Wie Krypto von der Schweizer Bankenkrise profitiert
Die jüngste Bankenkrise hat keine negativen Folgen für die Schweizer Krypto-Branche. Im Gegenteil, der Kund:innenzulauf hat sich beschleunigt, sagt Päivi Rekonen, Verwaltungsratspräsidentin der Zuger SEBA Bank.
Päivi Rekonen, Verwaltungsratspräsidentin der SEBA Bank, hat sich in Zug mit swissinfo.ch verabredet. In der Innerschweizer Stadt befindet sich Hauptsitz der 2018 gegründeten SEBA Bank, die heute in fünf Ländern insgesamt 120 Angestellte beschäftig. Vom Startup-Groove ist in Zug nichts zu spüren, das stattliche Altstadthaus könnte genauso gut einer Privatbank gehören.
swissinfo.ch: In Ihrer Heimat Finnland ist die Gleichstellung von Mann und Frau vorbildlich. Wie sieht es in Ihrem Gastland aus, der Schweiz?
Päivi Rekonen: Jedes Land entwickelt sich anders. In Finnland hatten wir im Zuge unserer Industrialisierung, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, einen enormen Bedarf an Arbeitskräften. Da Frauen an dieser Entwicklung beteiligt waren, traten sie auf natürliche Weise in die Arbeitswelt ein. Darüber hinaus wurden die Gesetzgebung und die soziale Sicherheit schrittweise angepasst, um Familien zu unterstützen, z. B. durch Kinderkrippen.
Was mich betrifft, so habe ich immer in Tech-Bereich für grosse multinationale Unternehmen gearbeitet, insbesondere in der Schweiz. Vor etwa zwanzig Jahren war ich sehr oft die einzige Frau in meinem Umfeld. Glücklicherweise hat sich die Situation seither stark verändert.
Was gefällt Ihnen an der Schweiz – und was nicht?
Mein Mann und ich sind vor vielen Jahren in die Schweiz gekommen. Ursprünglich dachten wir, dass wir nur auf der Durchreise sind, aber wir haben uns in dieses kleine, sehr internationale und dynamische Land verliebt. Und wir beschlossen, uns hier niederzulassen. Auch wenn es Sie überraschen mag, ich kann nichts finden, was mir an der Schweiz missfällt.
Führungskräfte von Start-up-Unternehmen sind oft sehr jung. Im Gegensatz dazu haben Sie und Ihr CEO jeweils mehr als dreissig Jahre Erfahrung. Zufall?
In unserer Bank setzen wir uns für Vielfalt ein, insbesondere im Hinblick auf das Alter. Persönlich habe ich die Entwicklung und Einführung mehrerer innovativer Technologien miterlebt. Und das über mehrere Zyklen hinweg. All diese Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten sollten uns helfen, bessere Entscheidungen zu treffen und Klippen zu umschiffen. Bei all unseren Verschiedenheiten eint uns die Leidenschaft für die Blockchain und Kryptotechnologien.
Die SEBA Bank ist eine «Krypto-Bank». Was bedeutet das konkret?
Wir sind eine Schweizer Bank, den anderen Schweizer Banken nicht unähnlich. Wir verfügen über eine Banklizenz der der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA. Folglich wird unsere gesamte Geschäftstätigkeit behördlich reguliert und überwacht.
Unsere Bank bietet privaten und institutionellen Anlegern eine Vielzahl von Dienstleistungen an, z. B. die Verwaltung von Vermögenswerten, die Bereitstellung von Kreditkarten oder die Vergabe von Krediten. Darüber hinaus verfügen wir aber auch über eine Infrastruktur und spezielle Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Vermögenswerten wie Kryptowährungen.
Welche Vorteile bringt die Spezialisierung auf digitale Vermögenswerte?
Immer mehr Anleger:innen möchten einen Teil ihres Vermögens in Kryptowährungen wie Bitcoins oder Ether investieren. Sie können das selbst tun, aber es ist kompliziert. Und es ist vor allem dann riskant, wenn die digitalen Vermögenswerte nicht ordnungsgemäss verwahrt werden: Im Falle eines Hackerangriffs können Anleger:innen alles verlieren.
Unsere Bank bietet nicht nur eine einfache Handhabung, sondern auch eine hochsichere Aufbewahrung ihrer Kryptowährungen. Ausserdem können wir zum Beispiel ein Bitcoin-Konto mit anderen Produkten wie Kreditkarten verknüpfen. Schliesslich greifen viele traditionelle Banken auf unsere Krypto-Kompetenzen zurück, um die digitalen Vermögenswerte ihrer Kunden zu verwalten.
Ihre Website gibt es nur in einer englischen Version. Ist Ihre Zielgruppe ausschliesslich englischsprachig?
