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Transocean dockt an Schweizer Börse an

Die Transocean Ltd. hat ihren Hauptsitz im schweizerischen Zug. Keystone

Die bedrängte Öl-Plattform-Betreiberin Transocean hofft, dass ihr Ansehen verbessert wird, wenn sie ab dem 21. Juni einer exklusiven Gruppe von Unternehmen angehört, die an der Schweizer Börse kotiert sind.

Die Firma, die in die Umweltkatastrophe im Golf von Mexico verwickelt ist, wird am 21. Juni im bedeutendsten Aktienindex, dem Blue-Chip des Swiss Market Index (SMI) und dem Swiss Leader Index (SLI) aufgenommen.

Nachdem die Schweizer Börse (SIX) die Aktienbewegungen seit Ende April in einem breiteren Index beobachtet hatte, hat sie die Kontroverse um die Firma ignoriert und beschlossen, mit der ausserordentlichen Aufnahme fortzufahren.

Die Explosion auf der Ölplattform «Deepwater Horizon», die Transocean gehört, hat am 20. April 11 Todesopfer gefordert und eine massive Verschmutzung verursacht. Am selben Tag wurde damit begonnen, die Aktien von Transocean auf der Schweizer Börse zu handeln.

«Unseren Hauptsitz in der Schweiz haben wir seit dem Jahr 2008. Die Notierung der Aktien von Transocean auf der SIX ist ein ausgezeichneter Weg, das Interesse an Transocean bei schweizerischen und europäischen Investoren zu erhöhen. Damit wird auch unsere Präsenz als Schweizer Unternehmen wieder bekräftigt», sagte damals Steven Newman, Präsident und Chef von Transocean.

Der Aktienpreis und der Börsenwert der Firma sind seither um 40 Prozent gefallen. Doch die Schweizer Börse hat sich entschieden – nachdem sie ein riesiges Handelsinteresse in den ersten Tagen beobachtet hatte –,Transocean in die Liste der 20 besten Aktien aufzunehmen.

Steigende Börsenkurse

Die Aufnahme von Transocean in den SMI, in dem Giganten wie Nestlé, Roche und Credit Suisse aufgeführt sind, hat zur Folge, dass der Versicherungsriese Swiss Life aus dem Index fällt.

Einige Beobachter haben darauf hingewiesen, dass die Aufnahme einer Rohstoff-Firma den Index unbeständiger machen könnte wegen den schwankenden Ölpreisen und der höheren Unfallgefahr. Dies könnte die Pensionskassen, die dem SMI folgen, in die Schusslinie bringen, weil sie im Allgemeinen eher konservative Investitionen bevorzugen.

Doch Martin Schreiber, Analyst der Zürcher Kantonalbank, denkt nicht, dass die Aufnahme von Transocean unbedingt ein schlechter Zug gewesen sei.

«Der SMI wird so etwas unbeständiger und konjunkturabhängiger. Aber das ist nicht schlecht, weil er sich so den globalen Indizes angleicht», sagt er gegenüber swissinfo.ch.

«Der SMI ist ein sehr defensiver Index. Der Einbezug von Transocean bringt eine Erweiterung bezüglich der Pharma- und Ernährungsindustrie.»

Die Firma hatte vor dem Einbruch einen Börsenwert von ungefähr 31 Milliarden Schweizer Franken. Ihre Aufnahme wird der Schweizer Börse, nach einer ruhigen Notierungszeit während den letzten zwei Jahren, einen Aufschwung bescheren.

Mögliche Sanktionen

Nachdem Transocean die Kriterien für den Marktwert und das Handelsvolumen erfüllt hatte, hat die Schweizer Börse die beschleunigte Aufnahme des Öl-Plattform-Giganten mittels eines ausserordentlichen Verfahrens bestätigt.

Doch der Preissturz der Aktie von 101 Franken Ende April runter auf 54Franken Anfang Juni, war nicht Teil des Drehbuchs.

