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Umstrittenes Schweizer Antiterrorismus-Gesetz

"Wir haben keine Angst", sagten die Franzosen bei einer Kundgebung zu Ehren der 12 Opfer des Angriffs auf die Redaktion der satirischen Zeitung Charlie Hebdo am 7. Januar 2015. Keystone / Ian Langsdon

Trotz Kritik aus der internationalen Gemeinschaft hat sich die Grosse Parlamentskammer am Dienstag darauf geeinigt, das Arsenal an Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu verstärken. Die Verschärfung beunruhigt einige Strafrechtler. "Anstatt den terroristischen Akt zu bestrafen, läuft es fast auf eine Bestrafung der blossen Absicht heraus", sagt Kastriot Lubishtani, Doktorand am Zentrum für Strafrecht der Universität Lausanne.

Obwohl die Schweiz von den Terroranschlägen, die Europa in den letzten Jahren heimgesucht haben, bisher verschont geblieben ist, will die Schweizer Regierung die Massnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus verschärfen. Das scheint gut anzukommen: Der erste Teil des Entwurfs überzeugte am Dienstag den Nationalrat (Grosse Parlamentskammer) trotz heftiger Kritik an der Vereinbarkeit mit den Menschenrechten.

Dieser Teil des künftigen Anti-Terrorismus-Gesetzes stärkt das Strafrecht und die internationale Zusammenarbeit gegen den Terrorismus. Unter anderem wird eine neue Strafbestimmung eingeführt, die Anwerbung, Ausbildung und Reisen zum Zwecke eines terroristischen Akts unter Strafe stellt.

«Wir geben einen Teil unserer Freiheit auf, damit wir uns ein wenig sicherer fühlen. Wir geben viel, um etwas weniger Angst zu haben. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber.»

Léonor Porchet, Grüne Partei

Ziel der Vorlage ist es, dass die Schweiz das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus ratifizieren kann, welches sie 2015 unterzeichnet hat. Ein löbliches Ziel, das von niemandem in Frage gestellt wird. Die Umsetzung stellt jedoch ein Problem dar, da die Schweiz weiter gehen will als im Abkommen vorgesehen.

Im Namen der Sicherheit

Auf der rechten Seite des politischen Spektrums begrüssten Parlamentarier und Parlamentarierinnen die Entschlossenheit des Projekts. «Worüber wir besorgt sind, ist die Sicherheit der Schweizer. Wenn es uns mit diesem Projekt gelingt, einen einzigen Anschlag zu verhindern, ein einziges Opfer zu verschonen, haben wir nicht umsonst gearbeitet», argumentierte Jean-Luc Addor, Abgeordneter der Schweizerischen Volkspartei (SVP / rechtskonservativ).

Maja Riniker der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen /Mitte-rechts) begrüsst die Verschärfungen im Strafgesetzbuch. «Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität und gegen terroristische Organisationen stellt die zuständigen schweizerischen Behörden vor besondere Herausforderungen, die über die aus der Umsetzung des Übereinkommens mit dem dazugehörigen Zusatzprotokoll entstehenden Verpflichtungen hinausgehen», sagte sie. Die Einführung der Strafbestimmung, die im Vorfeld einer geplanten terroristischen Handlung das Anwerben, das Ausbilden und das Reisen abdecke, sei für die FDP äusserst zentral.

«Wenn es uns mit diesem Projekt gelingt, einen einzigen Anschlag zu verhindern, haben wir nicht umsonst gearbeitet.»

Jean-Luc Addor, SVP

Linke Politiker und Politikerinnen hingegen sind beunruhigt, dass Personen verurteilt werden können, bevor sie eine Straftat begangen haben. «Man könnte ohne objektive Beweise einfache Äusserungen, überlieferte Gespräche, verdächtige Reisen oder subjektive Gefühle verurteilen. Wann kommt es zu Verurteilungen von Gesichtsmienen, Stigmatisierung bestimmter religiöser Praktiken oder die Verurteilung dessen, was die Leute in Bars sagen?», fragte der sozialdemokratische Abgeordnete Pierre-Alain Fridez.

