Warum arabische und afrikanische Länder in der UNO an Chinas Seite stehen
Die arabischen und afrikanischen Länder unterstützen bei wichtigen Abstimmungen in den Vereinten Nationen weiterhin China. Es geht dabei nicht nur um die Parteinahme für ein autoritäres Regime.
Die USA und Grossbritannien reagierten schnell und äusserten sich «besorgt», nachdem der lang erwartete China-Bericht veröffentlicht worden war. Darin verurteilte Michelle Bachelet, UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, die repressive Politik Chinas in der Provinz Xinjian. Die USA nannten die Repression gegen die uigurische Minderheit Völkermord.
Wenige Minute vor ihrem Abtritt am 30. August publizierte Bachelet den Bericht. Darin heisst es, Chinas «willkürliche und diskriminierende Inhaftierung» von Uigur:innen und anderen Muslimen in der westchinesischen Region könnten Verbrechen gegen die Menschlichkeit sein.
Still blieben die muslimischen Länder in Asien und Afrika. Fast einen Monat später gaben 70 Länder unter der Führung Pakistans im Rat eine gemeinsame Erklärung dafür ab, sich nicht mehr in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen. Dazu gehörten auch vierzehn arabische Länder, etwa Algerien, Marokko, Saudi-Arabien, Ägypten, Tunesien und Bahrain.
Vergangene Woche scheiterte eine Resolution, die eine Debatte über den China-Bericht im Februar gefordert hat. Alle afrikanischen Länder bis auf drei stimmten dagegen. Benin und Gambia enthielten sich der Stimme. Nur Somalia stimmte mit Ja. Vor diesem Ergebnis leistete China hinter den Kulissen intensive Lobbyarbeit.
«Dieses Mal ist China die Zielscheibe, und andere Entwicklungsländer könnten in Zukunft zur Zielscheibe werden», erklärte die chinesische Vertretung nach der Abstimmung.
«Überwiegend muslimische Länder verzichten auf eine Verurteilung Chinas oder unterstützen es offen in individuellen oder kollektiven Erklärungen, die von den Staatsoberhäuptern oder Vertretern der Länder in internationalen Foren oder bei ihren gegenseitigen Treffen mit China abgegeben werden», sagt Reem Abdel Majid, eine ägyptische Expertin für menschliche Sicherheit und ökologischen Frieden, die eine Studie über China und die uigurischen Muslim:innen verfasst hat.
Dieses Verhalten steht im Widerspruch zu anderen Erklärungen muslimischer und afrikanischer Länder bei der UNO. So haben beispielsweise die Mitgliedstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) das Vorgehen des burmesischen Militärs gegen die Rohingya schnell verurteilt.
Die Gründe für die Unterstützung Chinas gehen weiter als Stabilitätssicherung, indem man sich auf die Seite eines autoritären Regimes stellt. Sie sind auch eine Folge von Chinas Einsatz von «Soft Power», wirtschaftlicher und anderer Natur, im globalen Süden. Viele Länder sind inzwischen finanziell von der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt abhängig.
Furcht vor Separatismus
Nach Ansicht von Analyst:innen zeigen autoritäre Regierungen untereinander Solidarität, wenn es um Menschenrechte (beziehungsweise Menschenrechtsverletzungen) und humanitäre Hilfe geht.
Afrikanische und muslimische Länder unterstützen China in diesen Fragen in der UNO quasi systematisch. Ein weiteres Beispiel: 25 afrikanische Länder stimmten im Juni 2020 im Menschenrechtsrat gegen einen Antrag, der Chinas nationales Sicherheitsgesetz in Hongkong verurteilte. Nach Einführung des Gesetzes wurden die Oppositionellen hart bestraft.
«Die meisten dieser arabischen und afrikanischen Länder werden von korrupten Regimen regiert, deren Legitimität fraglich ist und die nicht in der Lage sind, das Wohlergehen ihrer Bevölkerung zu gewährleisten. Sie beziehen ihre Stärke aus ihrer Loyalität ausserhalb und nicht aus der eigenen Bevölkerung», sagt der jemenitische Schriftsteller Ahmed Al-Ahmadi gegenüber swissinfo.ch.
Zudem haben diese Länder auch interne Probleme, die die Unterstützung Chinas antreiben. Hanan Kamal Abu Sakin, Assistenzprofessor für Politikwissenschaft am Nationalen Zentrum für Sozial- und Kriminalforschung in Kairo, sagt es liege an der «Furcht vor separatistischen Gruppen, die in ihren Heimatländern an Popularität gewinnen.»
Er argumentiert, dass in Saudi-Arabien und Bahrain die schiitischen Gemeinschaften die Stabilität bedrohen und dass der Irak, Syrien, der Iran und die Türkei allesamt gefährdet sind, wenn die kurdischen Forderungen nach Unabhängigkeit zum Tragen kommen. Unterdessen fordern die Separatist:innen ein eigenes Land in der 1975 von Marokko annektierten Westsahara.