Englisch ist de facto die Sprache der Finanzwelt. Da unsere Ambitionen global und wir noch ein Start-up-Unternehmen sind, haben wir uns entschieden, Englisch vorerst als einzige Sprache zu verwenden.
Wie entwickelt sich ihre Bank, in der Schweiz wie im Ausland?
Wir wachsen und sind dabei, neue Mitarbeitende in Zug und im Ausland, d.h. in Abu Dhabi, Hongkong und Singapur, einzustellen. Auf internationaler Ebene stellen wir neue Talente ein, um unsere Kundenkontakte zu stärken – sofern die entsprechenden Rechtsordnungen dies zulassen –, sowie für unsere operativen Aktivitäten und die Compliance.
Das Thema Blockchain und digitale Vermögenswerte ist noch sehr jung. Finden Sie genügend Fachleute?
In der Schweiz bieten bereits rund 20 Universitäten und Fachhochschulen Ausbildungen in diesen Bereichen an. Laut dem Unternehmen Crypto Valley Venture Capital (CV VC) beschäftigen die Unternehmen, die das Crypto Valley [mit Epizentrum in Zug, Anm. d. Red.] bilden, rund 6000 Personen, und das Schweizer Blockchain-Ökosystem zählt bereits mehrere Einhörner, d. h. Start-ups mit einem Wert von über einer Milliarde US-Dollar.
Im internationalen Vergleich ist die Schweiz also gut aufgestellt, was das Vorhandensein von Talenten angeht. Und wenn bestimmte Fähigkeiten vor Ort nicht verfügbar sind, ist es nicht besonders schwierig, sie im Ausland zu finden. In unserer Bank sind rund 20 Nationalitäten vertreten.
Wo wir über Geld reden, wie gut sind Sie kapitalisiert? Und wie sind Sie vorgegangen: «Initial Coin Offering» (ICO), «Kryptowährungs-Finanzierung»?
Wir haben in drei Runden etwa 230 Millionen Franken eingesammelt. Wir taten dies auf völlig klassische Weise, indem wir Aktien emittiert haben, in Schweizer Franken. In einem zweiten Schritt und um eine effizientere Verwaltung zu gewährleisten, digitalisierten wir unsere Aktien jedoch und stellten sie auf eine Blockchain-Basis.
FTX, eine wichtige Börse für Kryptowährungen, hat vor kurzem einen Insolvenzprozess eingeleitet. Wäre ein solcher Zusammenbruch auch in der Schweiz möglich?
FTX hatte den Sitz auf den Bahamas und war damit keine regulierte Organisation. Über das Unternehmen und die Ereignisse, die zu dieser Situation geführt haben, wurde bereits viel geschrieben. Eine Regulierung kann sicherlich Risiken verringern, aber in der Geschäftswelt gibt es keine Erfolgsgarantie, insbesondere wenn sich ein Geschäftsmodell nicht als nachhaltig und sicher erweist.
Inwieweit sind Sie von den jüngsten Konkursen der Signature Bank und der Silicon Valley Bank sowie der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS betroffen?
Alle unsere Bankdienstleistungen haben ohne Unterbrechungen funktioniert, und Kund:innen waren nicht betroffen. Wir beobachten sogar eine steigende Nachfrage nach unseren Dienstleistungen auf der ganzen Welt. So ist infolge der Ereignisse in all unseren Niederlassungen in Singapur, Hongkong, Abu Dhabi und Zug die Zahl der Anträge auf Kontoeröffnung gestiegen.
Darüber hinaus hat sich der Bitcoin-Kurs gefestigt. Dies deutet darauf hin, dass die Anleger möglicherweise nach alternativen Anlagemöglichkeiten suchen, d. h. ausserhalb des traditionellen Finanzsystems. Als Kryptobank mit mehr als drei Jahren Erfahrung sind wir in einer guten Position, um von diesen Entwicklungen zu profitieren.
Wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich, wenn es um die Regulierung der Krypto-Branche geht?
Zweifellos haben die Finma und andere Instanzen grosse Anstrengungen unternommen, um zu einer guten Regulierung dieses neuen Geschäftsfeldes beizutragen. Man kann also durchaus behaupten, dass die Schweizer Regulierung eine Vorreiterrolle einnimmt. Darüber hinaus ist es im Kanton Zug sogar möglich, einen Teil seiner Steuern in Bitcoin zu bezahlen.
Die Regulierungsbehörden in Singapur und Hongkong sind ebenfalls sehr aktiv, aber ich denke nicht, dass man diese Standorte als Konkurrenten betrachten sollte. Im Idealfall würden wir eine gewisse internationale Harmonisierung der Regulierung in unserer Branche erleben. Ein erster Schritt wäre die Verabschiedung gemeinsamer Definitionen für so grundlegende Begriffe wie «Kryptowährung» oder «digitaler Vermögenswert».
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Marc Leutenegger.
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