Engadin und Sankt Moritz erwarten weniger Gäste aus Italien
Kürzlich hat die italienische Regierung Vorschriften erlassen, die es Italienerinnen und Italienern erschweren, fürs Skifahren in die Schweiz zu kommen: Wer aus dem Ausland nach Italien zurückkehrt, muss 14 Tage in Quarantäne.
Wie schwierig die Einreise in die Schweiz ist, merken wir beim Übertritt der Grenze von Italien Richtung Engadin. «Sie müssen eine Schweizer Arbeitsbewilligung vorweisen», sagt uns der Grenzbeamte in Castasegna. «Und wer aus der Schweiz nach Italien zurückkehrt, muss einen negativen Covid-Test aus den letzten 72 Stunden vorweisen.»
Auf dem Parkplatz der Corviglia-Skilifte in St. Moritz sehen wir keine Autos mit italienischen Nummernschildern. Die meisten Autokennzeichen sind schweizerisch oder deutsch. Ein paar wenige auch aus anderen EU-Ländern. Auf den Skipisten wird zwar am häufigsten Italienisch gesprochen. Aber es muss sich um Einheimische oder Tessiner handeln.
Wie Julien und seine Frau Cristina, die mit ihren kleinen Kindern aus Lugano über die Strasse entlang des Comersees für einen Tag Skifahren angereist sind. «Wir kommen ziemlich häufig ins Engadin», sagen sie. «Um Probleme an der Grenze zu Italien zu vermeiden, nehmen wir für den Rückweg aber die Inlandroute.»
Vor schwieriger Wintersaison
Die ausbleibenden italienischen Gäste treffen die Tourismusbranche im Engadin hart. Mit Weihnachten und Silvester stehen die wichtigsten Tage der Saison vor der Tür.
Die Reiseveranstalter, die vor einem Jahr zur gleichen Zeit ausverkauft waren, sind sich dessen schmerzlich bewusst. «Viele Italiener haben Zweitwohnungen im Engadin und manche sind bereits seit mehreren Monaten hier. Wer hingegen ausbleibt, das sind die Tagestouristen», sagt Michael Kirchner von der Engadin St. Moritz Mountains AG, einem Bergerlebnisanbieter. «Diese Wintersaison wird anders als gewöhnlich: Wir erwarten mehr inländische Kundinnen und Kundinnen und weniger aus dem Ausland.»
Die Schwierigkeiten bei der Ein- und Ausreise beträfen nicht nur die italienischen Gäste. «Wir blicken mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft», so Kirchner. «Wir wissen, dass wir die Sicherheit unserer Gäste garantieren müssen.»
Ähnlich äussert sich Fabrizio D’Aloisio von der Gemeinde St. Moritz: «Unsere touristische Klientel besteht überwiegend aus Ausländerinnen und Ausländern aus mehr als 70 Ländern. Wir erwarten eine untypische Wintersaison mit vielen Inlandtouristen. So wie während des vergangenen Sommers, als 40% mehr Schweizerinnen und Schweizer kamen.» Aber es sei klar, dass diese nicht ausreichen würden, die Lücke der ausländischen Touristen zu füllen. Dafür gebe es eine neue Klientel, nämlich Besucher, die gleich mehrere Wochen oder gar Monate blieben. «Wie bereits während des Lockdowns gibt es Leute, welche die Zeit lieber hier verbringen.»
Weniger Hotelreservierungen
Gemäss Daten von Schweiz Tourismus kamen im Dezember 2019 rund 11’000 Gäste aus Italien in die Schweizer Berggebiete. Sie blieben für weit über 26’000 Übernachtungen – allein im Dezember. Die Zahl der ausländischen Touristen nahm stetig zu und erreichte gesamthaft fast 600’000 Übernachtungen.
Dieses Jahr wird es unmöglich, solche Resultate zu erzielen oder schon nur, den positiven Trend der letzten Jahre zu halten. Die Reservierungen für Hotels und Unterkünfte laufen schleppend. Nicht nur in St. Moritz, sondern im ganzen Engadin. «Bis zum 28. Dezember sind die Buchungen auf dem gleichen Stand wie im letzten Jahr. Aber nach Silvester herrscht grosse Unsicherheit: Die Deutschen und vor allem die Italiener fehlen», sagt Frank Amin Karama vom Maloja Palace Hotel.
Ähnlich ist die Situation im «All in one», der modernen Schweizer Lodge in Celerina. «Wir haben hauptsächlich Reservierungen aus der Schweiz, es fehlen die Reservierungen aus dem Ausland, zum Beispiel von Deutschen», erklärt die Geschäftsleitung. «Es gibt bereits einige Buchungen für die Skiferiensaison im Februar, und wir haben die Angebote auch für die Westschweizer intensiviert, die normalerweise nicht an diese Orte fahren.»
Anti-Covid-Massnahmen und Tests
Auf den Skipisten ist das Tragen einer Skimaske an den Liften obligatorisch. Diese Massnahme wird von den Betreibern strikt durchgesetzt.
Dasselbe gilt für Bars und Restaurants, die auf Beschluss des Kantons Graubünden bis zum 17. Dezember geschlossen bleiben, aber den Skifahrern Essen zum Mitnehmen servieren. «Ich habe den Eindruck, dass die Leute und Skifahrer die Distanzregeln gut beachten», sagt Karl aus Zürich, der hier mit seiner Freundin eine Woche Ferien verbringt.
«Dies ist der einzige Ort in Europa, an dem man Ski fahren kann», sagt Albert, der zusammen mit drei Freunden den weiten Weg aus Polen zurückgelegt hat. «Ich habe bei den Skifahrern viel Aufmerksamkeit für die Sicherheitsvorkehrungen gesehen: Sobald ein Skifahrer vor dem Einsteigen in den Sessellift seine Maske heruntergelassen hatte, wurde er sofort aufgefordert, sie richtig aufzusetzen.»
Um die Zahl der Infektionen im Oberengadin, Unterengadin und Davoser Klostertal zu senken, organisierten die kantonalen Behörden am vergangenen Wochenende kostenlose und freiwillige Massentests für die Wohnbevölkerung und Touristen. «Ein Pilotversuch mit dem Ziel, die Zahl der Infizierten im Hinblick auf Weihnachten zu reduzieren: Diejenigen, die jetzt positiv sind, können zwei Wochen Quarantäne machen», sagt D’Aloisio von der Gemeinde Sankt Moritz.
In St. Moritz wurden die Tests in drei Stadtzentren durchgeführt. Auch wir haben einen gemacht. «Jeder, der will, kann bei uns gegen eine Gebühr einen Schnelltest machen.»
Sibilla Bondolfi
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