UBS auch in Frankreich im Fadenkreuz
Hat die UBS in Frankreich dieselben Praktiken angewendet wie in den USA? In einem Buch beschuldigt ein französischer Journalist die Schweizer Grossbank, sie habe mit umstrittenen Methoden reiche Kunden dazu angestiftet, ihr Geld in der Schweiz anzulegen.
Die Staatsanwaltschaft ist über die Vorwürfe im Bild. Bis jetzt hat sie keine Untersuchung eröffnet. Die UBS weist die Vorwürfe kategorisch zurück: «Die Anschuldigungen in diesem Buch sind falsch und entbehren jeglicher Grundlage», schreibt die Bank und kündigt eine Klage an.
Der Autor Antoine Peillon beschreibt in seinem Buch «Ces 600 Milliards qui manquent à la France», wie Kundenberater der UBS in Frankreich unter Umgehung der französischen Gesetze zur Steuerflucht angestiftet haben.
«Die Kundenberater haben die Steuerflucht pfannenfertig verkauft, das heisst inklusive den Ratschlägen eines spezialisierten Anwalts, Tarnfirmen in exotischen Steuerparadiesen» schreibt Peillon.
Die Geschichte beginnt im Jahr 2008. Wegen der Krise hat die UBS damals in Frankreich Dutzende von Kadermitarbeitern entlassen. Unter ihnen waren auch Verantwortliche einer internen Untersuchung, die betrügerische Machenschaften an den Tag gebracht haben soll. Die entlassenen Angestellten haben damals die Aufsichtsbehörden informiert.
Bericht an die Staatsanwaltschaft
2010 haben verschiedene Medien über die Anschuldigungen der ehemaligen Kadermitarbeiter berichtet. «Laut diesen Quellen soll die UBS zwischen 2002 und 2007 ein doppeltes Buchhaltungssystem eingeführt haben, um die nicht deklarierten Konten in der Schweiz zu verheimlichen», schrieb das Informationsportal Rue 89 im März 2011.
Andere Medien berichteten von einfachen Milchbüchlein, welche die Bewegungen auf den deklarierten Konten in Frankreich und jene auf den nicht deklarierten Konten in der Schweiz zusammenfassten, damit der Bonus der Bankberater berechnet werden konnte.
Die Aufsichtsbehörde hat 2011 einen Bericht an die Staatsanwaltschaft überwiesen. Diese gab der nationalen Zollbehörde den Auftrag, eine Voruntersuchung einzuleiten.
Gelder für den Wahlkampf
Laut der Zeitung Les Echos hat die Aufsichtsbehörde kürzlich der Staatsanwaltschaft einen zweiten Bericht zugestellt. Das Kontrollorgan hat zudem die UBS angewiesen, sich an die französischen Gesetze zu halten.
Wieso haben die französischen Behörden noch keine Untersuchung eingeleitet? «Viele meiner Gesprächspartner haben sich diese Frage gestellt», sagt Antoine Peillon und stellt eine Hypothese auf: Unter den Personen, die von einer Untersuchung betroffen sein könnten, kann es auch solche haben, die rechten Politikern im Wahlkampf finanziell unter die Armee gegriffen haben.
Aggressiv im Ton, zahm im Handeln
«Seit 2009 ist der Ton der Regierung der Schweiz gegenüber sehr aggressiv, aber in der Tat tut sie nichts, oder fast nichts», sagt Antoine Peillon. «Die meisten Anstrengungen zu einer besseren Zusammenarbeit in Steuerfragen verliefen im Sand, oft wegen Formfehlern der Franzosen.»
So habe die berühmte Liste von 3000 französischen Bankkunden mit einem Konto bei der Bank HSBC in Genf bisher keine Resultate gebracht, sagt Peillon. In einem kürzlich publizierten Entscheid hat es ein Gericht in zweiter Instanz der Justiz verboten, die Liste als Beweismittel zu verwenden.
In seinem Buch schätzt Peillon, dass jährlich 2.5 Milliarden Euro Schwarzgelder in die Schweiz transferiert werden. Gesamthaft seien 590 Milliarden französisches Geld am Fiskus vorbei geschleust worden, davon seien 108 Milliarden in der Schweiz deponiert.
Politisch motiviert?
Handelt es sich bei der Affäre um die UBS in Frankreich um eine vor allem politisch motivierte Attacke? Die Kritiker des Buches rufen in Erinnerung, dass Antoine Peillon der Bruder ist von Vincent Peillon, einem lautstarken Kritiker des schweizerischen Bankgeheimnisses und Sozialisten. Falls François Hollande die nächsten Präsidentschafts-Wahlen gewinnen sollte, hätte Vincent Peillon gute Chancen auf einen Ministerposten.
«Er ist er und ich bin ich», sagt Antoine Peillon. «Meinem Buch liegt nicht die geringste politische Motivation zu Grunde.»
Das in den 1930er-Jahren in der Schweiz eingeführte Bankgeheimnis verpflichtet zur vertraulichen Behandlung von Informationen über Bankkunden und deren Finanztransaktionen.
Das Gesetz zwingt die Banken aber auch, die Identität ihrer Kunden und die Herkunft der Gelder zu erfassen.
Weil Steuerhinterziehung in der Schweiz nicht als Straftat geahndet wird, wird den Steuerbehörden aus dem In- und Ausland bei Verdacht auf Steuerhinterziehung bislang keine Auskunft erteilt. Nur bei Strafverfahren, z.B. gegen Steuerbetrug, dürfen die Behörden Auskünfte verlangen.
2009 musste die Schweizer Regierung zum ersten Mal die Daten von tausenden Kunden der UBS an die USA liefern. Die amerikanischen Behörden hatten mit massiven Sanktionen gegen die Schweizer Grossbank gedroht, die beschuldigt wurde, zehntausenden Kunden geholfen zu haben, Steuern zu hinterziehen.
Im letzten Januar gab Washington bekannt, dass 11 Schweizer Banken wegen gleicher Delikte beschuldigt würden. Die amerikanische Justiz fahndet nach 20 Schweizer Bankiers. Washington verlangt von Bern jetzt die Daten von zehntausenden Kunden von Schweizer Banken in den USA.
Infolge des internationalen Drucks hat die Schweiz in den letzten Jahren 30 Doppelbesteuerungs-Abkommen unterzeichnet, wobei die Amtshilfe gemäss OECD-Standards auch auf Fälle von Steuerhinterziehung erweitert wurde.
(Übertragen aus dem Französischen: Andreas Keiser)
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