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Warme Betten braucht das Land

Das Rocksresort in Laax: Wer hier eine Wohnung kauft, muss sie vermieten lassen. swissinfo.ch

In den Schweizer Tourismusstationen hat es zu viele Betten und zu wenig Gäste. Kalt sind die Betten nicht nur in zahlreichen Zweit-, sondern auch in etlichen Ferienwohnungen. Zu den Ausnahmen gehören Reka-Feriendörfer und gewisse Resorts.

Während sich die Anzahl (kalter) Betten in den letzten Jahren vielerorts fast exponentiell erhöhte, stagnierte oder schrumpfte in zahlreichen touristischen Regionen die Gästezahl. Vom Zweitwohnungsboom hat hauptsächlich das lokale Baugewerbe profitiert, während die meisten andern Einheimischen vor allem die Nachteile zu spüren bekamen. Ziel einer gesunden touristischen Entwicklung müsste es deshalb sein, aus kalten Betten warme zu machen.

Alles aus Gurtners Hand

Zu den wenigen Anbietern mit einer hohen Auslastung gehört das Rocksresort im Bündner Bergdorf Laax. Die Feriensiedlung mit bisher acht würfelförmigen Bauten aus Valser Quarzit und rund 130 Wohnungen gehört zur «Weisse Arena Gruppe», dem Imperium von Reto Gurtner.

Als Mehrheitsaktionär, Präsident des Verwaltungsrats und Vorsitzender der Geschäftsleitung kontrolliert der «Laaxer Dorfkönig», wie er von vielen in der Region genannt wird, nicht nur die Bergbahnen AG, sondern auch 4 Hotels, 38 Gastrobetriebe, Sportartikelgeschäfte, Ski- und Snowboardschulen und sogar die Vermarktung der über die Landesgrenzen hinaus bekannten Destination Flims-Laax-Falera.

Die Unternehmungen sollen «dem Gast bieten, was er für seine Ferien braucht», und zwar «alles aus einer Hand», heisst denn auch das Leitmotiv des Geschäftsmodells. Angesprochen wird ein zahlungskräftiges Zielpublikum, das in den Bergen kein stilles Naturerlebnis, sondern Fun und Action im Snow-Park, in der Half-Pipe oder in der Freestyle-Indoor-Base sucht.

«Reto Gurtner ist ein Macher, der polarisiert. Seine Entscheidungen werden nicht immer ganz harmonisch aufgenommen «, sagt seine Kommunikationschefin Katja Kamps gegenüber swissinfo.ch. «Es gibt Leute, die es lieber beschaulich und still hätten.» Gurtners Ziel sei es aber, mehr Gäste herzubringen und die Betten zu füllen.

Und dies gelinge ihm auch mit seinem jüngsten Werk, dem Rocksresort. «Die Auslastung gibt uns recht», rühmt die gebürtige Hamburgerin das spezielle Konzept «Buy to use and let»: Wer ein Appartement kaufen will, darf dieses in der Hochsaison während höchstens drei Wochen selber nutzen. In der übrigen Zeit wird es vermietet. Die Mieteinnahmen sämtlicher Wohnungen landen in einem Pool und werden anteilsmässig an die Besitzer verteilt, die weder mit der Vermietung noch der Verwaltung etwas zu tun haben.

Eine 4-Betten-Wohnung von rund 60m2 wird derzeit je nach Lage zum Preis von 620’000 bis 782’000 Franken angeboten. Wenige Monate nach Inbetriebnahme der «Felshäuser» sind mehr als zwei Drittel dieser bewirtschafteten

Zweitwohnungen verkauft und die Betten «meistens warm», sagt Katja Kamps. Der Auslastungsgrad für die ersten drei Winter liege zwischen 85 und 93 Prozent. Im nächsten Jahr werden zwei, eventuell sogar drei weitere Würfel gebaut. Die Baubewilligungen sind erteilt, Einsprachen habe es nicht gegeben, bestätigt die Gemeindeverwaltung.

«Lektion gelernt»

Trotz oder auch wegen der Dominanz der «Weisse Arena Gruppe» wird in der Region wenig Kritik laut. Auch für die Umweltschutzorganisation ist der Laaxer «Dorfkönig» kein Rotes Tuch. «Jeder Eingriff in Natur und Landschaft schmerzt uns mehr oder weniger», sagt Hans F. Schneider von Pro Natura Graubünden.

«Aber wenn schon Bauten oder Anlagen in die Berglandschaft gebaut werden, dann sollten sie wenigstens genutzt werden.» Für die Weisse Arena treffe dies zu. «Sie ist in Sachen Tourismusvermarktung vermutlich die beste Destination in Graubünden», sagt Schneider.

Nach heftigen Auseinandersetzungen vor wenigen Jahren mit Umweltschutzorganisationen um eine neue Piste habe die Weisse Arena «ihre Lektion gelernt». «Seither werden wir über die Projekte rechtzeitig informiert. Sie ziehen regelmässig eine ökologische Baubegleitung bei und versuchen den Eingriff so schadlos wie möglich zu machen», lobt Schneider.

