Wie der Untergang der Credit Suisse die Welt erschütterte
Die Credit Suisse ist eine von rund 30 "too big to fail"-Banken mit Niederlassungen rund um den Globus. Welche Auswirkungen hat ihr Zusammenbruch in den verschiedenen Teilen der Welt und wie gross ist der angerichtete Schaden vor Ort? Eine Analyse.
Alle Länder halten ihren Finanzplatz für stark genug, um die von der Schweiz ausgehenden Turbulenzen zu verkraften. Dies widerspiegelt die Stimmung in der Schweiz gegenüber der Credit Suisse in den Wochen vor der Bankenkatastrophe.
Doch die Art und Weise, wie die Aktionärinnen und Obligationäre bei der überstürzten Übernahme der zweitgrössten Schweizer Bank übergangen wurden, gibt Anlass zur Sorge.
USA / Grossbritannien
4,8 Milliarden Franken Verlust durch den Zusammenbruch der New Yorker Investmentgruppe Archegos Capital Management.
Die hellen Lichter der Wall Street lockten die Credit Suisse wie keine andere Schweizer Bank. Es ist deshalb eine Ironie des Schicksals, dass der letzte Nagel in den Sarg der Credit Suisse von den Vereinigten Staaten aus eingeschlagen wurde.
Die Zwangsfusion mit der UBS «fügte einer Bankenkrise, die an der Westküste der USA mit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank ausgebrochen war, eine globale Dimension hinzu», schrieb das Wall Street Journal.
Die Financial Times berichtet, dass die UBS den geplanten Neustart der Investmentbanking-Einheit der Credit Suisse an der Wall Street – die nach der 1988 übernommenen US-Bank CS First Boston benannt werden sollte – absagen will.
In London, wo die Credit Suisse mehr als 5000 Mitarbeiter:innen beschäftigt, wird befürchtet, dass der Stellenabbau den nach dem Brexit ohnehin unter Druck stehenden Finanzplatz weiter schwächen könnte.
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Mittlerer Osten
Die Saudi National Bank, die Qatar Holding und die Olayan Group haben zusammen einen 20%-Anteil an der CS.
Der Vorsitzende der Saudi National Bank trat zurück, nachdem er Milliarden in die Credit Suisse investiert hatte und Panik auslöste, dass ihrerseits kein weiteres Geld mehr zu erwarten sei. Der grösste Teil der Investitionen ist durch die Übernahme der UBS auf dem Papier verschwunden.
Die saudische Nationalbank, die Qatar Investment Authority und die Olayan Group halten zusammen einen Anteil von rund einem Fünftel an der zweitgrössten Schweizer Bank.
Die saudische Zeitung Alsharq stellte fest, dass es unklar sei, inwieweit die Schweizer Regierung diese drei Unternehmen konsultiert habe, bevor sie den Deal mit der UBS absegnete. «Es gibt immer irgendwo eine Regierung, die bereit ist zu intervenieren, um ihre nationalen Interessen zu schützen, fernab von allen Aktionären», hiess es.
Die saudische Nationalbank machte gute Miene zum bösen Spiel und erklärte, die Investition mache weniger als 0,5 Prozent ihrer Vermögenswerte aus. Doch einige Kommentare in den sozialen Medien stellen die saudische Bank als Verliererin dar, während die Manager:innen der Credit Suisse ihre Boni geniessen.
Asien-Pazifik-Region
Die CS beschäftigt 3500 Mitarbeitende in Singapur.
Der asiatisch-pazifische Raum, insbesondere Singapur und Hongkong, ist das Zentrum der Vermögensverwaltung und eine Schlüsselregion sowohl für die Credit Suisse als auch für die UBS.
Medienberichten zufolge hat die UBS ihre Topmanager:innen zu einer Konferenz der Credit Suisse in die Region geschickt, um die Mitarbeitenden während der Übernahme an die Bank zu binden.
Beide Banken beschäftigen je rund 3500 Mitarbeiter:innen in Singapur. Eine Stadt, die einen Grossteil des wachsenden Wohlstands in Asien anzieht. Die UBS ist seit über 50 Jahren in Singapur präsent und spielte eine führende Rolle beim Aufbau des Vermögens-Management-Zentrums.
Die Behörden in Singapur erwarten keine dramatischen negativen Auswirkungen durch den Weggang der Credit Suisse. Die fusionierten Schweizer Banken werden jedoch in einem harten Wettbewerb um Kund:innen und erfahrene Mitarbeitende stehen.
Deutschland
Die vier grössten deutschen Finanzkonzerne beschäftigen 99,5% mehr Mitarbeitende als die CS in Frankfurt.
Die deutschen Medien sehen nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse mehr Chancen als Gefahren für den Finanzsektor des Landes.
