Kein generelles Verbot für Auftritte türkischer Politiker
Kommt es in der Schweiz zu einer Neuauflage jenes gehässigen Disputs von 2017, als die Türken in der Schweiz über eine Verfassungsänderung in ihrem Land abstimmten? Am 24. Juni lässt der türkische Präsident vorgezogene Wahlen durchführen. Anders als andere europäische Länder, wo ebenfalls viele türkisch-stämmige Menschen leben, will die Schweiz Wahlkampf-Auftritte türkischer Politiker nicht grundsätzlich verbieten.
Deutschland, Österreich und die Niederlande haben bereits klargemacht, dass sie Auftritte türkischer Politiker in ihrem Land vor den vorgezogenen türkischen Wahlen nicht dulden werden. In Deutschland lebt die mit Abstand grösste türkische Diaspora. 1,4 Millionen Menschen haben dort eine türkische Wahlberechtigung. In den Niederlanden sind eine Viertelmillion Menschen wahlberechtigt in der Türkei, in Österreich 109’000 und in der Schweiz 95’000.
Die Schweiz will kein generelles Auftrittsverbot für türkische Politiker erlassen. «Sie misst der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit grosse Bedeutung bei – wenigstens solange die Schweizer Rechtsordnung respektiert und der Sicherheit Rechnung getragen wird». Das teilt George Farago, Mediensprecher des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf Anfrage von swissinfo.ch mit.
«Grundsätzlich obliegt es den Kantonen oder den Gemeinden, auf der Grundlage einer Einschätzung namentlich der Sicherheitslage politische Veranstaltungen zu bewilligen oder zu verbieten», schreibt Farago.
Der Bund hätte die Möglichkeit, Auftritte ausländischer Politiker zu verbieten, wenn die innere Sicherheit der Schweiz gefährdet wäre. In solchen Fällen könnte die Schweiz ein Einreiseverbot für die betroffene Person erlassen.
Für die Einschätzung der Bedrohungslage ist der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) zuständig.
Für den NDB sind gewaltsame Zusammenstösse zwischen Anhängern der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und Personen aus türkisch-islamistischen oder -nationalistischen Kreisen oder Sympathisanten des «Islamischen Staats» die wahrscheinlichste Bedrohung der inneren Sicherheit. Falls zum Beispiel der PKK-Führer Abdullah Öcalan, der sich seit 1999 in türkischer Gefangenschaft befindet, zu Tode kommen sollte, ist laut dem NDB «mit Ausschreitungen gegen türkische Vertretungen und Einrichtungen zu rechnen».
Auf die Frage, ob und wo politische Auftritte im Zusammenhang mit den Wahlen in der Türkei bereits geplant seien, antwortet der NDB nicht.
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Heftiger Widerstand in halb Europa
Vor rund einem Jahr sorgte eine Abstimmung über eine Änderung der türkischen Verfassung in den erwähnten europäischen Ländern für heftigen Disput. Die Verfassungsänderung – zu der in der Folge eine knappe Mehrheit des türkischen Stimmvolks Ja sagte – räumt dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan deutlich mehr Macht ein. Erdogans Anhänger gingen vor der damaligen Abstimmung auch bei der europäischen Diaspora auf Stimmenfang. Vor allem Vertreter der regierungsnahen AKP reisten für Abstimmungsauftritte in verschiedene EU-Länder, wo sich vielerorts Widerstand bildete.
In den Niederlanden gipfelte der Konflikt um Wahlkampf-Auftritte in der Ausweisung einer türkischen Ministerin. Der Vorfall führte zu einem diplomatischen Streit zwischen den beiden Ländern, der bis heute nicht beigelegt ist.
Die Schweizer Regierung wollte schon damals kein generelles Verbot für Auftritte türkischer Politiker verhängen. Der damalige Aussenminister Didier Burkhalter empfing in dieser Zeit sogar seinen türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu und sorgte damit für Schlagzeilen und politische Debatten in den Medien. Das EDA war damals zum Schluss gekommen, dass keine «ausserordentliche Bedrohungslage» herrsche und die innere Sicherheit nicht gefährdet sei.
Der Zürcher Sicherheitsdirektor schätzte die Bedrohungslage aber anders ein. Er untersagte einen geplanten Auftritt Cavusoglus, der in Opfikon (Kanton Zürich) vor Anhängern Erdogans sprechen wollte. Die Zürcher Behörden erliessen auch ein Verbot für einen Auftritt des Istanbuler AKP-Politikers Hursit Yildirim, der in der Agglomeration von Zürich für Erdogans Präsidialsystem Stimmung machen wollte. Die Organisatoren, die «Union europäisch-türkischer Demokraten (UETD)» versuchten darauf, die Veranstaltungen in Spreitenbach (Kanton Aargau) durchzuführen. Aber auch die Aargauer Kantonspolizei erliess aus Sicherheitsgründen ein Verbot.
Steilpass für Erdogan?
In der Türkei werden abgesagte Auftritte türkischer Politiker in europäischen Ländern regelmässig innenpolitisch ausgeschlachtet. Im Falle der Niederlande sprach Erdogan damals sogar von Nazi-Methoden.
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