Seit Jahrzehnten gefragt

Traditioneller und etwas bescheidener präsentiert sich das Angebot der Reka-Dörfer (Vgl. rechte Spalte), das vor allem bei Familien mit kleinen Kindern beliebt ist. Die 6 Häuser mit insgesamt 52 Wohnungen des Feriendorfs in Disentis (GR) zum Beispiel sind in der Hauptsaison bis 2014 ausgebucht.

Die günstigen Familienferien werden vorwiegend von Schweizern gebucht, aber «manchmal haben wir auch Gäste aus sieben oder acht verschiedenen Nationen», sagt Pius Gyger, der das «Dorf» mit seiner Frau Regula als Gastgeber-Paar leitet. «Im Winter gehen hier am Wochenende 270 Gäste hinaus und ungefähr gleich viele kommen herein», umschreibt Gyger die Nachfrage. «Es gibt Familien, die zum 8. oder 9. Mal hier sind.»

Dass die Ansprüche wachsen, erfahren auch die Reka-Dörfer. Allein mit der frischen Bergluft und Sicht auf die alpine Landschaft der Surselva geben sich viele Gäste nicht mehr zufrieden. In Disentis werden ihnen heute nicht nur moderne Minergie-Wohnungen vermietet, sondern auch allerlei Freizeit-Aktivitäten angeboten: Hallenbad, Fussball- und Spielplatz, Leseraum mit Bibliothek, Spielsalons mit Tischfussball, Billard- und Tennistischen, Internet, professionelle Kinderbetreuung, Frischprodukte aus der Region, Raclette oder Grillabende.

Wesentlich ruhiger ist es im Reka-Dorf Disentis in der Zwischensaison. Sheilas kleine Kinder Tessa und Zoë sind heute sogar die einzigen, die den Spielplatz benützen. «Wir hätten uns gewünscht, mehr Kinder anzutreffen», bedauert die Familie aus der Stadt Zürich, die ihre Ferien auch schon in andern Reka-Dörfern verbracht hat.

Bald im Goldrausch?

Um das Angebot ausserhalb der Hochsaison besser zu vermarkten, wird das Feriendorf in Disentis nun «zum ersten Mal positioniert», verrät der Gastgeber, nämlich unter dem Thema «Gold». Bereits im Frühsommer 2013 soll der Aussenbereich, vor allem der Spielplatz, neu gestaltet werden. Die konventionellen Spielplatz-Geräte werden durch einen Abenteuer-Park ersetzt.

In Disentis befinde sich eines der grössten Goldvorkommen der Schweiz. «Vor Jahren hat ein junger Mann in der Region Gold im Wert einer halben Million Franken gefunden», behauptet der gebürtige Dissentiser. Seither werde an gewissen Stellen fleissig Gold gewaschen.

Die Anzahl Logiernächte sank im August im Vergleich zum Vorjahr um 0,3%. Vor allem Gäste aus Europa blieben im zweitwichtigsten Reisemonat der Schweiz fern. In den beiden Vormonaten war das Minus mit 7,2 beziehungsweise 5,5% noch deutlich höher.

Die ausgebliebenen Touristen aus dem Ausland (-25’000 Logiernächte) konnten nicht durch die zusätzlichen Schweizer Hotelgäste (+11’000 Logiernächte) kompensiert werden. Hauptgrund für den Rückgang sei der starke Franken, teilte die Branche mit.

Laut Bundesamt für Statistik (BFS) verbuchte die Schweizer Hotellerie insgesamt 3,9 Mio. Logiernächte.

Vor allem deutsche Urlauber verzichteten auf Reisen in die Schweiz – es waren 12,3%, respektive 74’000 Logiernächte weniger. Aus Asien kamen fast ein Drittel mehr Besucher (+259% respektive 56’000 Logiernächte).

Grösster Verlierer war laut BFS der Kanton Graubünden mit einem Rückgang von 51’000 Logiernächten (-8,3 Prozent).

In fast allen Ferienregionen der Bergkantone liegt der Anteil zweitweise bewohnter Wohnungen heute deutlich über 20 Prozent.

Diesen Plafonds setzte das Schweizer Stimmvolk am 11. März, als es mehrheitlich Ja sagte zur Initiative «gegen den uferlosen Bau von Zweitwohnungen».

845 Zweitwohnungen oder 82,8% sind es in Saint Luc (Wallis); 856 oder 81,8% in Grimentz (Wallis), 2307 (80,9%) in Laax (Graubünden), um nur die Spitzenreiter zu erwähnen.

Die Reka (Schweizer Reisekasse) hat sich einen «sozialtouristischen Non-Profit-Auftrag» erteilt. Die Genossenschaft will seit ihrer Gründung 1939 möglichst vielen Familien Ferien und Freizeit ermöglichen.

In ihrem Geschäftsfeld «Familienferien» sei Reka die Nummer 1 in der Schweiz und die zweitgrösste Ferienwohnungsanbieterin des Landes, schreibt die Genossenschaft auf ihrer Homepage.

Bekannt geworden ist die Genossenschaft auch durch ihre «Reka-Checks». Das zweckgebundene Zahlungsmittel für Freizeit, Ferien und Reisen wird vom Grossverteiler Coop, von Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Organisationen mit 3 bis 20% Rabat vergünstigt abgegeben.

Rund 8700 Stellen im Gastro- und Reisebereich sowie des öffentlichen Verkehrs akzeptieren Reka-Checks.

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