In der Schweiz gibt es Hunderte von Automobil-Zulieferern. Mit der Gründung von Piëch Automotive 2017 hat die Schweiz nun auch einen eigenen Automobilhersteller. Co-Gründer Toni Piëch will einen elektrisch betriebenen Sportwagen auf einem ausserordentlich wettbewerbsintensiven Markt positionieren.
Toni Piëch ist Nachfahre einer Auto-Dynastie (Porsche, VW) und hat den Ehrgeiz, die Schweizer Autoindustrie wiederzubeleben. Der Deutsch-Österreicher sorgte auf dem Genfer Autosalon 2019 für Aufregung mit der Präsentation des neuen Elektrofahrzeugs, das sportlich, luxuriös und innovativ sein soll.
Der Zweisitzer in der Preisklasse zwischen 150’000 und 200’000 Franken verfügt über ein besonders effizientes elektrisches System: 80 Prozent der Batteriekapazität sind in weniger als fünf Minuten gefüllt, bei einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Das Auto soll bald auf den Markt kommen, aber Toni Piëch will kein genaues Datum nennen.
SWI swissinfo.ch: Warum haben Sie Zürich als Standort für Piëch Automotive gewählt?
Toni Piëch: Als Europäer ist es für mich wichtig, dass Europa weiterhin eine wichtige Rolle in der Welt spielt. Und im Automobilbereich hat Europa eine starke industrielle Basis.
Hinzu kommt, dass ich zwar österreichisch-deutscher Herkunft, aber in Luzern aufgewachsen bin und die Schweizer Werte der Zuverlässigkeit und Zeitlosigkeit schätze, wie Schweizer Uhren sie verkörpern. Das sind genau die Werte, die Piëch Automotive hervorheben möchte.
Schliesslich ist Zürich ein führendes Finanzzentrum und – mit der Präsenz von Unternehmen wie Google – zunehmend auch ein Technologiezentrum.
Und die Schweiz hat auch viele Automobil-Zulieferer…
Sicherlich, ja. Aber das war kein entscheidendes Kriterium, denn wir hätten auch aus anderen Ländern wie Deutschland, Österreich oder Italien guten Zugang zu diesen Schweizer Lieferanten haben können. Zudem arbeiten wir auch mit Lieferanten zusammen, die nicht nur in Europa, sondern auch ausserhalb dieses Kontinents ansässig sind.
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Pünktlich zum Autosalon in Genf enthüllt eine Schweizer Firma ihren elektrischen Zweisitzer – den sportlichen Prototypen Piëch Mark Zero.
Wenn Sie von so vielen ausländischen Zulieferern beziehen, können Sie dann Ihre Autos noch offiziell als «Made in Switzerland» bezeichnen?
Nein, das können wir nicht. Denn nach den Swissness-Vorschriften müssten mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen. In der Automobilbranche ist das nicht realistisch.
Nicht alle Ihre Aktivitäten werden von Zürich aus gesteuert, denn Sie haben auch eine Niederlassung in der Nähe von München. Warum ist das so?
Ja, das ist so. Wir haben von Anfang an sehr eng mit mehreren Lieferanten aus dem Raum München zusammengearbeitet. Die Gründung einer juristischen Person in dieser Region war naheliegend.
Einige Hersteller von Elektroautos, wie beispielsweise Porsche, bieten viele unterschiedliche Modelle und Optionen an. Andere – wie Tesla – tun das nicht. Wie ist das bei Piëch Automotive?
Unsere Strategie ist nochmal anders. Unser Ziel ist es, Objekte der Leidenschaft herzustellen, also zeitlose Autos für technikbegeisterte Puristen.
Toni Piëch ist Deutsch-Österreicher, hat aber das Lyceum Alpinum Zuoz bei St. Moritz im Kanton Graubünden besucht. Er studierte auch an der Princeton University in den USA.
Danach verbrachte er zwölf Jahre in China, zunächst als Korrespondent für den deutschsprachigen Schweizer Radiosender DRS und dann als Gründer und Präsident von PAE Pictures, einem mittelständischen Unternehmen, das sich auf die Produktion von Spielfilmen, Fernsehprogrammen und digitalen Inhalten spezialisiert hat.
Tony Piëch ist der Urenkel von Ferdinand Porsche, dem Gründer des gleichnamigen Automobilherstellers, und Sohn von Ferdinand Piëch, dem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Volkswagen Gruppe.
Weltweit gibt es mindestens 100 neue Start-ups, die sich auf Elektrofahrzeuge spezialisiert haben. Zudem setzen auch etablierte Automobilhersteller auf diese Fahrzeuge. Wie wollen Sie sich profilieren?
