Wieso Telearbeit in der Schweiz so gut funktioniert
Neue Umfragen unterstreichen, dass sich das Arbeiten im Homeoffice in der Schweiz bewährt. Dabei profitiert der Schweizer Arbeitsmarkt von günstigen Rahmenbedingungen. Wird Telearbeit nun zum "Neuen Normal"?
Noch vor einem Jahr war Homeoffice in der Schweiz die Ausnahme. Von den knapp 25% der Arbeitnehmenden, die in der Schweiz auch zu Hause arbeiten, tat dies nur etwa jede achte Person regelmässig. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik. Damit ist die Schweiz im internationalen Vergleich keine Vorreiterin.
Heute reiben sich viele erstaunt die Augen: Von der Coronakrise ins Homeoffice gezwungen, möchten viele das Modell beibehalten. Das hat Nicole B. StuckiExterner Link, Personalmanagerin beim Schweizer Finanzdienstleister Postfinance und Präsidentin des Dachverbands für Personalmanagement HR Swiss, festgestellt: «Das Bedürfnis der Mitarbeitenden nach Telearbeit ist in den letzten Monaten stark gestiegen.»
Keine Qualitätseinbusse
Offenbar arbeiten die Angestellten zu Hause ähnlich gut wie im Büro. Gemäss einer Umfrage der Schweizer Beratungsfirma EmpiriconExterner Link konnten 87% der von rund befragten 5000 Mitarbeitenden aus den Bereichen Energie und öffentliche Verwaltung ihre Arbeit genauso gut erledigen wie im Büro.
Gut die Hälfte findet schon heute zu Hause Rahmenbedingungen vor, unter denen sie auch in Zukunft Telearbeit leisten könnten. Die Umfrage wurde zwischen Juli und Ende August 2020 durchgeführt.
Auch viele Schweizer Unternehmen können sich vorstellen, in Zukunft beim Homeoffice zu bleiben, wie eine Umfrage des Online-Business-Netzwerks XingExterner Link zeigt. 85% der zwischen Mitte Mai und Mitte Juni befragten Personalfachleute sagten, dass Homeoffice und Remote Working auch nach der Coronakrise möglich sein werden.
IT-Infrastruktur bietet die Basis
Was sind die Gründe für diese grosse Zuversicht in das Arbeitsmodell der Telearbeit? Erstens verfügen viele Unternehmen in der Schweiz bereits über eine vergleichsweise gute IT-Infrastruktur, sagt Philipp MetzlerExterner Link, Berater bei der Kommunikationsagentur C-Factor, gegenüber swissinfo.ch. Fast überall gebe es Highspeed-Internet, Mobiltelefone und Laptops seien verbreitet. «Wo noch nicht vorhanden, haben die Firmen ihre Infrastruktur in kurzer Zeit entsprechend ausgerüstet», so Metzler.
Ein zweiter Grund könnte die Schweizer Unternehmenskultur sein, vermutet Personalmanagerin Stucki: «Schweizer Unternehmen sind tendenziell der Meinung, dass der Output zählt und nicht die Präsenzzeit.»
Diese These wird untermauert von NovartisExterner Link. Der Schweizer Pharmariese will es künftig ermöglichen, dauerhaft von zu Hause aus zu arbeitenExterner Link. Begründet wird dieser Schritt damit, dass man den Angestellten die Wahl lassen wolle, «wie sie arbeiten wollen, um die besten Resultate zu erzielen», sagte Novartis-Boss Vasant Narasinghan am Rand einer Medienkonferenz.
Drittens unterstützt die Struktur des Wirtschaftsplatzes Schweiz die verbreitete Einführung von Telearbeit: Rund drei Viertel der Schweizer Erwerbstätigen arbeiten im Dienstleistungssektor, der zum Beispiel die Verwaltung, den Finanzsektor oder Handelsgesellschaften umfasst. Hier gibt es überdurchschnittlich viele Stellenprofile, die keine persönliche Präsenz erfordern und sich daher für Telearbeit eignen.
Eine grössere Flexibilität in der Wahl des Arbeitsorts könnte möglicherweise sogar dazu führen, dass sie modernere Gesellschaftsstrukturen unterstützt, erklärt Stucki: «Wir haben Probleme, Frauen im Arbeitsmarkt zu halten. Sie sind froh, teilweise von zu Hause arbeiten zu können. Das hat sich etabliert und wird auch von den Männern geschätzt. Vor Corona war das aber oft nur ein Tag pro Woche.»
Hürden der Distanz
Aber hat die Telearbeit nur Vorteile? Kommunikationsexperte Metzler verneint: «Unter Umständen verstehen Vorgesetzte ihre Mitarbeitenden wegen der physischen Distanz noch weniger gut als sonst. Insofern ist es mit der Coronakrise noch wichtiger geworden, die Beziehungen bewusst zu pflegen und Wertschätzung zu vermitteln.»
Es gibt aber auch noch andere Herausforderungen, wie etwa offene Fragen der Datensicherheit, der Versicherungen, der Kostenübernahme für Heim-Büroinfrastruktur oder der Leistungskontrolle.
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