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Die haitianischen Diktatoren-Gelder bleiben eine Knacknuss

Gericht
Der ehemalige haitianische Diktator Jean-Claude Duvalier im Jahr 2013 während einer Gerichtsanhörung in Port-au-Prince. Keystone / Dieu Nalio Chery

Mehr als 30 Jahre nach dem Sturz von Jean-Claude Duvalier hat Haiti das Vermögen immer noch nicht zurückerhalten, das der Diktator und seine Familie in der Schweiz deponiert hatten. Schuld daran sind juristische Ränkespiele, die die Schweizer Gerichte bis heute beschäftigen.

15 Jahre lang hat Jean-Claude Duvalier Haiti terrorisiert und Millionen von Dollar abgeschöpft, um seinen extravaganten Lebensstil zu finanzieren. Die von «Baby Doc» begangenen Verbrechen zwischen 1971 und 1986 werden heute in Geschichtsbüchern gelehrt. Dabei ist die Geschichte längst nicht abgeschlossen: Die haitianische Bevölkerung wartet noch immer auf die Millionen Dollars, die der Duvalier-Clan in der Schweiz versteckt hatte.

Das Thema beschäftigt Behörden und Gerichte seit mehr als 30 Jahren. Eben erst haben die Richter am Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde betroffener Erben abgewiesen. Nun folgt das jüngste Kapitel in der nicht enden wollenden Geschichte um die Vermögen des Duvalier-Regimes.

Bereits 1986 schickte Port-au-Prince ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz. Erst 2002 beschloss der Bundesrat, Duvalier-Gelder in Banken in Genf, Waadt und Zürich einzufrieren – insgesamt 7,6 Millionen Franken. 2009 kündigte das Bundesamt für Justiz an, die Gelder würden zurückerstattet. Ein Jahr später hob das Bundesgericht jedoch den Entscheid nach einer Beschwerde der Duvaliers auf. Im Jahr 2011 beantragte wiederum das Eidgenössische Finanzdepartement, die Vermögenswerte sollen beschlagnahmt werden.

Neben den Duvaliers platzierten auch Personen aus dem Umfeld des Clans Millionen in der Schweiz – die sogenannten «Barone der Diktatur». Etwa Frantz Merceron, von 1982 bis 1985 Minister für Wirtschaft, Finanzen und Industrie der Republik Haiti. In dem 1987 vom haitianischen Justizminister veröffentlichten StFleur-BerichtExterner Link wurde er als Bankier der Duvaliers beschrieben, der bei der Veruntreuung öffentlicher Gelder half und sie bei ihren Einkaufstouren ins Ausland begleitete.

Im Jahr 2015 gab die Whistleblowing-Plattform SwissLeaksExterner Link erstmals bekannt, dass Frantz Merceron ein Konto bei HSBC hatte. Doch damit nicht genug: Gemäss einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) vom September 2020 war der ehemalige Minister auch Kunde der Credit Suisse in Genf.

Das Konto wurde von Opaline Group Services SA kontrolliert, einer panamaischen Gesellschaft, die im November 2000 gegründet wurde, vier Monate vor der Eröffnung der Geschäftsbeziehung mit der Credit Suisse. Im Oktober 2001 waren von einem anderen Konto, dem der Opaline-Stiftung mit Sitz in Liechtenstein, mehr als 6 Millionen Franken auf das Konto überwiesen worden.

Als Reaktion auf einen Artikel in Le Monde diplomatique von 1986, in dem die «Privatisierung des haitianischen Staates» und die systematische Veruntreuung von Geldern durch die Duvalier-Dynastie beschrieben wurde, schrieb Merceron in einem Brief an die Zeitung: «Die mir in Ihrem Artikel zugeschriebenen Transfers sind im ersten Fall rein privater Natur, es handelt sich um Gelder, die über einen langen Zeitraum angespart wurden und belegt sind, und im zweiten Fall frei erfunden und ohne jeden Beweis.»

Im Jahr 2005 starb Frantz Merceron plötzlich. Seine Witwe Muriel wurde die Begünstigte des Kontos der Credit Suisse, auf dem 2011 noch immer mehr als vier Millionen Euro lagen. Der Bundesrat beschloss, dieses Konto im Jahr 2012 zu sperren, was das Bundesgericht trotz der Beschwerde von Muriel Merceron und der Opaline Group Services AG bestätigte.

Anfang 2020 unternahm das Finanzdepartement schliesslich den ersten Schritt zur Rückerstattung der Vermögenswerte von Merceron an Haiti, indem es die Beschlagnahmung dieser Millionen anordnete. Doch dann starb Muriel Merceron am Tag nach dieser Entscheidung.

Ihre Nachfahren fechten gemeinsam mit der panamaischen Opaline Group Services SA die Beschlagnahmung an. Die St. Galler Richter haben soeben die Beschwerde zurückgewiesen, da die beschlagnahmten Vermögenswerte auf den Namen Opaline lauten, und die Merceron-Nachfahren aus dem Verfahren entlassen.

Gemäss Informationen des panamaischen Handelsregisters sind der Vermögensverwalter Arturo Fasana und der Genfer Anwalt Dante Canonica die Direktoren von Opaline Group Services SA. Das Unternehmen wird – wie auch die Nachfahren von Muriel Merceron – von Laurent Moreillon vertreten.

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