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Vermarktung von Luxusuhren in China braucht Zeit

Die Schauspielerin Zhang Ziyi – chinesische Note für einen Schweizer Uhrenmacher aus dem Spitzensegment. Reuters

Der Verkauf von Schweizer Luxusuhren in China, wo es immer mehr Millionäre gibt, mag nach einem einfachen Geschäft tönen, doch der chinesische Markt weist seine eigenen Besonderheiten auf. Und nicht alle Reichen im Land verstehen unter Luxus dasselbe.

Schweizer Uhrenexporte nach China sind 2010 deutlich angestiegen. Vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Zahl der Reichen dürfte der Trend vorerst andauern.

Von den Schweizer Uhrenexporten im Wert von insgesamt 16,2 Mrd. Franken im Jahr 2010 entfielen 1,1 Mrd. Franken auf China. Dies entspricht einem Wachstum von 57% gegenüber 2009.

Der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie in Biel bezeichnete die Entwicklung als «besonders dynamisch». China rückte damit auf der Rangliste der Abnehmer um drei Plätze auf Rang vier vor – nach Hong Kong, den USA und Frankreich.

Doch wie überzeugt man einem chinesischen Konsumenten, der das Geld dazu hat, eine Schweizer Luxusuhr zu kaufen? Und welche Marken sind attraktiv für potentielle Käufer?

Diese Fragen sind zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Schweizer Uhrenmacher auf die jährliche Uhrenmesse Baselworld vorbereiten, von erhöhtem Interesse. Die Messe gilt als Schauplatz der globalen Uhren- und Juwelenindustrie.

Um solchen Fragen rund um den Markt in China nachzugehen, organisierte die Universität Neuenburg jüngst eine Veranstaltung mit einem ihrer Forscher und zwei chinesischen Marketing-Expertinnen.

Gutes Gedächtnis

Was einem als erstes auffällt ist, dass es wichtig ist, zu den ersten auf dem Markt zu gehören, und dass Chinesen ein gutes Gedächtnis haben.

«Die erste Fernseh-Reklame für eine Markenuhr in China war für eine Rado (aus der Schweiz). Damals (1979) dachten alle, dies sei etwas Neues. Es war schon damals (nur) etwas für Leute, die in Shanghai lebten», erklärt Tingting Mo, Forschungsstipendiatin an der IAE Graduate School of Marketing im französischen Aix-en-Provence, gegenüber swissinfo.ch.

«Es war damals die am stärksten vom Westen beeinflusste Stadt in China und steht bis heute an der Spitze dieses Trends. Wer eine Uhr kaufen wollte, musste nach Shanghai gehen, denn anderswo gab es keine entsprechenden Läden. Sie können sich daher vorstellen, wie wertvoll eine Uhr war.»

Bis heute ist die Marke Rado in China populär und steht auf der Rangliste von bevorzugten Luxusgütern weit oben.

Snobs und Pragmatiker

Bei ihren Untersuchungen kam Mo zum Schluss, dass der Uhrenmarkt in China in verschiedene Kunden-Segmente unterteilt werden kann: Dazu gehören Konformisten, Trend-Jünger, Snobs, Pragmatiker und die, die sich gerne etwas gönnen.

Mo erklärt, dass Schweizer Uhrenmacher zum Beispiel die Produktion limitierter Auflagen in Betracht ziehen sollten. Dies würde für einige Chinesen den Wert einer Uhr bekräftigen.

Auch argumentiert Mo, dass die Schweizer Uhrenmacher nicht nur in offensichtlichen Städten wie Beijing, Shanghai oder Guangzhou Präsenz markieren sollten, sondern ihren Blick auch auf Städte im zweiten oder dritten Glied wie Kunming ausweiten sollten.

Für Yi Xie, Marketing-Professorin an der University of International Business and Economics in Beijing, sind Verständnis und Kenntnis des chinesischen Marktes Schlüsselelemente.

«Die Konsumenten in China wandeln sich stetig. Es ist wichtig, dass man versucht, sich in sie hineinzuversetzen. Man muss sich klar sein, dass es Millionen Konsumenten im Norden, im Süden, Osten und Westen Chinas gibt. Und die Menschen denken unterschiedlich, benehmen sich unterschiedlich und kaufen unterschiedliche Dinge», erklärt sie im Gespräch mit swissinfo.ch.

