Uhrenindustrie in Festlaune
Die Uhrenexporte registrierten im November im Vergleich zur Vorjahresperiode ein Wachstum von fast 30 Prozent. Damit lässt die Schweizer Uhrenindustrie die Krise hinter sich und dürfte wieder an das Rekordjahr 2008 anknüpfen.
«Während die Branche 2009 rund einen Viertel des Umsatzes gegenüber dem Vorjahr einbüsste, gingen lediglich 8 Prozent der Stellen verloren, wobei 4 Prozent durch Kündigungen», sagt der Generalsekretär des Arbeitgeberverbands der Schweizer Uhrenindustrie, François Matile.
Die Uhrenindustrie habe in grossem Mass auf Kurzarbeit gesetzt, wodurch das Personal behalten werden konnte. Dank dieser Unternehmensstrategie kann der Betrieb sofort wieder hochgefahren werden, sobald sich die Wirtschaft erholt.
In den letzten Monaten wurde in der Uhrenindustrie wieder mehr Personal eingestellt, auch wenn dieser Trend von Unternehmen zu Unternehmen variiert. Er könne jedoch nicht genau sagen, in welchem Mass die Einstellungen zugenommen hätten, doch auf Grund von Aussagen von Branchenkennern angesichts der Stellenangebote, könne man klar auf einen Aufschwung schliessen, so François Matille.
In der Westschweizer Zeitung Le Temps war diese Woche von 700 offenen Stellen im Jurabogen die Rede.
Gute Prognosen
Die Zunahme der Arbeitsplätze geht auf die Zunahme des Exportwachstums zurück. Für die letzten elf Monate belaufen sich die Exporte der Schweizer Uhrenindustrie auf 14,6 Mrd. Franken, das entspricht im Vergleich zur Vorjahresperiode einer Zunahme von fast 22 Prozent. 2009 war nach dem Rekordjahr 2008 ein schwarzes Jahr.
Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2007 stiegen die Exporte laut Uhrenverband marginal. Ende 2010 dürften sich die Exporte nahe des Rekordjahrs 2008 mit Uhrenverkäufen von 17 Mrd. Franken bewegen.
Vor allem Luxusuhren im Preissegment über 3000 Franken (Exportpreis) waren wieder sehr stark gefragt. Auch Hongkong, China, Singapur, auf deren Märkten der Absatz von Schweizer Uhren besonders gross ist, haben zum erfolgreichen Ergebnis beigetragen.
Gesunde Finanzen
Die schnelle Erholung der Uhrenindustrie habe nichts mit Glück zu tun, sagt François Matile. Bei der 2008 einsetzenden Krise habe es sich um eine Finanz- und keine Industriekrise gehandelt. Die Uhrenindustrie habe von 2001 bis 2008 ein stetiges Wachstum verzeichnet.
Es sei in Produktionsmittel, Forschung und Weiterbildung investiert und 10’000 neue Mitarbeiter seien eingestellt worden. Die Uhrenindustrie habe über gesunde Finanzen verfügt.
Wegen der Finanzkrise seien weniger Uhren verkauft worden. Doch die Branche war grundsätzlich gesund und brauchte keinen Strukturveränderungen, als die Nachfrage wieder anzog, so François Matile.
Für die Zulieferer ist die Situation teilweise etwas schwieriger. «Setzt der Wirtschaftsaufschwung ein, benötigen die Zulieferer rund 6 Monate, um ihren Betrieb voll hochzufahren».
«Keine Exporteinbussen wegen starkem Franken»
Und welche Rolle spielt der starke Franken? Zurzeit würden die Uhrenexporte auf Bestellungen basieren, die vor sechs Monaten eingegangen seien, sagt François Matile. «Ich habe keine Hinweise von Exporteinbussen wegen des starken Frankens», sagt er.
Jan Atteslander, Leiter Aussenwirtschaft beim Schweizer Wirtschaftsdachverband economiesuisse, sieht den wichtigsten Grund dafür, dass die Uhrenindustrie ihre Exporte trotz der Euro-und Dollar-Schwäche steigern konnte, darin, dass sich die Weltwirtschaft erholt und die Wachstums- und Einkommensentwicklung positiv verläuft.
«Zudem ist die Schweizer Uhr ein langlebiges Qualitätsprodukt. Es gibt kaum Alternativen zu einer guten Schweizer Uhr», so Jan Atteslander.
Atteslander unterstreicht die Bedeutung der asiatischen Märkte und verweist darauf, dass die USA noch etwas länger brauchten, bis sie sich wirtschaftlich erholt hätten.
Jan Atteslander geht davon aus, dass die Exporte weiter zunehmen werden, aber langsamer wegen des starken Frankenkurses. «Diese Entwicklung bezieht sich auf alle Branchen. Nach Asien dürften die Exporte stärker steigen, nach Europa, wo 60% der Schweizer Export-Produkte hingehen, wird das Wachstum gedämpft sein.»
Die Anfänge: Mitte des 17. Jahrhunderts entsteht die Industrie in Genf, bevor sie sich im Jurabogen ausbreitet.
Renaissance: Die Revolution der Quarzuhren führt in den 1970er-Jahren zu einer grossen Krise in der Branche.
Erst in den 1980er-Jahren schafft die Industrie den Turnaround.
Heute ist sie nach der Maschinenindustrie und der Chemie die drittwichtigste Exportbranche (17 Mrd. Fr. im 2008, gegenüber 4,3 Mrd. im 1986).
Beschäftigte: Waren es vor der Krise der 1970er-Jahre etwa 90’000 Personen, arbeiteten in den 1980ern nur noch rund 30’000 in der Uhrenindustrie. 2008 beschäftigte sie rund 53’000 Personen.
Wegen der Finanzkrise gingen in der Uhrenindustrie 2009 rund 4000 Arbeitsplätze verloren. Aähnlich viele wurden jedoch 2010 wieder geschaffen.
In Milliarden Franken:
2000: 10,297
2001: 10,653
2002: 10,639
2003: 10,167
2004: 11,109
2005: 12,390
2006: 13,736
2007: 15,955
2008: 17,033
2009: 13,229
(Übertragung aus dem Französischen: Corinne Buchser)
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