«Pro-China-Positionen werden damit gerechtfertigt, dass man die Menschenrechte als interne Angelegenheit betrachtet, in die man sich nicht einmischen sollte», sagt der Assistenzprofessor.
Gerne stellt es die chinesische Regierung international so dar, dass die Massnahmen in Xinjiang notwendig zur Terrorbekämpfung sind. Heute sei die Provinz stabil und floriere wirtschaftlich, argumentiert China.
Stärkung der wirtschaftlichen Partnerschaften
Doch abgesehen von all dem ist der wichtigste Faktor für diese Allianzen vielleicht Chinas Wandel zu einem strategischen Handelspartner und Investor. Häufig rechtfertigen afrikanische Staaten ihre Unterstützung so.
Gemäss dem von China verfassten Bericht über die chinesisch-afrikanischen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen vom September 2021 ist China das zwölfte Jahr in Folge der wichtigste Handelspartner des afrikanischen Kontinents. Der bilaterale Handel zwischen China und Afrika erreichte im Jahr 2020 187 Milliarden Dollar (184 Milliarden Franken), trotz der wirtschaftlichen Wechselwirkungen durch die Coronapandemie und den folgenden Lockdowns.
In den ersten sieben Monaten des Jahres 2021 wuchs der bilaterale Handel zwischen China und Afrika laut demselben Bericht um 40,5% auf 139 Milliarden Dollar.
Der grösste Teil der chinesischen Investitionen in Afrika floss in den Dienstleistungssektor, wobei der Anstieg in Bereichen wie Forschung, Technologie, Transport und Lagerung doppelt so hoch ist. Dies hat Arbeitsplätze geschaffen und die Innovation angekurbelt.
China hat im Rahmen der «Belt and Road Initiative» Abkommen mit 18 arabischen Ländern unterzeichnet. Dieses Engagement zielt darauf, Asien und Europa mit Infrastrukturprojekten zu Land und zu Wasser zu verbinden. Viele dazugehörige Projekte werden im Nahen Osten gebaut.
Als Zeichen der engen wirtschaftlichen Beziehungen werden China und die arabische Welt in diesem Jahr in Saudi-Arabien ihr erstes chinesisch-arabisches Gipfeltreffen abhalten. Die Ministerkonferenz des Kooperationsforums China-Arabische Staaten wird in China ihre zehnte Sitzung abhalten.
Diese Abhängigkeit von China hat oft ihren Preis. Das zeigt sich nun darin, dass afrikanische und arabische Länder die vom Westen initiierte Debatte über die Behandlung der Uigur:innen nicht unterstützten.
Laut Analyst:innen sind die afrikanischen Länder der übermässigen Abhängigkeit von China aber überdrüssig. Die Unterstützung für China wird in vielen Ländern in Frage gestellt. Der Krieg in der Ukraine zwingt die Länder zunehmend dazu, sich für eine Seite zu entscheiden: westliche Demokratien oder der Rest der Welt.
Einige arabische und afrikanische Länder wollen sich auf keine Seite stellen. Zumal China implizit erklärt hat, dass es seine Auslandsinvestitionen zurückfahren wird, nachdem die Gefahr eines Zahlungsausfalls bei den von chinesischen Banken ausgegebenen Krediten besteht.
China ist heute der grösste bilaterale Gläubiger Afrikas. Einige Länder, wie Kenia, haben 72% ihrer bilateralen Schulden bei China. Dies hat innenpolitische Debatten über die Gefahr einer Schuldenfalle ausgelöst.
«Obwohl die Unterstützung der arabischen und afrikanischen Staaten für China in der Menschenrechtsfrage zunimmt, ist ihre Zusammenarbeit mit China in anderen Fragen aufgrund bestimmter Faktoren immer noch begrenzt», sagt die Wissenschaftlerin Reem Abdel Majid.
Die arabischen und afrikanischen Länder weigerten sich, im laufenden Handelskrieg zwischen den USA und China Partei zu ergreifen. Sie unterstützten auch nicht öffentlich Chinas Narrativ über den Ursprung des Coronavirus. Sie haben von jeglicher Art von Militär- und Sicherheitsallianz Abstand genommen.
«Allianzen mit China werden von internen Variablen abhängen, mit denen diese Länder wahrscheinlich konfrontiert werden, wie zum Beispiel dem Wachstum von terroristischen Gruppen, separatistischen Bewegungen und politischer Instabilität. Da es schwierig ist, diese heiklen Fragen kurzfristig zu lösen, wird die Unterstützung für China voraussichtlich noch lange anhalten», fügt Reem Abdel Majid hinzu.
Editiert von Virginie Mangin, adaptiert von Benjamin von Wyl
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