Unsere Branche ist in der Tat ausserordentlich wettbewerbsintensiv. Wir machen uns aber keine Sorgen, denn unser Ansatz ist es nicht, so schnell wie möglich so viele Fahrzeuge wie möglich zu verkaufen. Unsere Vision ist es, eine klar definierte Nische zu bedienen und langfristig eine solide Profitabilität zu erreichen.
«Unsere Branche ist ausserordentlich wettbewerbsintensiv, aber wir machen uns keine Sorgen.»
Sie betonen die extrem kurze Aufladezeit Ihrer Batterien. Wie können Sie verhindern, dass Ihre Mitbewerber Sie kopieren?
Unsere grösste Stärke ist unsere Modularität. Dieser Ansatz ermöglicht es uns, neue externe Komponenten wie Ladesysteme, Sensoren, Chips oder Datenmanagementsysteme schnell zu integrieren.
Hingegen brauchen etablierte Automobilhersteller wie der Volkswagen-Konzern viele Jahre, um solche neuen Komponenten einzuführen.
Anders gesagt: Wir suchen nicht den exklusiven Zugang zu bestimmten Lieferanten, sondern wir wollen als Erste ihre neuen revolutionären Komponenten integrieren.
2019 haben Sie am Genfer Autosalon angekündigt, dass Ihr erstes Modell ab 2022 zu kaufen sein wird. Können Sie dieses Datum bestätigen? Und wie hoch wird der Verkaufspreis sein?
Zum jetzigen Zeitpunkt möchten wir lieber kein genaues Datum bekannt geben. Unser erstes Modell wird ein Zweisitzer sein, mit einer Preisspanne zwischen 150’000 und 200’000 Franken.
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Grundsätzlich planen wir, Nordamerika, Europa und Asien gleichermassen abzudecken. Wir glauben aber, dass es gerade am Anfang extrem wichtig ist, in der Schweiz und in Deutschland erfolgreich zu sein. Dies ist sogar eine Voraussetzung für unseren Erfolg in anderen Märkten.
Es ist eine Herausforderung, ein Fahrzeug in mehreren Ländern zugelassen zu bekommen, aber wir sind davon überzeugt, dass wir es schaffen können.
Welche weiteren Modelle nebst Ihrem Zweisitzer planen Sie auf den Markt zu bringen?
Unser Ziel ist es, drei sportliche Modelle auf den Markt zu bringen: unseren Zweisitzer, einen Viersitzer und einen SUV (Sport Utility Vehicle). Diese beiden letzten Modelle sollten es uns ermöglichen, grössere Stückzahlen zu verkaufen, und wir haben hohe Erwartungen an die Vermarktung unserer SUVs in China.
Aufgrund unseres modularen Ansatzes sollte der Aufbau einer Drei-Modell-Reihe nicht übermässig komplex sein.
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Am internationalen Automobil-Salon in Genf stehen Elektroautos zusehends im Rampenlicht: Fast alle Hersteller präsentieren dieses Jahr eigene Modelle. Marco Piffaretti, einer der Pioniere für Elektroautos in der Schweiz, ist überzeugt, dass innerhalb der nächsten 20 Jahre die Hälfte aller Fahrzeuge elektrisch betrieben sein werden.
Bereits seit 30 Jahren arbeitet Marco Piffaretti daran, Autos ökologischer zu machen. Im Alter von 22 Jahren gründete er "Protoscar", ein Ingenieur-Unternehmen, das nach technischen Lösungen und neuen Design-Formen im Rahmen einer ökologischen Mobilität sucht.
Zwischen 2009 und 2011 gelang es der im Tessiner Dorf Riva San Vitale angesiedelten Firma, drei elektrische Sportwagen-Modelle namens Lampo zu entwickeln, die in 4,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen können.
Auto-Salon Genf
Der Auto-Salon Genf war die erste grosse internationale Automobil-Messe, in der bewusst eine Promotion von alternativen Antriebsarten für Fahrzeuge betrieben wurde.
Beim 85.Auto-Salon, der vom 5. bis 15. März 2015 stattfindet, werden rund hundert Autos mit einer hohen Energieeffizienz gemäss den neuen EU-Normen präsentiert (0 bis 95 Gramm CO2-Emissionen pro 100 Kilometer). Mehr als die Hälfte dieser Fahrzeuge sind Elektro- oder Hybridautos.
Nach dem Erfolg des neuen Herstellers Tesla, der 2008 seine Produktion aufnahm, haben in den letzten Jahren alle grossen Automobilhersteller Elektrofahrzeuge unterschiedlichster Kategorien entwickelt.
