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Schweizer Verlag wagt den Schritt ins Nordamerika-Geschäft

Mann beim Wandern im Grand-Canyon-Nationalpark, Arizona, USA
Keystone

Brettspiele, Reiseführer, Graphic Novels: Der Schweizer Verlag Helvetiq vertreibt seine Produkte in 40 Ländern weltweit und möchte nun auch in Amerika durchstarten. Die Geschichte eines kleinen Unternehmens mit grossen Ambitionen.

Die Welt mit Graphic Novels, Brettspielen und Reiseführern erobern zu wollen, mag für einen kleinen Schweizer Verlag ein naives Ziel sein. Doch der Erfolg gibt Helvetiq recht: Das 2008 gegründete Unternehmen mit Büros in Lausanne und Basel verkauft seine Produkte mittlerweile in 40 Ländern, darunter Grossbritannien, Brasilien und Japan. Nun wagt es auch den Schritt nach Amerika.

Der von Pro Helvetia unterstützte Verlag hat rund 160 Produkte im Angebot und zählt rund 20 Mitarbeiter:innen. An der Spitze steht Hadi Barkat. Der Gründer und Geschäftsführer von Helvetiq möchte das Image der Schweiz im Ausland aufpolieren.

Hadi Barkkat
Hadi Barkkat, Gründer und Geschäftsführer von Helvetiq. DR

Das Image der Schweiz aufpolieren

“Es gibt eine bestimmte Schweizer Sicht auf die Welt, die man nirgendwo sonst findet”, sagt er. “Diese Schweizer Art zeigt sich auch im Design von Büchern oder Spielen.”

Die USA und das englischsprachige Kanada sind seit längerem ein Ziel für Barkat und sein Team. Seit 2017 verkauft Helvetiq dort Brettspiele. Nun sind es auch Bücher und andere Publikationen. Der Kleinverlag verfügt über einen Vertriebs- und Distributionsvertrag mit Consortium, einem Grossen der Verlagsbranche, der seinen Sitz in Minneapolis hat.

Eine “danteske” Aufgabe

Abgesehen von Nordsüd, ein in der Schweiz gegründeter, aber nun deutscher Buchverlag, sei Helvetiq der einzige, der die Texte seiner Autor:innen selbst in drei Sprachen übersetze, bearbeite und veröffentliche, sagt Barkat nicht ohne Stolz.

Im Klartext heisst das: Helvetiq geht nicht zu einen amerikanischen oder kanadischen Verleger, um Texte ins Französische, Englische und Deutsche übertragen zu lassen. Consortium kümmert sich lediglich um den Vertrieb vor Ort. Die Übersetzungs-, Produktions- und auch Werbearbeit wird komplett in der Schweiz geleistet.

Consortium will die Produkte von Helvetiq auch in Australien und Neuseeland auf den Markt bringen. Im Moment liege der Fokus aber auf den USA, “einem riesigen Markt, auf dem man keine halben Sachen machen darf, wenn man Erfolg haben will”, sagt Barkat.

Die Aufgabe sei “dantesk”, also grandios und furchteinflössend zugleich. Er plant, in den USA zehn bis 15 Titel pro Jahr zu veröffentlichen. “Ich sage gerne, dass wir ein US-Verlag sind”, ergänzt er augenzwinkernd. “Es ist schön, dass wir dort unsere Produkte verkaufen und vermarkten können, ohne von irgendjemandem abhängig zu sein.”

Amerikanerinnen und Amerikaner lieben übersetzte Literatur

Nach rund zwei Monaten Verkauf in den USA zieht Barkat ein erstes Fazit. Die Zahlen seien sehr zufriedenstellend, betont er, bekannt geben möchte er sie allerdings nicht.

Vor allem das Buch “Citizen She!” der Lausanner Journalistin Caroline Stevan wecke das Interesse der amerikanischen Leserschaft. Das farbenfrohe Werk, das für Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren empfohlen wird, behandelt einerseits den historischen Kampf der Frauen um das Wahlrecht und andererseits den aktuellen Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter.

“Citizen She!” wurde von der Junior Library Guild, einer grossen US-Vereinigung von Bibliotheken, ausgewählt und ins Sortiment aufgenommen. “Die Hälfte aller in den USA verkauften Bücher geht in die Bibliotheken”, sagt Barkat.

“Die Amerikanerinnen und Amerikaner lesen gerne übersetzte Bücher. Das ist unsere Chance, Schweizer Schriftstellerinnen und Schriftsteller in den USA bekannt zu machen.”

Förderung von Schweizer Werken

Barkat möchte in Zukunft auch vermehrt auf anspruchsvollere Belletristik setzen. Der Aufwand, den man für Literatur betreibe, sei grösser als der für Reise-Guides, Sachbücher oder Brettspiele, sagt er.

Bei der Belletristik ist die Übersetzung schwierig: Sie erfordert ein Gefühl für die Sprache und die poetische Welt, die jeder Schriftstellerin und jedem Schriftsteller eigen ist.

Caroline Coutau, die den Verlag Éditions Zoé in Genf leitet, kennt die Schwierigkeit dieser Aufgabe. “Ich selbst wähle unsere Übersetzerinnen und Übersetzer sehr sorgfältig aus, denn sie müssen erfahren sein und ein Gespür für den einen oder die andere Autorin haben, um nicht den Geist des Textes zu verraten.”

Auch Helvetiq wählt seine Übersetzer:innen selbst aus. “Es sind Personen, die wir kennen und deren Arbeitsqualität wir beurteilen können. Unser englischsprachiges Team überprüft zudem die übersetzten Texte nochmals”, sagt Barkat.

Als Beispiel nennt er “Derborence”, ein fiktionales Werk des grossen Waadtländer Schriftstellers Charles Ferdinand Ramuz, das der Genfer Fabian Menor adaptiert und illustriert hat.

Das Werk wurde auf Französisch als Graphic Novel veröffentlicht und erscheint im April auch in den USA. Die Übersetzung ins Englische übernahm die in der Schweiz lebende Amerikanerin Michelle Bailat-Jones, die, wie Hadi Barkat sagt, “ein Fan von Ramuz” ist.

Der Durst nach Bier

Belletristik hat natürlich ihre Leserschaft, aber erreichen nicht Sachbücher eher ein weltweites Publikum? “Ja”, antwortet Coutau, die über eine langjährige Erfahrung im Bereich des Literaturschaffens verfügt.

Reisebücher oder Brettspiele würden problemlos in der ganzen Welt ein Publikum finden. Ein Konzept wie das Wandern zum Beispiel, das Helvetiq sehr gut entwickelt habe, “lässt sich leichter umsetzen als ein Roman”, meint sie.

So ist die breit angelegte Buchreihe zum Thema Bier-Wandern zu einem grossem Erfolg für Helvetiq geworden. Die Idee wurde in vielen Versionen umgesetzt, mit jeweils speziellen, auf jedes Land zugeschnittenen Routen. Am Ende jeder Route steht jeweils die Adresse einer Brauerei, wo die Wandernden ihren Durst löschen können.

Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer

Übertragung aus dem Französischen: Christoph Kummer

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