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Umstrittene CO₂-Kompensationen: Ein Wald voller Versprechen

Schweizer Unternehmen South Pole in der Kritik: Intransparente Geldflüsse, wenig Impact vor Ort – die Realität hinter einem der grössten CO₂-Kompensationsprojekte.

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Wie viel Geld ist ein Wald wert? Für den Wald in der Gegend um Kariba, in Simbabwe, im Süden Afrikas, lautet die Antwort: mindestens 100 Millionen Dollar. Für so viel wurden in den vergangenen Jahren CO₂-Zertifikate verkauft, vom Schweizer Unternehmen South Pole, dem Weltmarktführer für freiwillige CO₂-Kompensationen. Hunderte von Firmen haben damit ihre Emissionen kompensiert und sich damit teilweise als «klimaneutral» vermarktet. «Kariba REDD+» ist eines der grössten und beliebtesten Kompensationsprojekte der Welt – und eines der umstrittensten.

Seit Monaten sind South Pole und ihr Vorzeigeprojekt in der Kritik. Nun zeigen neue Recherchen von SRF in Kollaboration mit der deutschen Wochenzeitung Die ZeitExterner Link und dem niederländischen Recherchekollektiv «Follow the MoneyExterner Link«: South Pole verkaufte einen Wald voller Versprechen – doch die Realität dahinter ist komplizierter.

«Klimahandel»: Investigativer Podcast zu South Pole und Kariba

Die vollständige Geschichte des Kariba-Projekts, der Firma South Pole sowie des freiwilligen Kompensationsmarktes wird im SRF-Podcast «KlimahandelExterner Link» erzählt. Der vierteilige Podcast findet sich unter srf.ch/audioExterner Link oder auf allen gängigen Podcastplattformen im Kanal «News Plus Hintergründe».

Beim Kauf eines Kariba-Zertifikats wurden drei Dinge versprochen:

  • Den vorhandenen Wald schützen und damit das Klima.
  • Lebensbedingungen der Menschen vor Ort verbessern.
  • Bedrohte Tiere schützen und Biodiversität erhalten.

Doch Recherchen vor Ort zeigen: Bei allen drei Versprechen gibt es erhebliche Zweifel, wie wirksam die Massnahmen wirklich sind – und wo ein Grossteil des Geldes für die Bevölkerung gelandet ist.

Ein Teil der verkauften Zertifikate ohne Wirkung fürs Klima?

Kariba ist ein sogenanntes Waldschutzprojekt. Es wird damit kein neuer Wald aufgeforstet, sondern bestehender Wald geschützt. Diese Projekte sind auf dem Markt sehr beliebt – 2021 stammte jedes dritte verkaufte CO₂-Zertifikat aus solchen Waldschutzprojekten. Doch sie sind auch umstritten, da sie auf heiklen Prognosen basieren: Anhand statistischer Modelle wird für einen Wald für die nächsten Jahrzehnte prognostiziert, wie viel davon abgeholzt werden könnte. Für den Wald im Kariba-Projektgebiet war die Prognose am Anfang: Innerhalb von 30 Jahren würde der Wald komplett gerodet – wenn man ihn nicht schützen würde.

Dass diese Prognose wohl deutlich überzogen war, berichteteExterner Link bereits im Januar das Medium «Follow the Money». Es stützte sich auf eine interne Analyse von South Pole aus dem Jahr 2022, in der berechnet wurde, dass rund 60 Prozent der generierten Zertifikate und rund ein Drittel der verkauften Zertifikate keine zusätzliche Wirkung fürs Klima gehabt hätten. South Pole wehrt sich gegen diese Darstellung und sagt gegenüber SRF, man hätte inzwischen ein offizielles Zwischenfazit abgeschlossen, aus dem hervorgehen würde, dass keine wirkungslosen Zertifikate verkauft wurden. Doch veröffentlicht wurde dieses Zwischenfazit bislang nicht.

