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Unternehmenssteuer-Reform – ein «Big Bang» für die Schweiz?

Die Unternehmenssteuerreform wird noch viel zu reden geben und die Gemüter erhitzen. Keystone

Attraktiv bleiben und ausländische Unternehmen im Land behalten, gleichzeitig aber die kantonalen Steuerprivilegien für Holdings und Spezialgesellschaften abschaffen: Mit der Unternehmenssteuer-Reform III will der Bundesrat das Schweizer Steuersystem aus der internationalen Schusslinie nehmen. Laut der Schweizer Presse ein Mammutprojekt, gar eine Revolution.

Die Genfer Zeitung Le Temps spricht von einem «fiskalen Schock» auch für die Unternehmen, von einem «fiskalen Big Bang» der Corriere del TicinoTribune de Genève + 24heures von einer «Revolution bei der Unternehmenssteuer».

Die Reform ist dringend, denn seit 2005 steht die Schweiz im Zwist mit der EU und OECD über Steuerprivilegien, die ihre Kantone gewissen Holdings und anderen mobilen Geschäftstypen gewähren. Diese Privilegien will der Bundesrat nun mit seiner Reform, die er am Montag in die Vernehmlassung geschickt hat, abschaffen.

Tiefgreifender Umbau des schweizerischen Steuersystems

Das Projekt ist ehrgeizig, die Herausforderung gross: Denn einerseits müssen internationale Standards befolgt werden, auf der anderen Seite soll die Schweiz wettbewerbsfähig und attraktiv bleiben, damit die rund 20’000 Unternehmen, die von den Privilegien profitieren, nicht abwandern. Zudem darf der Bundeshaushalt nicht zu sehr leiden.

Um die Unternehmen nicht zu vertreiben, will der Bundesrat neue Instrumente einführen. Im Vordergrund steht die so genannte Lizenzbox, das ist eine privilegierte Besteuerung von Erträgen aus geistigem Eigentum wie etwa Patenten. Der Bundesrat will den Kantonen die Höhe der Entlastung dieser Gewinne freistellen, doch darf diese höchstens 80 Prozent betragen. Lizenzboxen werden auch in EU-Staaten praktiziert, gelten aber als umstritten.

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Vorgesehen ist auch eine massive Senkung der Unternehmensgewinnsteuern. Der Bund geht davon aus, dass der Steuersatz durchschnittlich von 21,8 Prozent auf 16 Prozent sinken wird.

Die Reform sieht auch eine neue Steuer vor: die 2001 von Volk und Ständen verworfene Kapitalsteuer. Diese Kapitalgewinnsteuer, welche vor allem auf die Aktionäre zielt, soll 300 Millionen Franken einbringen. Die Reform dürfte den Bund 2 Milliarden kosten.

Finanzhoheit der Kantone bleibt

Die Kommentare in den Zeitungen reichen von «Brauchbarer Vorschlag» über «Bunter Strauss an Steuermassnahmen» bis hin zu «Kapitale Dummheiten».

Laut der Neuen Zürcher Zeitung handelt es sich «um ein breit assortiertes Bukett, das ein bisschen etwas von allem enthält. Manch schöne und auch ein paar eher unansehnliche Gewächse hat der Bundesrat zusammengebunden.

Als schönstes Stück sticht ins Auge, dass der Bund die Steuer- und Finanzhoheit der Kantone nicht anzutasten plant. Es bleibt Sache jedes einzelnen Kantons, auf einen möglichen Wegzug von Firmen zu reagieren und das Steuerniveau anzupassen. Das ist richtig: Auch weiterhin sollen die Kantone ihre Steuersätze autonom bestimmen können.»

Brauchbare Vorschläge

Weil die internationale Akzeptanz für bisherige Steuergeschenke massiv gesunken sei, habe die Schweiz handeln müssen, heisst es im Kommentar der Aargauer Zeitung, der Solothurner Zeitung und der Südostschweiz. «Nichts tun, wie dies etwa die SVP trotzig fordert, ist ein schlechter Rat. Das unwürdige Rückzugsgefecht beim Bankgeheimnis lehrt uns, dass vorausschauend handeln sollte, wer internationale Entwicklungen beeinflussen will. Es geht nicht um einen Kniefall der Schweiz. Es geht darum, weltweit verbindliche Regeln in Sachen Besteuerung von Unternehmen festzulegen.»

Der Kommentator nennt die präsentierten Vorschläge brauchbar. «Sie sind unter dem Strich ein intelligenter Mix zwischen Steuerausfällen und neuen Einnahmen. Auch ist es dem Bundesrat einigermassen gelungen zu verhindern, dass am Schluss die Privathaushalte die Zeche für tiefere Gewinnsteuern für Firmen bezahlen müssen.»

