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Ukraine-Krieg: Das hat sich für die Schweiz verändert

Cassis
© Keystone / Laurent Gillieron

Seit dem 24. Februar 2022 wankt die bestehende Weltordnung – wie sie nach Kriegsende aussehen wird, lässt sich kaum abschätzen. Klar ist: Die Auswirkungen der Invasion auf Politik und Wirtschaft sind spürbar. Ein Blick auf 100 Tage Krieg aus Schweizer Sicht.

Neue Geschlossenheit des Westens

Putin hat geschafft, was er auf keinen Fall wollte: Er hat den Westen zusammengeschweisst – zumindest vorübergehend. Die EU war sich in der Verurteilung des Kriegs und bei der Sanktionierung Russlands so einig wie selten. Auch die Schweiz verurteilte den Völkerrechtsbruch zwar deutlich, schloss sich aber mit Verweis auf die Neutralität zunächst nicht den Finanzsanktionen der EU an. Der innen- und aussenpolitische Druck löste wenige Tage später eine Kehrtwende aus. Seither beteiligt sich die Schweiz an den EU-Sanktionen, mit Ausnahme des Verbots russischer Medien wie «RT» und «Sputnik» sowie der Ausweisung russischer Diplomaten.

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Diese Massnahmen ergreift die Schweiz gegen Russland

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Bundesrat hat angesichts der fortschreitenden Militärintervention Russlands die EU-Sanktionen vom 23. und 25. Februar übernommen.

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Mittlerweile hat die Schweiz 6.3 Milliarden Franken eingefroren und elf Liegenschaften russischer Oligarchen beschlagnahmt (Stand 12. Mai). Die Schweiz gerät international aber immer wieder unter Druck, zu wenig aktiv nach russischen Vermögen zu suchen.

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Auch einige Kantone bemängelten, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Aufforderung zur Meldung von Liegenschaften und anderer Vermögenswerte von Oligarchen schlecht koordiniere. Immer wieder wurden Fälle von Oligarchen bekannt, die ihr Vermögen in Treuhandfonds übertragen, die das Vermögen wiederum an Familienmitglieder verschenken.

Militärischen Kooperation und Aufrüstung

Die Nato, die zwischenzeitlich vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron für «hirntot» erklärt worden war, lief nach Kriegsbeginn zu Hochform auf. Auch in der Schweiz wurden Stimmen laut, die eine vertiefte Kooperation mit der Nato fordern. Die Geschlossenheit in der Nato hat allerdings erneut tiefe Risse bekommen. Die Türkei will den Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens nicht einfach so akzeptieren.

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Neben der humanitären Hilfe für die Ukraine wird die Liste von Staaten, die schweres Gerät an die Ukraine liefern oder dies angekündigt haben, immer länger. Aufgrund des Kriegsmaterialgesetzes und den Verpflichtungen der Neutralität hat die Schweiz in zwei aufsehenerregenden Fällen die Weitergabe von Schweizer Rüstungsmaterial an die Ukraine verhindert: Zum einen Munitionslieferungen aus Deutschland Anfang April und jüngst die Ausfuhr dänischer Schützenpanzer aus Schweizer Produktion in die Ukraine.

Der internationale Druck auf die Schweiz wächst, diese Bestimmungen zu lockern. Selbst in der Bundesverwaltung und im Parlament gibt es Stimmen, die im Kriegsmaterialgesetz durchaus Spielraum sehen. Die Schweiz könne europäischen Staaten die Weitergabe von Schweizer Rüstungsgütern unter bestimmten Bedingungen sehr wohl erlauben.

Wie auch in anderen Ländern hat der Ukraine-Krieg bewirkt, dass höhere Sicherheitsausgaben wieder salonfähig werden. Das Schweizer Parlament hat gerade beschlossen, das Armeebudget bis 2030 schrittweise auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts zu erhöhen. Damit könnten die Ausgaben von heute jährlich 5.3 Milliarden Franken auf etwa 7 Milliarden steigen.

