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Umweltschädlicher Filz: Schweizer Institut kämpft gegen «grüne Korruption»

Arbeiter entladen einen Lastwagen mit Holz
Arbeiter entladen einen Lastwagen mit Holz, das unter verdächtigen Umständen in Burkina Faso gekauft wurde. Patrick Tombola/laif/Keystone

Die Umweltkrise hat das Thema "grüne Korruption" auf die globale Agenda gesetzt. Gemeint sind damit kriminelle Machenschaften, die der Umwelt und der biologischen Vielfalt schaden. Obwohl Korruption schon lange den Umweltschutz untergräbt, war das Basel Institute on Governance eine der ersten Institutionen, die Alarm schlugen.

Basel steht im Zentrum der weltweiten Bemühungen, gegen Korruption und Finanzkriminalität vorzugehen, die Umweltverbrechen möglich und lukrativ machen. Hier befindet sich die Nonprofit-Organisation Basel Institute on Governance, deren Bemühungen gegen dieses Phänomen immer mehr Fahrt aufnehmen.

Auf der Internationalen Anti-Korruptionskonferenz (IACC), die im Dezember 2022 in der US-Hauptstadt Washington D.C. stattfand, widmeten sich mehrere Sitzungen der grünen Korruption – zum ersten Mal. Sie zogen ein grosses Publikum an.

Während der einwöchigen Konferenz rief das Basler Institut gemeinsam mit Transparency International, dem World Wide Fund for Nature (WWF) und «TRAFFIC» ein Forum für FachkräfteExterner Link ins Leben. Mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Organisationen zu fördern, die sich für den Umweltschutz und die Korruptionsbekämpfung einsetzen.

Juhani Grossman leitet seit 2020 das Programm «Grüne Korruption»Externer Link des Basel Institute on Governance. Er ist verantwortlich für die Untersuchung und Bekämpfung von Korruption und Finanzkriminalität im Zusammenhang mit dem illegalen Handel mit Wildtieren, Forst- und Holzprodukten, Fischerei und Bergbau sowie illegalem Abfallhandel.

SWI swissinfo.ch: Wie geht das Basler Institut gegen grüne Korruption vor?

Juhani Grossman: Der Grossteil unserer Arbeit konzentriert sich auf den Aufbau von Kapazitäten in unseren Partnerländern. In Lateinamerika arbeiten wir derzeit mit Behörden in Peru und Bolivien zusammen – und ab 2023 auch mit Ecuador. Ausserdem arbeiten wir erfolgreich zusammen mit den Behörden in Uganda, Malawi und Indonesien.

«Wir verfolgen einen dreigleisigen Ansatz», sagt Juhani Grossman. «Der erste konzentriert sich auf die Durchsetzung der Vorschriften und zielt darauf ab, die nationalen Behörden zu stärken, die mit der Bekämpfung von Korruption und Umweltkriminalität beauftragt sind, nachdem solche Verbrechen bereits stattgefunden haben.

Wir helfen diesen Behörden, die Finanzströme im Zusammenhang mit der Umweltkriminalität zu verfolgen und diejenigen zu finden, die wirklich von der Zerstörung unserer Umwelt profitieren.

Die zweite Säule zielt darauf ab, Korruption im Umweltbereich von vornherein zu verhindern. Zum Einsatz kommt dabei unser internes Fachwissen in Bezug auf die Einhaltung von Vorschriften und die Korruptionsprävention.

Unsere Teams helfen dabei, die Kapazitäten von Umweltbehörden und staatlichen Unternehmen im Rohstoffsektor aufzubauen, damit sie ihre eigenen Korruptionsrisiken in den Griff bekommen.

Das dritte Projekt befasst sich mit dem Wissensmangel darüber, wie sich Korruption im Umweltsektor manifestiert. Unsere Forschung hilft, diese kritische Lücke zu schliessen.»

Juhani Grossman
Juhani Grossman leitet das Programm «Grüne Korruption» des Basel Institute on Governance. Basel Institute on Governance

Können Sie uns ein konkretes Beispiel für grüne Korruption nennen?

In einem lateinamerikanischen Land wurde ein Fischkutter beim illegalen Fischfang erwischt. Der Eigentümer des Schiffs zahlte eine geringe Geldbusse – und setzte dann sofort die illegale Fischerei fort.