Die grüne Politikerin Léonore Porchet prangerte ein falsches Sicherheitsversprechen an und wies darauf hin, dass das Strafgesetzbuch in 13 Jahren 60 Anpassungen erfahren habe. «Wir geben einen Teil unserer Freiheit auf, damit wir uns ein wenig sicherer fühlen. Wir geben viel, um etwas weniger Angst zu haben. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber», klagte sie.

Die Anschläge des IS vom 13. November in Paris forderten mehr als 120 Tote. Keystone / Ian Langsdon

Risiko von unschuldig Verurteilten

Das Schweizer Anti-Terrorismus-Gesetz hat bereits den Zorn vieler Experten und Expertinnen im In- und Ausland auf sich gezogen.

Kastriot Lubishtani, Doktorand am Zentrum für Strafrecht der Universität Lausanne, ist einer von ihnen. Er kritisiert insbesondere die Möglichkeit der Verurteilung, bevor überhaupt eine Straftat begangen wird. «Man will eine Person kriminalisieren, die einen Bus nimmt und dann in einen Zug steigt, um in einem anderen Land für den Dschihad zu trainieren, oder den Kauf einer Substanz, die vielleicht zusammen mit anderen Produkten in unbestimmter Zukunft zur Herstellung einer Bombe verwendet werden könnte. Das ist weit entfernt von dem Akt, den wir zu verhindern versuchen», stellt er fest.

Das Risiko: harmloses Verhalten und unschuldige Menschen zu verurteilen. «Man geht von einer Absicht aus, ist sich aber nicht sicher. Statt die Tat zu bestrafen, bestraft man sozusagen die Absicht», sagt er.

Um dies zu vermeiden, hat Deutschland eine Rechtsprechung entwickelt, die auf dem Verhalten des Täters basiert. «Es muss durch konkrete Beweise nachgewiesen werden, dass der Täter fest zu handeln entschlossen ist, um ihn verurteilen zu können», so Lubishtani. Laut dem Forscher kann damit die sehr weit gefasste Natur der Straftat eingeengt werden.

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Ein unpräzises Gesetz

Die Unschärfe im Zusammenhang mit dem Begriff der terroristischen Organisation könnte laut dem Doktoranden ebenfalls eine Problemquelle sein. Es wird keine Ausnahme für demokratische Befreiungsbewegungen gemacht, die von den autoritären Mächten in ihrem Land als terroristisch betrachtet werden. «Wir müssen uns fragen, ob die Schweiz Bewegungen kriminalisieren will, die in ihrem Land Ziele verfolgen, die wir für legitim halten. Wir riskieren, uns von dem Ziel des Schutzes der Bevölkerung zu entfernen, indem wir indirekt politische Regimes in unserem Strafrecht schützen», so Lubishtani.

Viele NGOs haben sich gegen das Anti-Terrorismus-Gesetz ausgesprochen. Und nicht nur diese: Im vergangenen Mai schrieb das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte an die Schweizer Regierung, um sie vor einem unpräzis formulierten Text zu warnen. Der Entwurf wurde auch von der Menschenrechtskommissarin des Europarates kritisiert: In einem Brief an die parlamentarische Kommission für Sicherheitspolitik des Nationalrats hält Dunja Mijatovic mehrere Bestimmungen aus menschenrechtlicher Sicht für problematisch.

Die Debatte ist noch nicht beendet, da der Nationalrat am Donnerstag den zweiten Teil des Entwurfs diskutieren wird, der noch umstrittener ist als der erste. Das Paket sieht die Einführung neuer polizeilicher Massnahmen vor, um potenzielle Terroristen an der Ausübung ihrer Aktivitäten zu hindern.

(Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi)

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