Seither ist der Aktienpreis wieder auf fast 60 Franken gestiegen. Schreiber glaubt, dass der momentane Marktwert bei 62 Franken liege. Aber er warnt davor, dass die Branche als Folge des Deepwater-Horizon-Desasters vielleicht mit kostspieligen Regulierungsmassnahmen, rechnen müsse.

«Auf lange Sicht gesehen, wird die ganze Branche mit Deckungs-Problemen konfrontiert sein. Wir sind Zeugen einer grundsätzlichen Änderung der politischen Stimmung, die in einem neuen regulierenden Druck enden könnte», sagt er.

Transocean muss immer noch Sanktionen befürchten wegen der Explosion der Ölplattform. Sie war eine der Firmen, die letzten Monat vom Senat der Vereinigten Staaten von Amerika vorgeladen wurde. Barack Obama, Präsident der USA, hat sich dieser Affäre persönlich angenommen. Kürzlich sagte er, er sei «wutentbrannt» über die Folgen der Ereignisse.

Schuldzuweisungen

Die Ölplattform Deepwater Horizon der Firma Transocean wurde durch BP geleast. Halliburton, eine weitere Firma, sieht sich ebenfalls mit Schuldzuweisungen konfrontiert, weil sie ein Bohrrohr sowie ein Ventil für das Bohrloch gebaut hat.

Laut Emmanuel Fragnière, Rohstoff-Experte an der Hochschule für Wirtschaft in Freiburg, könnte die wechselnde Aufmerksamkeit gegenüber BP Transocean helfen, den Aktienwert wieder zu steigern.

«Das Risiko eines Rufschadens ist für BP am grössten», sagt er gegenüber swissinfo.ch. «Auch ist BP mit grösseren Problemen konfrontiert, weil es bekannter ist und sichtbarer in der Öffentlichkeit steht.»

Aber abgesehen von den verlorenen Erträgen der zerstörten Ölplattform Deepwater Horizon, ist Schreiber nicht so überzeugt, dass Transocean von der Katastrophe davon laufen könne, ohne zu bezahlen.

Es ist noch unklar, wie hoch die Prozesskosten für diese Tragödie sein werden und wer die Haftung übernimmt, doch kursieren Schätzungen in der Höhe von 25 Milliarden Dollar.

«Transocean könnte Kosten von 10-12 Milliarden Dollar übernehmen, wenn sie als schuldig befunden wird. Mehr würde der Firma ernsthaft schaden», sagt er.

Matthew Allen, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Sandra Grizelj)

Die Transocean Ltd. ist der weltweit grösste auf Tiefseebohrungen spezialisierte Konzern.

Obwohl das Unternehmen in den USA gegründet wurde, hat es seinen Hauptsitz seit 2008 im schweizerischen Zug. Transocean hat auch ein Büro in Genf.

Gemäss eigener Website verfügt der Konzern über 138 mobile Bohrplattformen und beschäftigt weltweit 20’000 Angestellte, davon deren 40 in der Schweiz.

Ihre Sicherheitsvision beschreibt Transocean wie folgt: Operationen durchführen «an zwischenfallfreien Arbeitsplätzen, immer und überall».

Die Kunden von Transocean sind global tätige Energiekonzerne, nationale Ölgesellschaften und private Bauunternehmen.

Transocean erstellt Bohrlöcher für Öl und Gas auf der ganzen Welt: im Golf von Mexiko und Ost-Kanada, in Brasilien, im britischen und norwegischen Sektor der Nordsee, in Westafrika, Asien, inklusive Australien und Indien, im Nahen Osten, inklusive Saudiarabien, und im Mittelmeer.

2009 verzeichnete der Konzern einen Umsatz von 11,6 Milliarden Dollar (12,35 Mrd. SFr.) und einen Nettogewinn von 3,2 Mrd. Dollar.

Die Aktien der Transocean Ltd. sind an der New York Stock Exchange sowie seit dem 20. April 2010 an der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange kotiert und waren bis Dezember 2008 auch im S&P 500 vertreten.

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