Das ist sowohl frustrierend als auch sehr repräsentativ für die gesetzlichen Reaktionen, die in vielen Ländern üblich sind, in denen wir tätig sind.

In diesem Fall haben wir mit der Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet, um zusätzliche Möglichkeiten zur Bestrafung dieser Person zu prüfen.

Wir rieten ihnen, von einer Rechtsvorschrift Gebrauch zu machen, die es ermöglicht, die bei der Begehung einer Straftat verwendeten Werkzeuge durch die Regierung beschlagnahmen zu lassen – in diesem Fall den Fischkutter.

Wir mussten keine kriminellen Verstösse des Eigentümers oder des Kapitäns des Kutters nachweisen. Das ist normalerweise sehr schwierig. Wir mussten lediglich nachweisen, dass der Fischkutter selbst für illegale Tätigkeiten benutzt wurde.

Das konnten wir mit Hilfe der GPS-Koordinaten des Fischkutters und einer Überlagerung dieser GPS-Koordinaten mit der topografischen Karte in Küstennähe beweisen.

Der nächste Schritt wäre eine Untersuchung der finanziellen Aspekte des Fischereibetriebs, um festzustellen, wer wirklich von der illegalen Fischerei profitiert hat und wie. Dabei könnten auch Bestechungsgelder aufgedeckt werden, die an Hafenbeamte und Inspektoren gezahlt wurden, damit sie ein Auge zudrücken.

In vielen Fällen stellt sich heraus, dass scheinbare Einzelfälle von illegalem Fischfang oder Wilderei Teil eines weitaus grösseren kriminellen Netzwerks sind, in das lokale und manchmal auch nationale Amtspersonen verwickelt sind.

Nimmt die grüne Korruption zu?

Ob die Korruption im Umweltbereich zunimmt, ist schwer zu messen. Aber die Menge an Geld, die in Projekte im Zusammenhang mit dem Klima oder der biologischen Vielfalt fliesst, bedeutet, dass sie definitiv zunehmen wird, wenn wir sie nicht in den Griff bekommen.

Auch die steigende Nachfrage nach so genannten Übergangsmetallen, die für die Elektrifizierung benötigt werden, macht die Korruptionsprävention noch wichtiger – gerade im Bergbausektor.

Nimmt die Zahl der Fälle zu, in denen die Strafverfolgungsbehörden tätig werden? Ja, aber das ist eine gute Sache: Die Regierungen nehmen grüne Korruption zunehmend ernster, ebenso wie Entwicklungsorganisationen und andere Hilfsorganisationen.

Zahlt der globale Süden für die Umweltverbrechen des globalen Nordens?

Das ist zwar teilweise richtig, aber das Bild ist viel komplexer. Der nicht nachhaltige oder illegale internationale Handel mit natürlichen Ressourcen geht in der Regel von ressourcenreichen, aber wirtschaftlich armen Ländern in wohlhabendere Länder. Wobei die ersteren unter der Umweltzerstörung leiden.

Viele der Lieferketten verlaufen jedoch nicht nur von Süden nach Norden, sondern auch von Süden nach Osten oder von Norden nach Süden, etwa beim Abfallhandel. Kriminelle Unternehmen mit Sitz im globalen Süden sind stark in dieses illegale «Geschäft» involviert und orchestrieren die globalen Handelsrouten.

Wir sind zwar diejenigen, die den Grossteil der illegal gehandelten Waren konsumieren. Und unsere Nachfrage erzeugt natürlich auch das Angebot. Aber die Gleichung ist nicht so einfach.

Erzählen Sie uns etwas mehr über die Korruption bei der Abfallentsorgung.

Ein Teil der Abfälle, die im Westen rezykliert werden, wird in Wirklichkeit gar nicht rezykliert. Stattdessen wird er illegal – mit Hilfe von Bestechungsgeldern und, ähnlich wie in einem Fall in ItalienExterner Link, mit Hilfe des organisierten Verbrechens – in ärmere Länder verbracht.

Dort gibt es oft keine sehr strengen Richtlinien für die Abfallbewirtschaftung. Oder sie werden dort, wo es solche Richtlinien gibt, nicht durchgesetzt. Die Einfuhrbeschränkungen werden leider oft mit Bestechung umgangen.

Wie viel kostet die grüne Korruption die Weltwirtschaft?