«Früher kauften sie vielleicht am ehesten die teuersten Dinge, da sie nicht wirklich wussten, was gut war. Sie konnten eine Uhr nicht wirklich einschätzen. Heute schauen sie eher auf die Persönlichkeit einer Uhr, auf ihre Kultur und Geschichte statt auf den Preis.»

Markenname

Marketing-Fachleute müssen sich auch mit der Frage befassen, wie ein Markenname in China ankommt. Muss er zum Beispiel übersetzt werden? Falls ja, wie? Phonetisch oder semantisch, oder eine Mischung der beiden? Es ist ein komplexer, aber wichtiger Faktor, will man die Bekanntheit einer Marke steigern.

«Die Schweizer Uhrenindustrie sollte auf jeden Fall einige chinesische Elemente in Betracht ziehen, vor allem kulturelle Faktoren», erklärt seinerseits Nicolas Hanssens, Forschungsstipendiat der Universität Neuenburg, gegenüber swissinfo.ch.

«Beim Einstieg in den Markt muss man jedoch auch auf eine gewisse Ausgewogenheit achten, man sollte nicht ganz chinesisch werden.» Seine Argumentation ist einfach: «Es geht um eine Schweizer Marke, die für etwas Geheimnisvolles steht. Und es ist wichtig, diesen Teil der DNS des Unternehmens zu bewahren.»

Hanssens denkt, dass jede Marke ihre eigene Stellung hat und über die Entwicklung ihrer eigenen Strategie für den chinesischen Markt nachdenken sollte.

Einige Marken sollten dies auf intensive Art und Weise tun, erklärt er. Dazu gehörten Übersetzungen von Markennamen ins Chinesische, oder der Einbezug chinesischer Berühmtheiten in Fernseh- und Print-Inseraten oder bei Grossveranstaltungen in Beijing und anderen wichtigen Städten.

«Etwas, das wir immer vergessen, wenn wir hier in Neuenburg oder in Genf Uhren produzieren, ist, dass wir in der Uhrenindustrie unsere eigene Kultur haben. Und dass es für andere Leute schwierig sein kann, zu verstehen, was hinter einem Markennamen steht, vor allem in einem neuen Markt wie China», erklärt Hanssens.

In China, einem Land mit einer Bevölkerung von schätzungsweise rund 1,3 Milliarden Menschen, gibt es etwa 875’000 Multimillionäre sowie 55’000 Milliardäre.

Die Multimillionäre besitzen im Durchschnitt drei Autos und 4,4 Luxusuhren.

Die Milliardäre besitzen im Durchschnitt vier Autos und 5 Luxusuhren.

China hat im Jahr 2009 die USA beim Luxusgüter-Konsum überholt – mit einem Anteil von 27,5% am weltweiten Luxusgüter-Markt. Es wird damit gerechnet, dass China bis 2015 Japan auf dem Spitzenplatz ablösen wird.

China ist der «jüngste» Luxusgütermarkt. 80% der Konsumentinnen und Konsumenten sind unter 45 Jahre alt.

Das Durchschnittsalter der Reichsten: 60 Jahre in Europa, 47 Jahre in China (Quelle: World Wealth Report 2006)

2010 sank das Durchschnittsalter der Reichen auf 39 Jahre.

Chinesische Multimillionäre investieren vor allem in Sammlungen. Diese umfassen unter anderem:

Uhren/Juwelen: 44%

Historische Kalligraphien und Gemälde:15%

Wein: 13%

Autos: 12%

Zeitgenössische Kunst: 7%

(Recherche: Tingting Mo)

Rolex, Omega und Cartier: Dies waren die Schweizer Luxusmarken, deren Uhren Chinesen 2010 am ehesten kaufen würden.

Gefragt nach ihren bevorzugten Luxusmarken gaben die Chinesen folgende Marken an: Patek Philippe, Cartier, Rado, Omega, IWC, Tissot, Longines, Jaeger-LeCoultre, Piaget, Montblanc, Chopard und TAG Heuer.

(Recherche: Yi Xie und Nicolas Hanssens)

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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