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Zuwanderung: Ständerat spricht sich für EU-kompatible Lösung aus

Der Ständerat hat sich für eine Lösung zur Eindämmung der "Masseneinwanderung" entscheiden, welche die Beziehungen zur Europäischen Union bewahren soll. Keystone

Der Ständerat lehnt Kontingente für die Beschränkung der Einwanderung ab. Seine Lösung, die als vereinbar mit der Personenfreizügigkeit gilt, setzt auf einen Inländervorrang bei Anstellungen. Es ist eine strengere Lösung als die vom Nationalrat beschlossene Variante.

Der Ständerat legt strengere Regeln für Unternehmen fest, um die vom Volk am 9. Februar 2014 angenommene Masseneinwanderungsinitiative umzusetzen: Bevor Firmen Arbeitnehmer im Ausland rekrutieren können, müssen sie Arbeitslose aus der Schweiz zum Vorstellungsgespräch einladen und eine allfällige Absage begründen. Nach einer endlos langen Debatte von über fünf Stunden, die live am Fernsehen übertragen wurde, hat sich die kleine Parlamentskammer am Donnerstag mit 26 gegen 16 Stimmen und einer Enthaltung für diese Lösung ausgesprochen.

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Zuwanderungsbremse: Wie viel Inländervorrang darf es sein?

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht «Die Schweiz steuert die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig. Die Zahl der Aufenthaltsbewilligungen wird durch Höchstzahlen und Kontingente begrenzt, wobei die gesamtwirtschaftlichen Interessen zu berücksichtigen sind.» Die Umsetzung dieses VolksauftragExterner Links, so klar und simpel dieser auf den ersten Blick erscheinen mag, gleicht der Suche nach dem Ei des Kolumbus. Weshalb? Wenn die Schweiz die…

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Die Ständeräte entschieden sich für einen Inländervorrang und lehnten Kontingente oder Höchstgrenzen für Einwanderer ab, damit die Lösung mit dem Abkommen über die PersonenfreizügigkeitExterner Link (FZA) vereinbar ist. Sie folgten damit dem Appell von Justizministerin Simonetta Sommaruga, die gewarnt hatte: «Höchstgrenzen und Kontingente bedeuten eine Kündigung des FZA. Wir können das machen, aber wir müssen die Konsequenzen tragen.»

Nur die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), Urheberin der Masseneinwanderungsinitiative, hielt an ihrer Position fest und stimmte für eine wörtliche Umsetzung des Verfassungstextes. «Nicht die EU oder die europäischen Bürger sollen darüber entscheiden, wer das Recht hat, in die Schweiz zu kommen, sondern die Schweizer sollen sagen, wer unser Gast sein darf», sagte SVP-Ständerat Peter Föhn, und mahnte zur Respektierung des Volkswillens.

Das «Modell Müller»

«Dilemma», «mission impossible», «Quadratur des Kreises»… Die Ständeräte der anderen Parteien übertrafen sich gegenseitig mit Wortschöpfungen, um das Problem zu bezeichnen, vor das sie gestellt waren: Die Masseneinwanderung zu stoppen, ohne die bilateralen Verträge mit Brüssel zu gefährden.

Sie entschieden sich schliesslich für ein Modell, das der ehemalige Präsident der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP / Mitte-rechts), Philipp Müller, vorgeschlagen hatte. Dieses will die Unternehmen verpflichten, vakante Stellen den Arbeitslosenämtern zu melden, registrierte Arbeitslose zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen und allfällige Absagen zu begründen, bevor sie im Ausland Personal rekrutieren können.

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Dies würde nur für Berufsgattungen und Regionen gelten, die von einer überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit betroffen sind. «Das entspricht höchstens 1% der jährlichen Rekrutierungsprozesse», versicherte Müller.

Inländervorrang «light»

Der Nationalrat (grosse Parlamentskammer) hatte sich an der Herbstsession für einen Inländervorrang «light» ausgesprochen. Gemäss diesem Modell könnten die Arbeitgeber verpflichtet werden, vakante Stellen den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu melden. Diese Pflicht würde allerdings nur gelten, wenn die Einwanderung eine bestimmte Grenze übersteigt.

Die Vorlage geht nun zurück in den Nationalrat, der sich ab nächstem Montag wieder damit befassen wird. Die Angelegenheit muss während dieser Session unter Dach und Fach gebracht werden, wenn das Parlament die von der Initiative auf den 9. Februar 2017 festgelegte Umsetzungsfrist einhalten will.

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Ein Mittelweg

In den Debatten hatte eine von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) angeführte Minderheit das «Modell Müller» als Bürokratiemonster bezeichnet, das sich zu weit von der Initiative entferne.

Sie versuchte erfolglos, die Verpflichtung zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch und die Begründung einer Absage von der Lösung auszunehmen. Dies wäre ihrer Meinung nach für die Wirtschaft verträglicher gewesen.

Hin zu einer neuen Volkstabstimmung

Die linken Ständeräte haben sich hinter die «Variante Müller» gestellt, gleichzeitig aber eine neue Volksabstimmung gefordert. Laut Hans Stöckli von der Sozialdemokratischen Partei (SP) lassen sich die Initiative und die Personenfreizügigkeit ebenso wenig zusammenfügen wie Feuer und Wasser. «Dabei entsteht nur Rauch», bemühte er die Metapher um auszudrücken, dass eine Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ohne Verletzung des FZA unmöglich sei.

Eine nächste Abstimmung zum Thema zeichnet sich tatsächlich ab. Das Volk wird über die Volksinitiative RASAExterner Link befinden müssen, die das Abstimmungsergebnis vom 9. Februar 2014 einfach annullieren will. Die Regierung wird der Initiative einen Gegenvorschlag gegenüberstellen.

Wie würden Sie die Masseneinwanderungsinitiative umsetzen? Diskutieren Sie mit uns in den Kommentaren!

(Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi)

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