Mitte Februar kündigte Apple an, ab 2020 ein Elektroauto produzieren zu wollen. Dabei soll die Apple-Informatik integriert werden. Ein weiterer US-Gigant, der Internetkonzern Google, möchte ein ökologisches und selbstfahrendes Fahrzeug auf den Markt bringen.
swissinfo.ch: Schon lange spricht man von Elektroautos. Doch erst in den letzten Jahren haben die grossen Automobilhersteller damit begonnen, solche Fahrzeuge auch wirklich zu produzieren. Wie erklärt sich das?
Marco Piffarretti: Der grosse Quantensprung erfolgte 2009, als man begann, für die Autos Lithium-Batterien zu verwenden, also Batterien, die man von Computern und Mobiltelefonen kennt. Diese technologische Innovation erlaubte es, die bisherige Leistung zu verdoppeln oder zu verdreifachen.
Auch die Elektromotoren wurden verbessert. Sie wurden leichter und effizienter. Doch der entscheidende Schritt bestand – wie gesagt – im Einsatz der Lithium-Batterien, welche eine Reichweite von 100 bis 140 Kilometer ermöglichen, je nach Modell.
Dank der jüngsten Fortschritte ist ein Elektroauto heute wesentlich energieeffizienter als ein Auto mit Verbrennungsmotor: Die Elektroautos verbrauchen im Schnitt nur einen Viertel der Energie im Vergleich zu herkömmlichen Autos, die Benzin oder Gas als Treibstoff verwenden.
swissinfo.ch: Wie erklärt sich diese wesentlich höhere Effizienzrate?
M.P.: Der Verbrennungsmotor, den wir seit 100 Jahren verwenden, stellt an sich kein effizientes System dar, weil sehr viel Abwärme produziert wird. Die Abgase können auch eine Temperatur von 900 Grad erreichen. Ein Auto mit Verbrennungsmotor ist eigentlich ein Ofen auf vier Rädern!
Um zu vermeiden, dass der Motor schmilzt, wird die Wärme durch ein Kühlsystem abgeleitet. Tatsache ist, dass nur ein Viertel der Treibstoffenergie in die Fortbewegung des Automobils fliesst; der ganze Rest verpufft in Form von Wärme.
Der Elektromotor erreicht hingegen maximal 100 Grad. Fast die ganze Energie wird in Bewegung umgesetzt. Dazu kommt, dass die frei werdende Energie beim Abwärtsfahren oder Bremsen zurückgewonnen wird. Der Motor funktioniert dann wie in Dynamo und hilft, die Batterien zu laden.
swissinfo.ch: Welche Nachteile weisen Elektroautos auf?
M.P.: Der einzige grosse Nachteil ist der Anschaffungspreis, der 30 bis 40 Prozent über einem Auto mit Verbrennungsmotor liegt. Grund ist der Preis der Batterie, die einen Drittel der Gesamtkosten eines E-Autos ausmacht.
Der Preis hängt nicht nur mit den Materialien zusammen, sondern auch mit der Qualität dieses Energiespeichers. Dieser muss über Jahre starke Vibrationen und grosse Temperaturunterschiede verkraften. Dank des Elektroantriebs fallen viel weniger laufende Kosten an, doch am Anfang ist es so, als würde man ein Auto mit Verbrennungsmotor und zugleich 20'000 Liter Treibstoff kaufen…
swissinfo.ch: Sie haben den Wagen Lampo (Italienisch für Blitz) entwickelt, der in Bezug auf seine Fahrleistung mit einem Ferrari oder Lamborghini vergleichbar ist. Welche Gründe sprachen für die Entwicklung dieses Prototyps?
M.P.: Als wir den Lampo 2009 am Auto-Salon in Genf vorstellten, galt ein Elektroauto einzig als alternatives Fahrzeug für eine urbane Mobilität – als Mittel gegen Umweltverschmutzung und nächtliche Lärmemissionen. Mit dem Lampo wollten wir zeigen, dass ein Elektroantrieb eine Lösung für alle Fahrzeugtypen darstellen kann, vom Lastwagen bis zum Sportwagen.
Angesichts des Preises für die Batterien amortisieren sich die Kosten eher, wenn viele Kilometer zurückgelegt werden. Aus finanziellen Erwägungen eignet sich ein Elektroauto folglich vor allem für Pendler oder als Fahrzeug der Topklasse. Dies erklärt teilweise auch den Erfolg des neuen Herstellers Tesla.