Militärausgaben in Relation zum BIP seit 1960 in Prozent gemäss Bundesamt für Statistik:

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SRF News

Neu interpretierte Neutralität 

Seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine steht die Frage nach der Neutralität wieder im Zentrum der Debatte. Während die SVP offenbar eine Volksabstimmung dazu plant, wollen sie die Grünliberalen aufgeben. Am WEF in Davos hat Bundespräsident Ignazio Cassis mit einem neuen Begriff überrascht. Die Schweiz verfolge eine «kooperative Neutralität», erklärte er. Cassis führte aus: Die Schweiz sei kooperativ als neutrales Land, das sich für die Stärkung eigener und gemeinsamer Grundwerte sowie gemeinsamer Friedensbemühungen einsetze.

Wirtschaft und weltweite Inflation

 Die Flut an Sanktionen des Westens bringt die russische Wirtschaft in Schieflage. 10’000 Sanktionen gebe es inzwischen, kein anderes Land der Welt sei so stark mit Strafmassnahmen belegt wie Russland, heisst es in Moskau. Zu Hunderten nehmen westliche Unternehmen, darunter auch Schweizer Firmen, Abschied aus dem flächenmässig grössten Land der Erde. Die Inflation steigt weltweit, in der Schweiz mit 2.9 Prozent im Mai allerdings weiterhin moderat. Auch Lebensmittel werden teils sprunghaft teurer, unter anderem weil die «Kornkammer Ukraine» mit ihren fruchtbaren Böden als wichtiger Lieferant von Getreide und Sonnenblumenöl ausfällt.

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Energie

Nach Kriegsbeginn stiegen zunächst die Öl- und Gaspreise in Europa, was auch die Stromproduktion in europäischen Ländern verteuerte. In der Schweiz dürften die Strompreise ab September um durchschnittlich ein Fünftel ansteigen. Zudem nährt der Krieg auch Sorgen um die Versorgungssicherheit im nächsten Winter. Am Montag beschloss die EU ein Embargo für russisches Öl, das über den Seeweg in die EU gelangt. Länder wie Ungarn, Tschechien und die Slowakei dürfen aber weiterhin Öl aus der Druschba-Pipeline beziehen. Für die Schweiz wäre eine Übernahme der neusten Sanktionen vor allem ein symbolischer Akt. Die Schweiz bezieht kein Rohöl direkt aus Russland.

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Flüchtlinge

Aus der Ukraine sind 6.8 Millionen Menschen ins Ausland geflüchtet, die meisten davon nach Polen. Auch in der Schweiz wurde eine unbürokratische Aufnahme beschlossen und dafür erstmals der Flüchtlingsstatus S aktiviert.

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  • Betroffene Personen erhalten rasch und unbürokratisch Schutz in der Schweiz – ohne Durchführung eines ordentlichen Asylverfahrens.
    Sie erhalten einen S-Ausweis. Dieser ist auf höchstens ein Jahr befristet und verlängerbar.
  • Nach frühestens fünf Jahren erhalten sie eine Aufenthaltsbewilligung B, die bis zur Aufhebung des vorübergehenden Schutzes befristet ist.
  • Der Schutzstatus S gewährt Schutzbedürftigen ein Aufenthaltsrecht, sie können ihre Familienangehörigen nachziehen und haben wie vorläufig Aufgenommene Anspruch auf Unterbringung, Unterstützung und medizinische Versorgung. Kinder können zur Schule gehen.
  • Mit dem Ausweis S ist es den Betroffenen erlaubt, ohne Bewilligung ins Ausland zu reisen und in die Schweiz zurückzukehren.
  • Die Betroffenen erhalten Sozialhilfe und sie haben die Möglichkeit – ohne Wartefrist – eine bewilligungspflichtige Erwerbstätigkeit (das kann auch eine selbständige sein) auszuüben.
  • Die Kantone erhalten vom Bund für Personen mit Status S die Globalpauschale. Diese beinhaltet einen Anteil für Mietkosten, Sozialhilfe- und Betreuungskosten, Krankenkassenprämien etc.
  • Beim Status S handelt es sich um einen rückkehrorientierten Status. Der Bund schafft die Voraussetzungen für eine künftige Rückkehr.

Bisher wurden knapp 55’000 Anträge auf den Flüchtlingsstatus S registriert. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung hat nicht nachgelassen, obwohl sich für Geflüchtete und Gastfamilien einige bürokratische Hürden ergeben. Die Bedingungen, die die Flüchtlinge vorfinden, gestalten sich in der föderalistischen Schweiz von Gemeinde zu Gemeinde anders.

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