UBS-Investmentbank nach Betrugsfall unter Druck
Der Verlust von rund 2,3 Mrd. Dollar (2 Mrd. Fr.) schürt Spekulationen, dass die Schweizer Grossbank ihr Investment Banking zurückfahren könnte. Laut dem Verwaltungsrats-Präsidenten muss dieser Bereich in Zukunft mit weniger Kapital auskommen.
Die Grossbank UBS steht mit dem Rücken zur Wand: Genau jener Betrag, der mit dem Abbau von 3000 Jobs und dem Versenken von bereits festgelegten Gewinnprognosen hätte eingespart werden sollen, wurde nun von einem einzigen UBS-Händler in London verzockt.
Die Tatsache, dass es sich bei dem 31-jährigen Inhaftierten um einen Investmentbanker handelt, hat in der Schweiz die Haltung gegenüber dieser riskanten Form des Bankgeschäfts verhärtet.
«Für eine Bank, die in der Vergangenheit Fehler gemacht hat, ist das absolut inakzeptabel», sagte Fulvio Pelli, Präsident der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen). Er sprach damit aus, was viele Politikerinnen und Politiker in allen Schweizer Parteien denken.
Mehr Eigenkapital
Das Parlament ist diese Woche daran, neue Bankenregelungen zu diskutieren, welche die beiden Schweizer Grossbanken – UBS und Credit Suisse – zwingen würden, für die Risikodeckung mehr Eigenkapital zu halten, als dies gegenwärtig ihrer weltweiten Konkurrenz vorgeschrieben wird.
Das neuste Debakel der UBS scheint die Parlamentarier nur noch deutlicher in ihrer Meinung zu bestärken, dass exzessive Handelsrisiken eingeschränkt werden sollten. Solche hatten vor drei Jahren dazu geführt, dass der Staat die UBS mit zweistelligen Milliardenbeträgen vor dem Zusammenbruch bewahren musste.
Seit der Finanzkrise hat die Bank ihre Pläne versenkt, die grösste Investmentbank der Welt aufzubauen. Vielmehr soll diese nun beschnitten werden und zu einer Unterstützung des Kerngeschäfts Vermögensverwaltung und Asset-Management gemacht werden.
Bereits im Sommer hatte UBS-Konzernchef Oswald Grübel anlässlich der Präsentation der zweiten Quartalszahlen 2011 angekündigt, die Investmentbank um 25 bis 50 Prozent zurückzufahren.
Dies bestätigte Verwaltungsrats-Präsident Kaspar Villiger in der Sonntagspresse erneut. Die Investmentbank bleibe bestehen, sagte er in der Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag. Klar sei aber auch, dass die Investmentbank künftig mit weniger Kapital werde auskommen müssen.
Auch Analysten sind der Meinung, dass die Einsparungen eher in Richtung von 50% gehen werden. Einige der 17’800 Investmentbanker der UBS werden nun vermutlich ihren Job verlieren, oder zumindest ihren Bonus.
Hohe Gewinne, grosse Verluste
«Die Nachricht ist sicher belastend und wird den Druck erhöhen, die Investmentbank rascher und umfassender zu restrukturieren», schrieb Rainer Skierka von der Bank Sarasin.
Wenn die Märkte reibungslos laufen, können im Investmentbanking im Vergleich mit der eher behäbigen Vermögensverwaltung fantastische Gewinne erzielt werden. Doch wie viele Banken während der Finanzkrise zu ihrem eigenen Kummer herausfinden mussten, kann es auch zu riesigen Verlusten führen.
Mit den gegenwärtig unsicheren Märkten und einem geringen Risikoverhalten waren die Gewinne im Investmentbanking in diesem Jahr enttäuschend. Dazu kommt, dass in der Schweiz die Meinung vorherrscht, die einheimischen Banken würden besser die Finger von solchen riskanten Geschäften lassen und sich auf ihr Kerngeschäft, das Private Banking, konzentrieren.
Doch nicht alle Aktivitäten, der eine Investmentbank nachgeht, sind derart riskant wie jene so genannten «Delta-One-Geschäfte», die der mutmassliche Betrüger in London gemacht hat.
Die meisten Aktivitäten des Investmentbanking-Zentrums in der Schweiz beschäftigen sich mit der Beratung von Unternehmen betreffend Wachstumsstrategien sowie Fusionen und Firmenkäufen (Mergers & Acquisitions). Der Wertpapierhandel findet grösstenteils in London und New York statt.