Wie Klimakompensation funktioniert, erfahren Sie in unserem Erklärvideo:

Wenig Impact vor Ort gefunden

Nicht nur für das Klima soll das Kariba-Projekt einen Nutzen haben – auch für die Menschen vor Ort. Gemäss Aussagen von South Pole sollen bis zu 40 Millionen Dollar aus den Einnahmen der Zertifikate zugunsten der Menschen vor Ort eingesetzt werden – davon rund 10 Millionen direkt für von den Communitys gewünschte Projekte wie neue Wasserlöcher, neue Schulen oder Zäune für die Gärten. Umgesetzt von einer lokalen Projektorganisation namens Carbon Green Africa (CGA).

SRF hat zwei lokale Journalisten in einen Teil des Kariba-Projektgebiets geschickt, um anhand von Stichproben zu testen, welche Spuren der Zertifikatsmillionen vor Ort zu finden sind. Sie haben sechs Orte im Bezirk Nyami Nyami, einem von vier Bezirken, besucht und mit mehr als 20 Personen Interviews geführt, darunter Gemeindevorsteher, Vertreter der Bezirksregierung, ehemalige Projektmitarbeiter und lokale Bäuerinnen und Bauern. Die meisten der befragten Personen sind nicht zufrieden mit dem, was ihnen CGA und das Geld aus den Zertifikaten gebracht hat.

Stimmen aus den Communitys in Kariba:

Wilson Nebiri, der Gemeindevorsteher von Nebiri, sagt: «CGA haben uns kleine Gärten gegeben, aber Geld haben wir keins gesehen.» Sie hätten als Community zwar ein Konto und hätten erwartet, dass da nach den letzten Erfolgsjahren Geld fliessen würde, aber «wir haben kein Geld von ihnen auf unserem Konto». Nebiri sagt, seine Gemeinde sei nie gefragt worden, was man wolle. «Die Community hat grosse Zweifel am Projekt. Es gibt nichts, auf das wir zeigen können und sagen können, davon haben wir profitiert.»

Der Bauer Richman Kanyemba erlebte es so: «Am Anfang sagten sie uns, dass jeder, der 50 Bäume schützt, dafür 50 Dollar bekommen würde. Wir haben die Bäume und den Wald geschützt, aber kein Geld ist gekommen.» Fast niemand profitiere von der Initiative. «Das Einzige, was sie gemacht haben, sind die zwei Gärten. Aber da profitieren nur 15 bis 20 Personen – und wir sind 3000 Menschen in den umliegenden Dörfern.»

Die Bäuerinnen Elinati Siabene und Polite Sianjem vom Mola-Community-Garten konnten von Hilfsgeldern profitieren. Sie sagen, sie seien zwar dankbar, dass CGA ihnen einen Metallzaun installiert habe, um die Tiere von den Gärten abzuhalten. Aber sie sagen, das eigentliche Problem sei das Wasser. Sie müssten lange Wege laufen, mit Wasser auf dem Kopf, um den Garten zu wässern. «Uns wurde versprochen, dass sie Bohrlöcher für uns machen. Bis jetzt ist das nicht passiert.»

Ein leeres Feld mit einem Schild
Verwaister Vorzeige-Garten zur Schulung von Bauern. Die Aufschrift der Tafel: «Chief Mola: Conservation Farming Demo Plot». Tafadzwa Ufumeli

Der Bauer Adam Mawpoke steht auf einem sogenannten «Demo Plot» im Dorf Mola, einem Vorzeigegarten, auf dem lokale Bauern geschult werden sollen, wie nachhaltige Landwirtschaft funktioniert. Dies soll dazu beitragen, dass sie weniger Wald abholzen müssen. Ausser einem Schild ist da – nichts. Mawpoke sagt, nur zu Beginn sei man hier mit 5 Kilo Dünger und 2 Kilo Saatgut unterstützt worden. Seither liege der Garten brach. Er habe selbst mal für Carbon Green Africa gearbeitet – und sei sehr enttäuscht davon, wie viel Geld mit diesen Zertifikaten verdient werde und wie wenig am Ende bei ihnen lande.

Carbon Green Africa schreibt auf Anfrage, dass man erst seit 2019 genügend Geld bekomme, um von der Community gewünschte Projekte umzusetzen. Zu den Gärten schreibt sie, dass gerade Winter sei in Simbabwe und die Erntezeit bereits vorbei sei. Ausserdem gebe es bei ihnen die Möglichkeit, solche Klagen zu melden – das würde aber nicht gemacht. Zudem: Die Stichprobe von SRF sei zu klein, um eine wirkliche Aussage zu machen. In Nyami Nyami gebe es mehr als 21 Dorfvorsteher und über 2000 Haushalte. Insgesamt sei für sie dieses Projekt ein Erfolg.

