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UBS-Skandal: «Ein Unfall zu viel»

Dunkle Geschäfte eines Derivate-Händlers der UBS in London bescheren der Grossbank 2 Mrd. Dollar Verlust. Keystone

Der in London begangene "mit Abstand grösste Betrugsfall in der Geschichte des Schweizer Finanzplatzes" bringt nicht nur Politiker, sondern auch die Presse in Rage. Das (Vor-)Urteil, Banker hätten nichts dazugelernt, verstärkt sich.

Wie hiessen sie doch alle schon wieder? Jérôme Kerviel (Société Générale), Nick Leeson (Barings), Yasuo Hamanaka (Sumitono), etc.: Alles Händler, die sich in den letzten Jahren verzockten oder verspektulierten, mit mindestens eineinhalb Milliarden.

Nun hat es auch eine Schweizer Grossbank erwischt. Ein Ghaneser Wertschriftenhändler soll mit unerlaubten Geschäften der UBS in London 2 Mrd Dollar Verlust eingehandelt haben. In der Schweizer Presse ist die Empörung durchwegs gross: «Verheerende Wirkung», «Gift für Kundengeschäft», «UBS-Loch macht alle hässig», «Vertrauensverlust grösser als finanzieller Schaden», titeln die Zeitungen.

Auch der Zeitpunkt für den mutmasslichen Milliardenbetrug könnte gemäss zahlreichen Zeitungen «besser» nicht sein: Ausgerechnet am gleichen Tag, an dem in Bern der Nationalrat die Grossbankenregulierung (Too big to fail) debattiere, fliege der Investmentbank-Skandal der UBS auf.

So habe diese Tat «allen vor Augen geführt, wie wichtig und dringend die vorliegende Gesetzesvorlage ist, damit der Steuerzahler nicht ein weiteres Mal (…) hinstehen muss,» schreibt die Berner Zeitung (BZ).

Wobei die BZ auf einen heiklen Punkt der politischen Debatte hinweist: Man wolle zwar höhere Eigenmittelvorschriften für Banken, sie aber nicht zwingen, das riskante Investment Banking abzustossen. Für die BZ ist aber klar, dass «auch höhere Eigenmittel ein solches Tun nicht unterbinden», gemeint ist das Zocken.

Fragwürdiges «Geschäft auf eigene Rechnung»

Um das Zock-Risiko wirklich zu unterbinden, müsse den Banken verboten werden, «Wertschriftengeschäfte auf eigene Rechnung zu betreiben». Oder dieser «Eigenhandel» müsse auf ein Minimum eingeschränkt werden.

Auch der Tages-Anzeiger geht auf diesen Aspekt ein. Der mutmassliche Täter habe «viel undurchsichtigere Geschäfte» gemacht als damals, «als die UBS mit faulen Hypotheken 50 Milliarden verlor». Der Händler habe «Aktien mit derivativen Produkten nachgebildet». Damit lasse sich mit wenig Kapital «gewaltige Gewinne einfahren – oder bodenlos verlieren».

Wie unter diesen Umständen das Risikomanagement und die -kontrolle funktioniert, steht in den Sternen. Der Tages-Anzeiger schreibt, das neue Milliardendebakel sei kaum ein Zufall, denn Investmentbank-Chef Carsten Kengeter «kam von der für ihre Risikofreude bekannten US-Bank Goldman Sachs».

Risikofreude statt Risikomanagement also. Warum sei es immer noch möglich, fragt sich die Neue Zürcher Zeitung, dass «trotz verschärften internen Vorschriften und straffer geführten Linienkompetenzen solche Summen unkontrolliert in den Sand gesetzt werden».

«Fahrlässiger Umgang»

Die NZZ beklagt sich über die Fahrlässigkeit der UBS: «Der Schweizer Finanzplatz wird von allen Seiten attackiert: durch europäische Nachbarn und von den USA, im Inland von Linken und Rechten. Mitunter aber die schmerzlichsten Schläge fügt sich die Branche mit ihrem fahrlässigen Umgang mit dem raren Gut Akzeptanz und Vertrauen selber zu.»