Es gibt sehr unterschiedliche Kostenschätzungen. Sie sprechen von Dutzenden oder gar Hunderten von Milliarden, die jedes Jahr in Form von illegalen Finanzströmen im Zusammenhang mit verschiedenen natürlichen RessourcenExterner Link fliessen.

Es gibt Forderungen, die negativen Auswirkungen von Umweltkriminalität zu beziffern, damit sie ernster genommen werden. Es ist jedoch schwierig, den Schaden für die Umwelt, die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit zu beziffern.

Zwar gibt es zunehmend Bemühungen, diesen Schaden in Geldwerten auszudrücken. Doch diese sind noch nicht allgemein verbreitet. Das führt dazu, dass Umweltkriminalität unterbewertet wird und somit keine Priorität erhält.

Sind die Korruptionsrisiken im Bereich der erneuerbaren Energien anders?

Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien bergen viele Korruptionsrisiken. Nicht zuletzt, weil sie mit hohen Investitionssummen verbunden sind. Je mehr von ihnen entstehen, desto mehr Skandale werden wir meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang sehen.

Einige überschneiden sich mit bestehenden Hochrisiko-Sektoren. Wasserkraftwerke zum Beispiel leiden unter den bekannten Korruptionsrisiken des Infrastruktursektors. Solar- und Windenergieprojekte leiden eher unter den Risiken des Technologiesektors.

Die Beschaffung der spezifischen Metalle und seltenen Erden, die für den Bau solcher Anlagen erforderlich sind, ähnelt dem Risikoprofil der Bergbauindustrie. Denn diese werden zunehmend knapp und sind daher umkämpft und anfällig für Korruption.

Wenn also neue Akteure in diese Märkte eintreten, müssen wir sicherstellen, dass auch ihre Systeme zur Korruptionsprävention auf dem neusten Stand sind. Zumal sie wahrscheinlich schnell gewachsen und daher einem grösseren Korruptionsrisiko ausgesetzt sind.

Welches sind die erfolgreichsten Strategien zur Korruptionsbekämpfung, wenn es um den Schutz der Umwelt geht?

Vor zweieinhalb Jahren gab es ausserhalb unserer Partnerorganisationen im Programm «Targeting Natural Resource Corruption»Externer Link kaum Aufmerksamkeit für diesen Bereich. Jetzt haben wir so viel Interesse von Seiten der Naturschutz- und Anti-Korruptions-Gemeinschaft gesehen, dass wir in der Lage waren, eine ganze Arbeitsgemeinschaft mit drei der weltweit führenden Organisationen in diesem Bereich ins Leben zu rufen.

Auch auf der IACC im Dezember stiess dieses Thema auf grosses Interesse. Das ist sehr aufregend, aber es ist alles noch ganz neu. Jede Einschätzung darüber, was erfolgreich ist und was nicht, wäre sicherlich verfrüht.

Auf der Seite der Strafverfolgung sind die «Follow-the-money»-Ansätze sehr vielversprechend. Nicht nur, um herauszufinden, woher die Mittel für die illegalen Aktivitäten stammen. Sondern auch, weil die Verfolgung des Geldes zur Spitze dieser kriminellen Organisationen führt.

Bislang waren die Verantwortlichen nur selten das Ziel von Strafverfolgungsmassnahmen. Wir wollen dazu beitragen, dies zu ändern, wie wir es bereits seit über einem Jahrzehnt im Bereich der Vermögensabschöpfung tun.

Die Möglichkeit, entweder die Werkzeuge des Verbrechens zu beschlagnahmen, wie wir es etwa mit dem erwähnten Fischkutter getan haben, oder die Gewinne selbst, ist sowohl verheerend für diese kriminellen Syndikate als auch ein relativ einfacher Ansatz zur Durchsetzung.

Einen besonders vielversprechenden Ansatz halte ich in der Prävention die Stärkung der institutionellen Immunität von Umweltbehörden und staatlichen Unternehmen in den Naturressourcensektoren gegen Korruption. Denn dieser Bereich ist derzeit am wenigsten weit entwickelt.

Wir arbeiten eng zusammen mit visionären Umweltbehörden in Peru, Malawi und Indonesien, um genau das zu erreichen. Diese Einrichtungen haben verstanden, dass die Gesellschaft die Korruption im Umweltsektor niemals in den Griff bekommen wird, wenn sie ihre internen Korruptionsrisiken nicht besser in den Griff bekommt.

Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

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