Gegen Unternehmenssteuer

Kein gutes Haar lässt die Basler Zeitung an der bundesrätlichen Steuerreform. Sie kritisiert nicht nur die Lizenzboxen, sondern die Unternehmenssteuer als solche: «Wer Unternehmensgewinne besteuert, vernichtet Geld, das sonst in die Firma und ihre Mitarbeiter investiert oder den Aktionären für ihr Risiko ausgeschüttet würde.  Es ist banal: Die beste Unternehmenssteuer für das Allgemeinwohl wäre gar keine Unternehmenssteuer.»

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Hart urteilt die BaZ auch über die vorgeschlagene Kapitalgewinnsteuer. «Sie vernichtet die Dynamik ­unserer Marktwirtschaft, die auf dem Sparprinzip beruht: Ersparnisse des einen werden von ihm persönlich oder seiner Bank in die gute Geschäftsidee des anderen investiert. Für ein Land ohne Rohstoffe ist die Kapitalgewinnsteuer eine kapitale Dummheit.»

Die Reform muss gelingen

Der Bund und der Tages-Anzeiger sehen das Problem darin, dass es der Schweiz schwer falle, die Geister, die sie gerufen habe, wieder loszuwerden. «Von der Privilegierung der Konzerne kann sie sich nicht ganz lösen, weil diese auf Bundesebene mittlerweile mit vier Milliarden Franken die Hälfte der Gewinnsteuern beitragen. Gleichzeitig gelingt es nicht mehr, ein Päckli zu schnüren, das für alle einen Trumpf enthält.»

Die beiden Zeitungen sehen eher schwarz für das Reformpaket, denn schon heute stosse es auf Ablehnung: «Die Linke wehrt sich gegen die generellen Steuersenkungen für Firmen, welche die Kantone beschliessen sollten. Die Rechte läuft Sturm gegen eine Abgabe auf Kapital­gewinnen, die einen Teil der drohenden Milliardenausfälle aufwiegen soll. Gut möglich ist deshalb, dass das Reformpaket im Parlament oder an der Urne Schiffbruch erleiden wird.

Auch die NZZ ist sich nicht so sicher, dass die Vorschläge der Regierung eine Chance haben. Ein Scheitern der Reform fände sie dennoch verhängnisvoll. «Die Gefahr besteht aber durchaus. Der üppige Blumenstrauss des Bundesrats wird wohl noch gehörig zerzaust werden. Das muss nicht nur schlimm sein. Unerlässlich ist aber, dass am Schluss eine tragfähige Reform resultiert.»

Die Kantone haben vorerst zurückhaltend auf die Unternehmenssteuerreform III reagiert. In den grossen Zügen wird die Reform aber begrüsst, auch wenn teilweise weitergehende Massnahmen gefordert werden.

Die Basler Regierung befürwortet die in der Unternehmenssteuerreform III vorgesehene Einführung einer Lizenzbox. Die Lizenzbox werde zwar innerhalb der OECD diskutiert, solange sie aber in anderen Ländern fortbestehe, müsse auch die Schweiz nachziehen. Gefordert werden zudem Ausgleichsmassnahmen des Bundes an die Kantone. Die Basler Regierung verlangt vom Bund eine stärkere Erhöhung des Kantonsanteils an der Bundessteuer der juristischen Personen, als dies vorgeschlagen wurde. Dieser soll nicht 20,5 Prozent betragen, sondern mindestens 25 Prozent.

Für die Zürcher Finanzdirektion ist noch unklar, wie sich die geplante Unternehmenssteuerreform des Bundes auf den Kanton auswirken wird. Zwar sei man von der geplanten Abschaffung der Steuerprivilegien für Holding- und andere Gesellschaften «auf den ersten Blick weniger stark betroffen als andere Kantone». Von den durch die vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen verursachten Einnahmenausfällen sei der Kanton aber «überdurchschnittlich betroffen». Grund dafür sei der vergleichsweise hohe Anteil der Unternehmenssteuern an den Staatssteuern von 20 Prozent.

Die Genfer Finanzdirektion beurteilt die Unternehmenssteuerreform zwiespältig. Die Kompensation der Steuerausfälle pro Rata der direkten Bundessteuer begrüsst er. Das sei besser, als ursprünglich angekündigt. Genf habe immer gesagt, dass Kompensations-Massnahmen notwendig seien, um das den ausländischen Unternehmen aufgezwungene Steuerstatut zu ersetzen. Die Lizenzboxen seien eine Möglichkeit, auch wenn sie für den Kanton Genf nicht besonders gut anwendbar seien. Steuersenkungen würden deshalb unumgänglich.

Für den Kanton Waadt geht die Reform im grossen und ganzen in die richtige Richtung. Es müsse aber jetzt der Turbo eingeschaltet werden, um sie umzusetzen, weil sie nach der Abstimmung vom 9. Februar über die Zuwanderungsinitiative an Bedeutung gewonnen habe. Die Reform sei unumgänglich für die Schweiz, weil andere Länder eine sehr aggressive Steuerpolitik betrieben, um Unternehmen in ihren Ländern zu umgarnen. 


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