Der NZZ geht es auch um «das beträchtliche Imageproblem, mit dem der Schweizer Finanzplatz nach wie vor kämpft». Und erinnert daran, dass zur gleichen Zeit «zehn Banken, unter ihnen die CS, derzeit mit dem Rücken zur Wand stehen», was die Attacken des US-Justiz- und Steuerapparats betrifft.

Die Zeitung fürchtet auch, dass dieser neueste Skandal den Populisten im Land weitere Nahrung gibt: «Je häufiger die Banken mit Fehltritten für negative Schlagzeilen sorgen, desto weniger wird die Politik ihnen noch Kredit geben wollen.»

A propos Politik: Das Boulevard-Blatt Blick sieht das viel einfacher: «Grübel am Ende! Politiker: Grübel soll gehen.» Zitiert werden Politiker von links bis rechts, die Grübel die «direkte Verantwortung» anlasten. Auch zeigt der Blick ausführlich Bilder des mutmasslichen Täters, eines Diplomatensohns, der nach dem Nobelinternat Computerwissenschaften studiert habe.

Die Aargauer Zeitung (AZ) erinnert daran, dass der 67-jährige Grübel nach dem Debakel in der Investmentbank der UBS aus dem Ruhestand geholt worden war. Die AZ meint dazu: «Nicht erst seit gestern ist klar: Er hat versagt.» Denn unbeirrt habe er an einer integrierten Investmentbank festgehalten.

«Verlorene Ehre der UBS»

Auch in der Westschweiz wird Grübel – und VR-Präsident Kaspar Villiger – der Kredit entzogen: «Ihre Demission wird zur moralischen Frage», urteilt Le Temps unbarmherzig:

«Nach der verlorenen Ehre im Subprime-Debakel 2008, nach dem Steuerskandal mit den USA ist die UBS nun gezwungen, in vier Zeilen eine ’nicht autorisierte Trading-Operation› durch einen Derivate-Händler zuzugeben: Ein erniedrigendes und unehrenhaftes Eingeständnis für ein Institut, von dem man glaubte, dass es sich auf dem Weg zur Besserung befindet.»

Es sei «ein Unfall zu viel» für eine Bank, die sich nicht geschämt habe, die neuen Eigenmittelvorschriften der Politik und den «Aktivismus der Nationalbank» zu kritisieren. Genau diese Attitude bestärke die öffentliche Meinung, wonach die Banker ohnehin nichts aus ihren Fehlern gelernt hätten.

Diese «4-Zeilen-Mitteilung» bringt auch die La Liberté in Rage: Die UBS «hat eine seltsame Art zu kommunizieren. Die wichtigste Schweizer Bank teilt in vier Zeilen das mit, was sich als spektakulärste Blase ihrer ganzen Geschichte entpuppt». Die Untersuchung hingegen «dürfte noch einige Überraschungen bescheren».

La Liberté denkt auch an die Steuerausfälle: Der Verlust sei auch eine schlechte Nachricht für den Staatshaushalt, denn die UBS «bezahlt seit 2008 keine Ertragssteuern mehr».

Der Corriere del Ticino macht sich prinzipielle Gedanken zum Investment Banking: «Dieses Geschäft, ein wichtiger Erwerbszweig im Banking, kann in kurzer Zeit viel Geld einbringen, aber auch grosse Verluste bescheren.»

Das Risiko jedoch sei im Investment Banking grösser als zum Beispiel in der Vermögensverwaltung – also dort, wo die Schweizer Banken traditionell stark seien.

Ende der 80er-Jahre hätten viele europäische Banken die Hegemonie der angelsächsischen Banken im Investment angegriffen. Rückblickend lasse sich feststellen, die Bilanz sei durchzogen.

Die angelsächsischen Banken hätten zwar Marktanteile abgeben müssen, aber die europäischen Institute hätten diese Anteile teuer bezahlen müssen.

Während der Finanzkrise sei ein grosser Teil der Verluste im Investment Banking angefallen. Und dort hätten sich auch die grössten Betrugsfälle ereignet.

Die Frage sei deshalb nicht ganz von der Hand zu weisen, besonders in der Schweiz nicht, ob die grossen Banken wirklich intensiv in diesem Bereich aktiv sein müssten.

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