagt Woitendorf. Die meisten Schweizer, die im Nordosten Deutschlands Ferien machen, zieht es an die Ostseeküste sowie auf die Inseln Usedom, Rügen und Hiddensee.

«Die kannte vor zehn Jahre noch kaum ein Eidgenosse, heute ist das anders», freut sich der Tourismusexperte. Lange Sandstrände mit ihren typischen Strandkörben, historische Hansestädte, exzellent ausgebaute Fahrradwege und gute Hotels sowie Restaurants zu Preisen, die für die Schweizer durch den Frankenkurs noch attraktiver sind als früher, tragen zu dem Boom bei. Immer beliebter werden laut Reiseveranstaltern auch geführte Radtouren an der Küste und durch die norddeutschen Städte.

Schweizer Touristen in Deutschland

Nach den Niederländern und vor den US-Amerikanern stellen die Schweizer die zweitgrösste ausländische Touristengruppe in Deutschland. Baden Württemberg (37,1% der Übernachtungen), Bayern (22,9%) und Berlin (10,3%) zählen laut einer Studie der Deutschen Zentrale für Tourismus zu den an häufigsten von Schweizern im Urlaub besuchten deutschen Bundesländern.

Besonders beliebt sind mit einem Drittel aller Reisen Städtetrips in Metropolen wie Berlin, Hamburg und München. Dabei wurden mit 52,2% die Mehrheit der Deutschlandreisen von den Bewohnern Zürichs und der Zentralschweiz unternommen, 18% kamen aus der französischen Schweiz und 29,9% aus den Alpen und dem Alpenvorland.

Durchschnittlich blieben die Eidgenossen 4,9 Nächte in Deutschland und gaben 634 Euro aus, 81% der Reisen wurden im Voraus gebucht. Deutschland ist heute vor Italien, Frankreich und Spanien das beliebteste Reiseziel der Schweizer.

(Quelle: Marktinformationen Schweiz 2017, Hrsg. Deutsche Zentrale für Tourismus)

Direktflüge an die Ostsee

Zwischen Mai und September dieses Jahres wird es wieder Direktflüge von Zürich nach Rostock geben, ab Bern und Basel geht es dann zusätzlich direkt auf die Insel Usedom. Auch dafür hat Tobias Woitendorf kräftig geworben. Das Gros der Schweizer reist jedoch mit dem eigenen Auto an die Ostsee. Sie sind gern gesehene Gäste im Hohen Norden.

«Schweizer und Norddeutsche passen gut zusammen», findet der Marketingchef. Die Bewohner der deutschen Küstenregionen gelten als zurückhaltend und bedächtig, die Verständigung klappt gut. Dass die Eidgenossen nicht auf jeden Euro schauen und gute Unterkünfte und Restaurants lieben, freut Hoteliers und Gastronomie darüber hinaus. Die Schweizer Gäste geben im Durchschnitt mehr aus als Deutsche und Niederländer, ihr Budget ist meist höher als das anderer europäischer Gäste.

Wenn der Trend anhält, schätzt Woitendorf, werden die Schweizer die reisefreudigen Holländer bald von Platz eins der Liste des Landes, aus dem die meisten ausländischen Besucher nach Deutschland kommen, verdrängen. Die grosse Mehrheit der Ostsee-Urlauber kommt jedoch nach wie vor aus dem Inland.

Während der Nordosten Deutschland von den Schweizern erst seit einigen Jahren entdeckt wird, reisen die Eidgenossen seit jeher gerne in die geographisch sehr viel näher liegenden Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern. Schliesslich liegen sie quasi vor der Haustür und waren anders als Regionen der ehemaligen DDR auch schon immer problemlos erreichbar. 12,6 Millionen Mal übernachteten Schweizer im Jahr 2016 allein in Bayern. Davon profitierte auch das Allgäu mit 477’000 Übernachtungen. Auch in dieser Region stellen die Eidgenossen damit die grösste Gruppe nach den Niederländern und sind für die heimische Tourismusbranche sehr wichtig.

Nah und preiswert

«Wir profitieren sicher von der Nähe zur Schweiz und dem guten Preis-Leistungs-Verhältnis», bestätigt der Marketingchef der «Allgäu GmbH Gesellschaft für Standort und Tourismus» Stefan Egenter. Besonders die höherwertigen Hotels seien bei den Eidgenossen beliebt. «Die Schweizer lieben Qualität in ihrem Urlaub. Sie geniessen sehr gerne und schätzen das gute Angebot in den Wellness- und Gesundheitshotels“, sagt Egenter.

Das Allgäu verzeichnet einen ähnlichen Boom wie die Ostseeregion, jedoch auf einem sehr viel höheren Ausgangsniveau. Die Gästezahlen haben sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. «Schweizer Gäste sind sehr wichtig für uns und auch in den Hotels und Restaurant sehr gern gesehen», so der Marketingchef. Die Verständigung fällt leicht und man verstehe sich gut.

Das kann auch der Marketingleiter des renommierten Allgäuer Fünf-Sterne-Resorts «Sonnenalp», Alexander Hörmann, bestätigen. Insbesondere in den vergangenen fünf Jahren kamen vermehrt Urlauber aus der Schweiz in das Sport- und Kurhotel. «Sie machen mittlerweile rund die Hälfte unserer ausländischen Gäste aus», sagt er. Dabei seien die Ansprüche sehr hoch. Schweizer schätzten das Gesamtangebot aus Golf, Wellness, Kinder- und Jugendbetreuung sowie guten Restaurants und freuten sich über für sie attraktive Preise. Da sich ihre Ferienzeiten von den deutschen Schulferien unterscheiden, könnten Schweizer Familien zudem von Spezialangeboten ausserhalb der deutschen Hochsaison profitieren.

Egal ob im Norden oder Süden Deutschlands, ein Ende des Gästestroms aus der Schweiz ist jedenfalls nicht in Sicht. «Wir verzeichnen weiterhin jedes Jahr zweistellige Wachstumsraten», sagt der Allgäuer Marketingchef Stefan Egenter.

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