Wie sich die Schokolade der Zukunft präsentiert
Weltweit geliebt und rezessionsresistent: Die Zukunft der Schokolade bleibt süss für Konsumenten wie Produzenten. Die Branche rechnet zwar weiterhin mit steigenden Verkaufszahlen, aber auch mit neuen Herausforderungen.
Die Produzenten seien mit einer wachsenden Vielfalt der Geschmäcker und auf den etablierten Märkten mit Gesundheitsfragen sowie dem Trend zu individualisierten Produkten konfrontiert, heisst es in einem Bericht der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG.
«Viele Unternehmungen kämpfen darum, ihre Spitzenposition in einem sich stark verändernden Markt zu halten.» Der Anspruch, lokale, massgeschneiderte und mannigfaltige Produkte anzubieten, bedeute eine ernsthafte Gefährdung ihres Marktanteils.
Dass die Schweiz im Ausland immer noch mit Schokolade in Verbindung gebracht wird, ist ein altbekanntes, aber begründetes Klischee. Schweizer verzehren jährlich 11,9 Kilogramm pro Kopf, das ist mehr als in allen anderen Nationen konsumiert wird.
Die Herstellung der Schokolade wurde zwar in Italien entdeckt, aber die Milchschokolade ist eine schweizerische Erfindung.
Auch befindet sich der Hauptsitz des weltweit grössten Schokoladeproduzenten in der Schweiz. Barry Callebaut stellt zahlreiche Rezepte her, welche die Fabrikanten für ihre Endprodukte mit anderen Zutaten kombinieren.
Wunderbar sonderbar
Die Schweizer Schokolade-Industrie produzierte im letzten Jahr mehr als 176’000 Tonnen Schokolade und erzielte einen Umsatz von 1,7 Milliarden Franken. Lindt & Sprüngli gehört im hochwertigen Marktsegment weltweit zur Spitzenklasse, Toblerone, die traditionelle Hausmarke, profitiert von ihrem globalen Bekanntheitsgrad, und der Nahrungsmittel-Multi Nestlé stellt einige der meistverkauften Riegel her, wie beispielsweise KitKat.
KPMG folgert, dass die Unternehmungen vor allem drei Hürden zu bewältigen hätten, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein: Nachhaltigkeit, Innovation und Gesundheit. Wie werden die Schweizer Schokolade-Produzenten auf die zunehmenden Veränderungen auf den globalen Märkten reagieren?
Barry Callebaut gibt rund 20 Millionen Franken pro Jahr für Forschung und Entwicklung aus. Daraus resultierten unter anderem Innovationen wie die laktosefreie Schokoade für Allergiker oder die schmelzresistente Schokolade, die sich insbesondere für warme Ländern eignet.
So wie Nestlé wirbt auch Barry Callebaut damit, Geld und Zeit aufzuwenden, um die Arbeitsbedingungen und –techniken auf den Kakaoplantagen zu verbessern. Dass sich die Multis dort wirklich so engagieren, wie sie sollten, bezweifeln verschiedene Nichtregierungs-Organisationen aber immer wieder.
Als Nestlé den Schoko-Riegel KitKat auf dem japanischen Markt einführte, produzierte der Multi rund 200 Spezialausgaben mit besonderen Geschmackstoffen, wie Sojasauce, Grüntee, Melone und Süsskartoffel. Nestlés Hausmarke Cailler aus dem Luxusbereich bleibt eine Stütze im höheren Preissegment und erlaubt den Kunden, individuelle Kostproben zu kreieren.
Hochwertiges Wachstum
Die Produzenten müssen sich auch mit dem wachsenden Problem des Übergewichts in vielen Ländern auseinandersetzen. Der Export von Schweizer Mini-Formaten hat im letzten Jahr gegenüber 2010 ein Wachstum von 30 Prozent verzeichnet.
Die Marktführer in der Schweiz haben laut dem unabhängigen Nahrungsmittel-Berater James Amoroso vom veränderten Konsumverhalten und von behördlichen Regulierungen nichts zu befürchten. «Barry Callebaut profitiert vom wachsenden Trend der Produzenten, in der Herstellungskette Produktionselemente mit niedriger Wertschöpfung auszulagern», sagt er gegenüber swissinfo.ch.
«Die Unternehmung ist auch ideal platziert, um aus den sich verändernden Konsumgewohnheiten Kapital zu schlagen, weil es ihrem Geschäft entspricht, Schokolade-Rezepte den Kundenbedürfnissen anzupassen. Je unterschiedlicher und veränderlicher diese Bedürfnisse sind, umso besser für Barry Callebaut.»