Der Lampo ist für uns zudem wie ein Experimentierfeld, um Technologien auszuprobieren, die wir unseren Kunden anbieten. Beispielsweise geht es um schnelle Ladegeräte, die es erlauben, in sieben Minuten Strom für 100 Kilometer zu "tanken", oder um intelligente Ladegeräte, die etwa auch die Verfügbarkeit von photovoltaischer Energie einkalkulieren.
swissinfo.ch: Laut diversen Studien könnte 2035 die Hälfte aller Automobile elektrisch betrieben sein. Halten Sie diese Prognose angesichts der hohen Anschaffungskosten für realistisch?
M.P.: Ja. Es gibt einen wachsenden Willen, auch von Seiten der Politiker, eine nachhaltige Mobilität zu fördern. Die EU hat beispielsweise Vorschriften erlassen, welche die Fahrzeughersteller zu einer substanziellen Senkung der CO2-Emissionen zwingen (weniger als 95g/km bis 2021).
Viele Länder haben Anreizprogramme geschaffen. In Frankreich hat die Regierung eine Abgabe auf Benzin beschlossen, die in Form von Gewinngutscheinen in Höhe von 10'000 Euro an Personen rückvergütet wird, die Elektroautos kaufen. In Norwegen sind die Mehrheit der verkauften Fahrzeuge bereits Elektroautos. Es ist eine grosse Wende in Gang. Und das genannte Ziel wird in manchen Ländern vielleicht schon vor dem Jahr 2035 erreicht.
swissinfo.ch: Und wie ist die Situation in der Schweiz?
M.P.: Bis anhin gibt es leider auf Bundesebene keine wirkliche Politik zu Gunsten der Elektrofahrzeuge. Der Bund hat das Programm "Minergie" lanciert, um Niedrigenergiehäuser zu fördern, doch es gibt nichts Vergleichbares für den Automarkt. Dabei ist der Anteil der CO2-Emissionen von Autos vergleichbar mit demjenigen von Heizungen.
swissinfo.ch: Stellt der gegenwärtig starke Preisverfall bei Diesel und Benzin ein Risiko für die Elektro-Mobilität dar?
M.P.: Es kann sich um einen vorübergehenden Bremsfaktor handeln. Aber die generelle Entwicklung wird dadurch nicht aufgehalten. Für die Zulassung und Entwicklung von Automobilen rechnet man in Zeitspannen von fünf bis zehn Jahren. Und in dieser Zeit wird der Benzinpreis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit selbst die letzte Hochpreisperiode noch übertreffen.
swissinfo.ch: Damit eine Mobilität mit Elektrofahrzeugen gelingen kann, braucht es ein neues Infrastrukturnetz mit vielen Ladestationen. Wie präsentiert sich die aktuelle Situation?
M.P.: Bisher gab es in diversen Ländern vor allem Initiativen, um die Entwicklung von Elektroautos zu fördern. Tatsächlich fehlt es an einer ähnlichen Initiative für das Infrastrukturnetz. Es gibt jedoch immer mehr Städte und Regionen, die sich dieser Herausforderung stellen. Sie fragen sich, wie viele Ladestationen es braucht und wo diese aufgestellt werden können.
In unserer Firma beschäftigen wir uns unter anderem damit, Studien zu erarbeiten, welche den künftigen Bedarf an Ladestationen für Elektromobile oder Hybrid-Fahrzeuge in bestimmten Regionen oder Städten eruieren. Für Städte wie Stuttgart oder Zürich haben wir "Masterpläne" erstellt, aber auch für Kantone wie Genf oder das Tessin. Und wir zählen darauf, bald weitere Masterpläne auszuarbeiten, auch für Regionen ausserhalb der Schweiz.
Marco Piffaretti
Marco Piffaretti wurde 1965 in Bellinzona (Kanton Tessin) geboren. Er studierte Automobildesign an der Schule für angewandte Künste in Turin und im Art Center College of Design im Kanton Waadt.
Bereits 1986 flammte seine Leidenschaft für nachhaltige Mobilität auf. Damals nahm er als junger Student an der "Tour de Sol" teil, einem Rennen für Fahrzeuge mit Solarantrieb in der Schweiz.
1987 gründete er das Ingenieur- und Design-Unternehmen "Protoscar" mit Sitz im Kanton Tessin, das sich auf die Entwicklung von Ökomobilen und alternativen Antriebsarten spezialisierte.
Von 1994 bis 2001 war Piffaretti Direktor von VEL1 in Mendrisio, einem Pilotprojekt der Eidgenossenschaft, um 400 Elektrofahrzeuge in einer Gemeinde von 10'000 Einwohnern in Betrieb zu nehmen. Seit 2012 ist er Direktor von Infovel, einem Kompetenzzentrum des Kantons Tessin für nachhaltige Mobilität.
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