Die Credit Suisse hat ihren Sitz im Bankenviertel von Frankfurt am Main und beschäftigt weniger als 500 Mitarbeiter:innen. Das ist ein Tropfen auf den heissen Stein im Vergleich zu den mehr als 100’000 Beschäftigten allein bei den vier grössten deutschen Finanzinstituten.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) glaubt, dass deutsche Konkurrentinnen, darunter die Deutsche Bank und die Commerzbank, vom Niedergang der Credit Suisse profitieren könnten.
Solche Schlagzeilen ignorieren jedoch den Fakt, dass die Deutsche Bank selbst ins Wanken geraten ist, was Bundeskanzler Olaf Scholz dazu veranlasst hat, sich für die Zukunft der Bank einzusetzen.
Auch der UBS wird zugetraut, ihre Position in Deutschland zu stärken. «Frankfurt wird damit zum EU-Hauptquartier einer sehr starken europäischen Asset- und Wealth-Management-Branche», sagte Hubertus Väth, Geschäftsführer der Finanzplatzinitiative Frankfurt am Main Finance, der FAZ.
Die FAZ zitiert auch den Frankfurter Finanzprofessor Volker Brühl, der sagt, dass die Bankenaufsicht in Europa viel strenger sei als in der Schweiz, was eine mögliche Ansteckung des Finanzsektors in der Eurozone dämpfen dürfte.
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Frankreich
1,8 Milliarden Euro Strafe wegen Steuerhinterziehung.
In den Tagen vor der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS intervenierte die französische Premierministerin Elisabeth Borne persönlich und forderte Bern auf, die Probleme zu «bereinigen», um weitere Schwankungen auf den Finanzmärkten zu vermeiden.
Die Aktienkurse grosser französischer Banken wie BNP Paribas, Crédit Agricole oder Société Générale wurden durch die Turbulenzen stark in Mitleidenschaft gezogen.
Der Chef der französischen Notenbank, François Villeroy de Galhau, wies am Tag nach der Bekanntgabe des Deals in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Radiosender France Inter Befürchtungen zurück, der französische Finanzplatz könne in Mitleidenschaft gezogen werden. «Das ist kein Thema für die französischen Banken», sagte er. «Um es ganz einfach zu sagen: Die französischen Banken sind sehr solide.»
Trotz der Abschaffung des Bankgeheimnisses im Jahr 2009 hat der Schweizer Finanzplatz in Frankreich nach wie vor einen schlechten Ruf. Schweizer Banken werden mit der jahrzehntelangen Beihilfe zur Steuerhinterziehung Tausender reicher Französinnen und Franzosen in Verbindung gebracht.
Dies wurde noch verstärkt, als die Konkurrentin der Credit Suisse, die UBS, 2021 in einem viel beachteten Prozess in Paris wegen Steuerhinterziehung zu einer Strafe von 1,8 Milliarden Euro (1,8 Milliarden Schweizer Franken) verurteilt wurde.
Russland
17,6 Milliarden Schweizer Franken an russischen Vermögenswerten liegen auf CS-Konten.
Seit die Schweiz Sanktionen gegen Russland verhängt hat, gilt die Credit Suisse in Moskau als Finanzinstitut eines feindlichen Landes.
Laut Forbes Russia hat die Credit Suisse beschlossen, sich im Mai 2022 aus dem russischen Vermögensverwaltungsgeschäft zurückzuziehen. Russische Kund:innen mussten ihre Vermögenswerte in die Schweiz transferieren, um bei der Bank bleiben zu können.
Im Juli 2022 konnte die vom Westen sanktionierte Transcapitalbank (TCB) ein Gericht davon überzeugen, die russischen Vermögenswerte der Credit Suisse zu beschlagnahmen. Ein Moskauer Schiedsgericht beschlagnahmte 100% der Aktien der beiden Credit Suisse-Strukturen in Russland (Bank Credit Suisse Moskau und Credit Suisse Securities) sowie rund 10 Millionen Euro in bar.
Die Schweizer Sonntagszeitung berichtet, dass in den Tresoren der Credit Suisse weltweit eingefrorene russische Vermögenswerte in Höhe von 17,6 Milliarden Franken (19,2 Milliarden Dollar) liegen.
Davon gehören 4 Milliarden Franken Personen, die auf der Schweizer Sanktionsliste stehen. Die restlichen 13,6 Milliarden Franken sind aufgrund von Sanktionen anderer Staaten gesperrt. Ein Teil dieser Gelder könnte von der russischen Zentralbank und dem russischen Staat stammen.
Die Credit Suisse war eine prominente Sponsorin des Bolschoi-Theaters in Moskau, doch der Name der Bank ist inzwischen von der Website des Theaters und anderen Kommunikationsmitteln verschwunden.
China
Nur 2000 CS-Angestellte.
Die Credit Suisse beschäftigt in China rund 2000 Mitarbeitende, die wohlhabende Chines:innen betreuen. Der Niedergang der Bank hat jedoch kaum Wellen geschlagen.
Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hatte kurzfristig keine direkten Auswirkungen auf China, könnte aber die zukünftige Entwicklung der Finanzmärkte des Landes beeinflussen.