Schokolade aus dem Hochpreis-Segment erzielt ein deutlich höheres Wachstum als Massenprodukte, sagt Amoroso. «Der Trend dürfte anhalten, weil immer mehr Leuten bewusst wird, dass Schokolade bei besonderen Gelegenheiten und nicht in rauen Mengen konsumiert werden sollte.
Hochwertige Schokolade dürfte vermehrt in China gefragt sein, wo die Anzahl wohlhabender Konsumenten deutlich schneller zunimmt als jene aus der Mittelschicht.
Die Vormachtstellung von Lindt & Sprüngli auf dem globalen Markt für hochwertige Produkte dürfte vom wachsenden Gesundheitsbewusstsein in vielen Ländern nicht beeinträchtigt werden, sagt Amoroso.
«Die Konsumenten werden es sich zweimal überlegen, ob sie einen zweiten Mars-Riegel naschen wollen, aber sich weiterhin hochwertige Schokolade als Genussmittel oder Geschenk leisten», sagt er.
Goldener Star
Nicht nur die grossen Unternehmen werden von neuen Möglichkeiten auf dem Schokolade-Markt profitieren. Der Neuling «myswisschocolate», der erst 2010 gegründet wurde, hat bereits 30’000 Kunden aus 32 Ländern, die Sonderanfertigungen ausführen oder online bestellen.
«Anstatt Massenprodukte verlangen die Konsumenten einzigartige Produkte, die ihren individuellen Bedürfnissen entsprechen», sagt Sven Beichler, Gründer von myswisschocholate, gegenüber swissinfo.ch.
Die Kunden können ihre eigenen Riegel in 450 verschiedenen Kombinationen kreieren: Mit Chilli, Rosenblättern oder Bildern auf essbarem Papier. Die beliebteste Zutat – abgesehen von der Schokolade – sind 23-karätige Goldflocken.
«Das zeigt, dass die Leute bereit sind, für ein erstklassiges, individuelles Produkt zu bezahlen», sagt Beichler. «Alkohol tut den Leuten nicht gut, trotzdem lassen sie sich nicht davon abhalten, einen feinen Wein zu geniessen. Das Geheimnis besteht darin, ihn in kleinen Dosen zu konsumieren und diese Erfahrung zu schätzen.»
Schweizer Unternehmer sind im 19. Jahrhundert nach Italien gereist, um die Kunst der Schokolade-Produktion zu lernen.
1819 eröffnete Jean-François Cailler in Corsier in der Nähe von Vevey im Kanton Waadt eine Schokolade-Fabrik. Das Unternehmen hatte ein Jahrhundert lang floriert, bevor es 1929 mit dem Lebensmittel-Giganten Nestlé fusionierte.
Andere Schweizer Schokolade-Hersteller folgten:
Ab 1825 baute Philippe Suchard in der Nähe von Neuenburg sein Schokolade-Imperium auf.
1845 gründete Rudolf Sprüngli-Ammann in Zürich die erste Schokolade-Fabrik der deutschsprachigen Schweiz.
Rodolphe Lindt begann 1879 in Bern mit der Herstellung seiner Schokolade, die weltweite Bekanntheit erreichen sollte. Lindt gilt als Erfinder der ersten Schmelzschokolade. Später verkaufte er seine Fabrik und die Rezepte an Rudolf Sprüngli.
Theodor Tobler hiess der Schöpfer eines der bekanntesten Schokolade-Produkte der Welt, der dreizackigen Toblerone, mit Honig- und Nougat-Zutaten.
Henri Nestlés Baby-Nahrungsunternehmung stieg 1904 in die Schokolade-Herstellung ein. Heute produziert der Multi einige der bestverkauften Schokolade-Produkte der Welt, wie zum Beispiel KitKat.
Im Lauf der Zeit kamen weitere kostbare Erfindungen dazu. 1875 erfand Daniel Peter als Angestellter von Cailler die Milch-Schokolade.
Laut dem Verband Schweizerischer Schokolade-Fabrikanten Chocosuisse produzierte die Schweiz 2011 insgesamt 176’332 Tonnen Schokolade, fast gleich viel wie im Jahr zuvor.
Rund 60,4% wurden exportiert. 34% der in der Schweiz konsumierten Schokolade wurden importiert.
Der Umsatz sank um 3,1% auf 1,7 Mrd. Fr., vor allem als Folge des hohen Frankenkurses.
In der Schweiz wurden letztes Jahr pro Kopf 11,9 kg Schokolade konsumiert, mehr als in jedem andern Land.
(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
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