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In Richtung mehr Transparenz im Rohstoffhandel?

Das erdölreiche Nigeria ist eines der EITI-Mitglieder. Keystone

Trafigura, einer der grossen Player unter den Rohstoffhändlern in Genf, ist der einzige Konzern in dieser lukrativen Branche, der seine Geldflüsse offenlegen will. Der Effort, weitere Händler von mehr Transparenz zu überzeugen, zeigt aber nur zaghaft Wirkung.

Im Dezember wird TrafiguraExterner Link erstmals jene Geldflüsse offenlegen, die den globalen Standards der Initiative für Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor (EITI) entsprechen.

Ziel von EITI, deren Vorstand am 21. und 22. Oktober in der Schweizer Hauptstadt Bern tagte, ist es, mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht über die Geschäfte und Einnahmen beim Abbau von natürlichen Rohstoffen wie Erdöl und Gas zu erreichen.

EITI-Mitgliedländer verpflichten sich zu mehr Transparenz bei den Geldflüssen im Rohstoffbusiness – insbesondere von Minen– und Energiekonzernen – an Regierungen in den Förderländern als Antwort auf den «Ressourcen-Fluch» oder das Versagen rohstoffreicher Länder, einen Weg aus der Armut zu finden. 

EITI

Die «Extractive Industries Transparency Initiative» (Initiative für Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor EITI) ist eine internationale Organisation, die sich für Transparenz der Einnahmen von Entwicklungsländern aus dem Abbau von Rohstoffen einsetzt.

Die Standards der Initiative werden von einem Vorstand entwickelt und kontrolliert. Dieser besteht aus Vertretern von Regierungen, Rohstoffunternehmen, Nichtregierungs-Organisationen und internationalen Organisationen, die dreimal jährlich zusammenkommen. 

Die Standards wurden vom EITI-Sekretariat, seinen multinationalen Gruppen und der Weltbank in 48 Ländern in Kraft gesetzt.

Die Schweiz steuert 700’000 CHF ans Jahresbudget (4 Mio. Dollar) von EITI bei. Im Oktober 2015 fand in Bern die erste EITI-Vorstandssitzung auf Schweizer Boden statt.

Die Initiative wurde 2003 lanciert, der wichtige Schritt in diesem Prozess erfolgte aber erst vor zwei Jahren, als EITI von ihren 48 Rohstoff fördernden Mitgliedstaaten verlangte, auch staatseigene Unternehmen in ihre Berichte mit einzubeziehen. Von diesen Firmen, darunter staatseigene Konzerne (NOC), die rund 80% der weltweiten Ölreserven kontrollieren, wird erwartet, dass sie ihre Zahlungen offenlegenExterner Link, die sie von Rohstoffhändlern erhalten haben. Einziges Problem dabei: auch die Händler müssten zur vollen Transparenz ihre Informationen offenlegen.

Trafigura ist bislang der einzige Rohstoffhändler, der dies tut. Andrew Gowers, CEO für Firmenangelegenheiten, erklärte, der Konzern habe «aus der Bunker-Situation herauskommen und schauen wollen, wo es konstruktive Gremien gebe, um sich in dieser Frage zu engagieren». EITI entspreche als einzige Trafiguras Bedürfnissen, so Gowers.

Stéphane Graber, Generalsekretär des Branchenverbands der Schweizer Rohstoffhändler (Swiss Trading and Shipping Association STSA) mit Sitz in Genf, sagte gegenüber swissinfo.ch, die Händler verlangten, dass zuerst die EITI-Mitgliedstaaten die Standards anwendeten.

«Gerne stellen wir EITI unsere Fachkenntnisse zur Verfügung», sagte er und fügte an, es sei nun am EITI-Sekretariat und den Ländern, den ersten Schritt zu tun, um die Regeln umzusetzen.

Vermutlich werden die Handelsfirmen zuwarten, um zu sehen, wie EITI die Vorschriften umsetzen will, und erst dann entscheiden, ob sie sich für die Initiative verpflichten wollen.