Die vergrösserte UBS dürfte ihren Einfluss in China weiter ausbauen und ist gut positioniert, um die Internationalisierung des chinesischen Finanzmarkts voranzutreiben.
Japan
Im Land arbeiten rund 20 Personen im Investmentbanking der Credit Suisse.
In Japan, wo die Credit Suisse nicht in nennenswertem Umfang tätig ist, konzentrierten sich die Befürchtungen vor allem auf die Abschreibung der Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) in Höhe von 16 Milliarden Schweizer Franken durch die Schweizer Finanzaufsicht.
Medienberichten zufolge hat die japanische Finanzaufsicht keine Berichte über grössere Verluste bei inländischen Finanzinstituten erhalten. Lediglich vier Vermögensverwaltungen in Japan haben ihre AT1-Bestände offengelegt, die alle unter einem Prozent liegen.
«Bis jetzt gibt es kaum ein Bewusstsein für die Verluste, die durch AT1-Papiere entstehen könnten», sagte Sayuri Ito, Forschungsdirektorin am Forschungsinstitut NLI, gegenüber dem japanischen Staatsfernsehen NHKExterner Link. «Es besteht die Sorge, dass die Marktturbulenzen um dieses Risiko auf das Finanzsystem übergreifen könnten.»
Japan ist eines der Länder, in denen die Banken neue AT1-Transaktionen ausgesetzt haben, bis sich der Markt stabilisiert hat, so die Financial Times.
Spanien/Lateinamerika
700 CS-Mitarbeitende sind in Spanien und Lateinamerika beschäftigt.
Die Credit Suisse beschäftigt rund 700 Mitarbeitende in Spanien, Mexiko, Peru, Chile, Kolumbien und Venezuela und bietet Investmentbanking und Vermögensverwaltung für eine ausgewählte Elite an.
Offizielle Stellen in Spanien und Lateinamerika betonen, dass die Probleme der Bank keine grossen Auswirkungen auf die Regionen haben werden.
Die lateinamerikanische Presse kommentierte die Nachricht zurückhaltend und distanziert.
Spanische Medien wie El País, Cinco Días, El Español oder Blog Salmón konzentrierten sich auf drei Themen: den möglichen Dominoeffekt für Kleinsparer:innen, die Prognose, dass die UBS ihre Tochtergesellschaft Credit Suisse in Spanien verkaufen wird, und die Abschreibung von AT1-Anleihen der Credit Suisse in Höhe von 16 Milliarden Franken.
Portugal/Brasilien
Die CS kaufte 1998 für 675 Millionen Dollar die brasilianische Investmentbank Banco de Investimentos Garantia.
Der brasilianische Präsident, Luiz Inácio Lula da Silva, äusserte sich in einem Interview mit dem Fernsehsender Brasil247Externer Link sehr kritisch über die Situation. «Wie ist es zu erklären, dass sich die Credit Suisse 54 Milliarden Dollar [von der Schweizer Nationalbank] geliehen hat?», fragte er. «7% des Schweizer BIP werden verwendet, um die Credit Suisse zu retten.»
Das Portal Infomoney ist der Ansicht, dass die Fusion von Credit Suisse und der UBS keine Auswirkungen auf das laufende Geschäft in Brasilien haben dürfte, aber die Erschliessung neuer Geschäftsfelder durch den Schweizer Riesen verlangsamt werden könnte.
Laut dem IFData-System der brasilianischen Zentralbank verfügen Credit Suisse und UBS zusammen über 43,9 Milliarden Reais (7,2 Milliarden Schweizer Franken) an Vermögenswerten in Brasilien.
Italien
Ein Rückgang von 30 auf 8 CS-Niederlassungen.
Die Credit Suisse hat ihre Präsenz in Italien in den letzten zehn Jahren von rund 30 auf acht Niederlassungen mit rund 300 Mitarbeitenden reduziert.
Der italienische Vermögensverwaltungsverband Assogestioni schätzt, dass die Credit Suisse in Italien ein Vermögen von 11,5 Milliarden Euro verwaltet.
Nach Angaben des Nachrichtenportals Milanofinanza wird die neue Schweizer Grossbank durch die Fusion zu einer führenden Position in der italienischen Vermögensverwaltung werden – mit einem Marktanteil von rund 4,3%.
Der italienische Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti erklärte, die Rettung der Credit Suisse durch die UBS werde «unbedeutende Auswirkungen auf das italienische Bankensystem» haben.
Die italienischen Medien konzentrierten sich auf den «gefährlichen Präzedenzfall» der umstrittenen Annullierung von AT1-Anleihen der Credit Suisse im Wert von 16 Milliarden Franken durch die Schweizer Finanzmarktaufsicht. Dieser Schritt hat die Investor:innen verärgert und könnte zu Rechtsstreitigkeiten führen.
Übertragung aus dem Englischen: Melanie Eichenberger
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