Wieso ist die Inflation so hoch – jetzt auch in der Schweiz?
Die Inflation ist in der Schweiz angekommen: Nachdem die USA und die Eurozone schon seit Monaten mit Teuerungsraten von über 7 Prozent kämpfen, steigen die Preise nun auch in der Schweiz – zuletzt um 2,9 Prozent. Was sind die Gründe dafür, und wie geht es weiter mit der Inflation?
«Die Zentralbanken haben in vielen Ländern die Corona-Ausgaben des Staats finanziert», sagt Alexandra Janssen, Geldpolitik-Expertin und Geschäftsführerin bei Ecofin Portfolio Solutions, im Geldcast-Live-Gespräch.
Sie ist deshalb nicht überrascht vom Teuerungsschub. Die Zentralbanken hätten zu viel Geld in die Wirtschaft gepumpt; und das habe nun Folgen, denn: «Inflation entsteht immer dann, wenn zu viel Geld im Umlauf ist.»
Daniel Kaufmann, Assistenzprofessor an der Universität Neuenburg, sieht das etwas anders: «Die Inflation in der Schweiz ist vor allem auf Lieferengpässe und den Krieg in der Ukraine zurückzuführen.» Die Teuerung in der Schweiz sei darum auch tiefer als in den Vereinigten Staaten.
In den USA sind die Preise zuletzt um 8,3 Prozent gestiegen. Der Grund: «In den Vereinigten Staaten ist die Inflation nicht nur wegen Corona und dem russischen Krieg in der Ukraine so hoch, sondern auch, weil dort die Löhne bereits signifikant steigen», so Kaufmann.
Den Geldcast Live Talk sehen Sie hier:
Die Fed trägt eine Mitschuld
Und auch die Geldpolitik der US-Zentralbank hat eine Rolle gespielt: «Ich habe nicht erwartet, dass die Fed so zögerlich auf die Inflation reagieren wird», sagt Kaufmann. Ein Grund dafür war die Strategieanpassung der Fed vom August 2020. Die Zentralbank kündigte damals an, künftig mehr auf den Arbeitsmarkt zu schauen statt auf die Teuerung.
Noch im Herbst 2021 sagte Fed-Präsident Jerome Powell, die Fed werde die Zinsen erst anheben, wenn wieder Vollbeschäftigung herrsche. «Theoretisch können solche Aussagen die Inflation weiter anheizen», so Kaufmann.
Ebenfalls können die steigenden Gewinne der Firmen zur Inflation beitragen, und zwar dann, wenn sie ihre Preise übermässig anheben. Im amerikanischen ist die Rede von «Greedflation», einer Inflation die durch die Gier («greed») der Firmen verursacht wird.
«Ich kann mir gut vorstellen, dass die Firmen aktuell versuchen, ihre Margen auszuweiten», sagt Kaufmann. «Grund dafür ist aber nicht die Gier der Firmen, sondern die relativ robuste konjunkturelle Lage und die Stützungsmassnahmen der Politik während Corona.»
Janssen sieht das ähnlich: Nur weil die Gewinne gleichzeitig steigen wie die Inflation, heisse das noch nicht, dass die hohen Gewinne die Inflation verursachen würden.
Zinserhöhungen belasten die Wirtschaft
Wie geht es weiter mit der Teuerung? «Inflation macht die Wirtschaft weniger effizient», sagt Janssen. Das sei deshalb so, weil die Inflation zu Preisverzerrungen führen würde. Das belaste die Wirtschaftsaussichten.
Die hohe Inflation wirkt aber auch indirekt auf die Wirtschaft. Sie zwingt die Zentralbanken nämlich dazu, die Zinsen zu erhöhen. Die Europäische Zentralbank hat bereits angekündigt, bis im Herbst die Zinsen wieder auf null anzuheben. Und die USA wollen bei künftigen Sitzungen jedes Mal eine Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte in Betracht ziehen.
Das verteuert die Investitionen und bremst das Wachstum. «Ich glaube nicht, dass es in den USA eine sanfte Landung geben wird», sagt Janssen. Kaufmann sieht das ähnlich: Die US-Inflation runterzubringen, könne «schmerzhaft» werden.
Was würde eine Krise in den USA für die Schweiz bedeuten? «Nichts Gutes», so Janssen. Die Schweiz sei nämlich abhängig vom Ausland, weil sie etwa dahin exportiere.
Kommt das Ende der Negativzinsen in der Schweiz?
Hier trifft sich nächste Woche die Führung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zur geldpolitischen Lagebeurteilung. Wird die Nationalbank die Zinsen erstmals seit 2007 wieder anheben? «Ich denke, dass eine Zinserhöhung der SNB vor der Europäischen Zentralbank eher unwahrscheinlich ist», so Janssen.
Der Inflationsdruck sei vergleichsweise tief. Zudem könne die SNB ihre Geldpolitik über den Wechselkurs straffen, indem sie eine gewisse Aufwertung zulasse. Das würde die Preise für importierte Güter senken, was wiederum die inländische Inflation reduziert.
«Es kann sogar sein, dass die Inflation in der Schweiz von selbst wieder runterkommt», glaubt Kaufmann. Janssen sieht das ähnlich: «Es gibt Indizien, dass sich die Inflation – zumindest zwischenzeitlich – wieder abschwächt.» Trotzdem fände sie es wichtig, wenn sich die Geldpolitik wieder normalisieren würde.
Hier geht es zur Podcast-Version des Geldcasts mit Alexandra Janssen und Daniel Kaufmann:
Sie können das Geldcast-Live-Gespräch mit Alexandra Janssen und Daniel Kaufmann in voller Länge nachhören. Sie finden es auf SpotifyExterner Link, Apple PodcastsExterner Link und in der Geldcast-Sammlung von swissinfo.ch:
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AutorFabio CanetgExterner Link hat an der Universität Bern und an der Toulouse School of Economics zum Thema Geldpolitik doktoriert. Heute ist er Dozent MAS an der Universität Bern. Als Journalist arbeitet er für die SRF Arena, das Republik Magazin und swissinfo.ch. Er moderiert den Geldpolitik-Podcast «GeldcastExterner Link«.
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