Laut Olle Östensson, einem unabhängigem Berater im Rohstoffhandel, könnte die Einführung von solch vielen Vorschriften kleine Unternehmen in Bedrängnis bringen. Sie hätten Mühe, die Kosten für eine höhere Sorgfaltspflicht zu decken, was ihre Wettbewerbsfähigkeit reduzieren könnte.

In Bezug auf Trafigura meinte Andrew Gowers, es werde nicht einfach sein, in Echtzeit Informationen über Verkäufe zu erhalten, die Offenlegung zu einem späteren Zeitpunkt «ist aber kein Problem». 

Reputation und Investitionsklima 

Einer Industrie, die gemäss Gowers wenig Vertrauen geniesst, könnte ein Beitritt zur EITI auch zu einem besseren Ruf des Sektors führen. Er sagte, dass Trafiguras EITI-Offenlegung jenen, die dieser Branche kritisch gegenüber stünden, klare Informationen bieten würden. 

Alexandra Gillies von der NGO Natural Resource Governance Institute (Mitglied des EITI-Vorstands), sagte, dass Handelskonzerne, die der EITI beitreten, realisieren würden, «dass die eingeforderten Informationen ihre Beziehungen zu den Regierungen nicht ruinieren, sondern im Gegenteil dazu beitragen könnten, den schlechten Ruf, den sie teilweise haben, zu revidieren». 

Die NGO recherchierte über illegalen Tauschhandel (Swapgeschäfte) der nigerianischen Regierung mit Rohstoffhandelskonzernen. 

Für EITI ist es klar, dass die Förderländer dank der Bekämpfung korrupter Praktiken ihre Einnahmen effizienter einsetzen und ein nachhaltigeres Wachstum fördern können. 

«Transparenz und eine bessere Firmenführung verbessern das Investitionsklima und bringen ein besseres Wachstum», sagt auch Raymond Furrer von Staatssekretariat für Wirtschaft SECO. 

Und die Schweiz? 

Verschiedene Teilnehmer am EITI-Treffen in Bern wollten wissen, ob die Schweiz nicht auch an einer Schädigung ihres Rufes leide, wenn sie nicht rasch genug agiere, um den Rohstoffhandel transparenter zu machen. Die Schweiz ist für mindestens 60% des globalen Metallhandels und für 35% des weltweiten Rohölhandels verantwortlich. 

Monica Rubiolo vom Sektor Makroökonomische Unterstützung im SECO erklärte, wichtig seien nun weitere Diskussionen innerhalb der EITI und die Gewinnung von mehr Vertretern aus der Branche für die internationale Initiative. 

Optimismus 

Auch wenn noch immer wichtige Akteure fehlen, so sind verschiedene Interessenvertreter doch zuversichtlich, dass sich immer mehr Händler am Projekt beteiligen werden.

«Die Idee, dass Rohstoffhändler auf freiwilliger Basis Informationen offenzulegen, wird nicht einfach umzusetzen sein. Ich denke aber, dass das Thema auf dem Tisch liegt und sich nicht einfach so in Luft auflöst», sagte Gillies.

«Dasselbe geschah vor einigen Jahren mit den Öl- und Bergbaugesellschaften. Zuerst sträubten sie sich, versuchten, die Sache zu ignorieren und hofften, sie würde verschwinden. Heute aber geben einige Firmen mehr Daten preis, als verlangt wird.

Gower sieht es ähnlich wie Gillies: «Vor zehn Jahren wollte keine der Bergbaugesellschaften einer solchen Initiative beitreten, aber heute sind alle dabei. Dasselbe wird mit den Handelskonzernen passieren.»

Die Schweiz und der Rohstoffhandel

Gemäss der NGO Swissaid ist die Schweiz für mindestens 60% des weltweiten Metall- und 35% des Erdölhandels verantwortlich. Alleine in Genf sind rund 400 Firmen ansässig, die im Rohstoffhandel tätig sind.

Zwischen 2011 und 2013 bezahlten Schweizer Händler 55 Mrd. Dollar an zehn afrikanische Länder für Erdöl. Dies ergab eine Studie von drei NGOExterner Link. Das ist mehr als doppelt so viel wie diese Länder in der gleichen Periode an Entwicklungsgeldern erhielten – oder 12% ihrer öffentlichen Ausgaben.


(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

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