Ein Schild auf einem Feld
Ein Garten des Projekts. Tafadzwa Ufumeli

Immer mehr Elefanten im Garten

Zum Projekterfolg gehört, dass wieder mehr Elefanten im Gebiet lebten. Deren Sichtungen hätten sich verzehnfacht. Zu spüren bekommt das die Bevölkerung. Bauern in Nyami Nyami beklagen sich gegenüber SRF, dass Elefantenherden ihre Gärten plündern und Hütten zerstören würden. Die Bewohner:innen hätten sich dazu bekannt, die Elefanten zu schützen, und könnten sie nicht vertreiben oder töten.

Dafür wären eigentlich die Ranger von Carbon Green Africa angestellt. Doch das funktioniere oft nicht, sagt Wilson Nebiri, der Dorfvorsteher von Nebiri: «Wir verlangen, dass die Ranger und Scouts schnell reagieren, wenn Tiere auftauchen. Manchmal kommen sie erst drei, vier Tage später, wenn die Elefanten schon Häuser zerstört und manchmal auch Menschen getötet haben.»

Eine Bauruine in einem Dorf
Einem Schulgebäude im Projektgebiet fehlt das Dach. Tafadzwa Ufumeli

Carbon Green Africa schreibt dazu, dass diese Mensch-Tier-Konflikte zunehmen würden und dass sie immer versuchen, Hilfe anzubieten, wenn es die Ressourcen erlauben.

Wo sind die restlichen Millionen?

Wie viel Geld ist tatsächlich vor Ort angekommen – und wo sind die restlichen Millionen? SRF hat hunderte Seiten von Jahresberichten von South Pole analysiert. Dabei konnten nur Waren im Wert von wenigen hunderttausend Dollar ausgemacht werden, welche bis 2021 für die Communitys ausgegeben wurden. An einer transparenten Übersicht fehlt es.

Auf Anfrage schreibt South Pole, dass der Grossteil der Mittel für das Projekt erst ab 2019 verfügbar wurde, nachdem die Nachfrage nach Zertifikaten gestiegen war. Es seien derzeit viele Projekte in Umsetzung, für die zuvor keine Finanzierung verfügbar gewesen sei. Man habe nach zehn Jahren Arbeit mit dem Kariba-Projekt nichts gesehen, was darauf hindeutete, dass die Einnahmen nicht gemäss dem Verteilungsmodell verteilt würden. South Pole verfüge über zahlreiche Beweise für die Verwendung der Mittel in diesem Projekt. Für genauere Finanzflüsse müsse man aber den Besitzer der Projektfirmen vor Ort, den Unternehmer Steve Wentzel, fragen.

Der CEO von South Pole, Renat Heuberger, zu Gast bei «10 vor 10»:

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Steve Wentzel schickt auf Anfrage einen digitalen Ordner mit Dokumenten. Diese sollen gemäss Wentzel beweisen, dass alles Geld an die vorgesehenen Stellen verteilt würde. Doch die Dokumente belegen nur Geldflüsse für den Bruchteil der bis zu 40 Millionen, die es gemäss South Pole sein müssten.

Wentzel schreibt auf erneute Nachfrage, seine Firma sei privat und müsse der Öffentlichkeit nicht alles offenlegen; es sei ihm aber möglich, alle Geldflüsse zu belegen. Ob die Millionen der Zertifikate wie versprochen vollständig ihren Weg zur lokalen Bevölkerung finden, ist weiterhin unklar.

Unklar ist auch die Zukunft des Kariba-Projekts. South Pole stoppte bereits letzten Herbst den Verkauf dieser Zertifikate, um sicherzugehen, dass sie keine Zertifikate zu viel verkauften. Im Juni kündigteExterner Link die Regierung von Simbabwe an, auch einen Teil der Einkünfte der Kariba-Zertifikate erhalten zu wollen. Ein konkretes Gesetz soll in diesen Tagen verabschiedet werden.

Mitarbeit: Farai Shawn Matiashe, Tin Fischer

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