Wessen Geld?
«Die Frage ist nun, wie weit die UBS das Investmentbanking dazu einsetzen will, um den Interessen ihrer Kunden zu dienen», sagte Andreas Venditti, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, gegenüber swissinfo.ch.
«Die Bank muss sicher die ganze Palette anbieten, weil auch Kunden aus der Vermögensverwaltung und dem Asset-Management Finanzinstrumente kaufen und verkaufen wollen. Andererseits wird dieser Handel in Zukunft viel strenger reguliert sein, während die Beratungs-Dienstleistungen fast nicht davon betroffen sein werden.»
Ein weiteres Problem, über das noch keine Klarheit besteht, ist die Frage, ob die betrügerischen Geschäfte mit Geld der Bank (Eigenhandel) oder mit Kundengeldern getätigt wurden.
Laut der Grossbank seien keine Kundengelder von den Verlusten betroffen. Diese Mitteilung könnte aber auch ganz einfach bedeuten, dass die Bank für verlorene Kundengelder aufkommen werde, sagte Venditti.
Vor drei Jahren hatte die UBS versprochen, die Eigenhandels-Aktivitäten, welche die Bank während der Finanzkrise in grosse Bedrängnis gebracht hatten, zu Gunsten des Handels für ihre Kunden zu verringern. Doch laut Venditti gibt es häufig keinen klaren Unterschied zwischen den beiden Handelsarten.
«Das Problem ist, dass es keine klare Definition des Eigenhandels gibt», so der Analyst. «Es gibt verschiedene Stufen zwischen reinen Bankgeschäften und reinen Kundengeschäften, die sich in einer Grauzone bewegen.»
«Delta-One-Geschäfte» scheinen in diese Grauzone zu gehören, in der oft mit Kundengeldern operiert wird, um über einer gewissen Limite Profite für die Bank herauszuholen.
Die britische Financial Services Authority (FSA) und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) haben gemeinsam eine Untersuchung zu den Spekulationsverlusten der UBS eingeleitet.
Die FSA teilte mit, es werde eine «umfassende, unabhängige» Untersuchung der Zusammenhänge rund um die Milliardenverluste geben.
Die Untersuchung soll von einer spezialisierten, von der UBS unabhängigen Firma durchgeführt werden. Die Kosten soll die UBS übernehmen.
Die damals grösste Schweizer Bank befand sich 2007 mit einem Quartalsgewinn von 5,6 Mrd. Fr. im zweiten Quartal des Jahres auf einem Höhenflug.
Dieser Gewinn war trotz des Zusammenbruchs ihres Hedge Fonds «Dillon Read Capital Management» erreicht worden. Die Zahlen versteckten aber Probleme, die erst nach dem plötzlichen Abgang von CEO Peter Wuffly im Juli 2007 ans Licht kamen.
Aus dem Gewinn wurde im dritten Quartal ein Verlust von 726 Mio. Fr., als die Bank damit begann, Schrott-Hypotheken und Schuldverschreibungen abzuschreiben. Im Lauf der Finanzkrise verlor die Bank rund 50 Mrd. Fr.
Im Herbst 2008 war die Situation für die UBS derart prekär, dass der Bundesrat ein Rettungspaket im Umfang von 68 Mrd. Fr. schnüren musste, um die Bank zu retten.
Die Bank gab zu, US-Bürgern beim Verstecken von Geldern vor dem Fiskus geholfen zu haben. Sie musste eine Busse von 780 Mio. Dollar bezahlen und später den US-Behörden die Daten von 4450 Kundinnen und Kunden herausgeben. Ihr Ruf und das Schweizer Bankgeheimnis kamen unter Druck.
2009 übernahm der ehemalige Credit-Suisse-Boss Oswald Grübel den Job des CEO bei der UBS – mit dem Auftrag, das Steuer herumzureissen. 2010 war die Bank wieder in den schwarzen Zahlen, mit einem Gewinn von 7,2 Mrd. Fr.
Doch dieses Jahr sind die Zahlen nicht mehr so rosig, was zu einer Reduktion der Gewinnprognosen und dem Abbau von 3500 Stellen führte.
Am Donnerstag teilte die Bank mit, dass ein Investmentbanker 2 Mrd. Dollar mit unerlaubten Geschäften verspekuliert hatte. Am Sonntag korrigierte die UBS den Verlust auf 2,3 Mrd. Dollar.
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
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