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Zürcher Studierende tüfteln an Elektroflugzeug

avion électrique e-Sling
Bereit, den Hangar zu verlassen: Der e-Sling erlebte am 30. September seine offizielle Taufe. swissinfo.ch

Letzte Woche flog ein viersitziges Elektroflugzeug über den Flugplatz von Dübendorf. Entwickelt haben es Studierende. Das freut auch den Schweizer Pionier der nachhaltigen Luftfahrt, Bertrand Piccard.

Rund 20 angehende Maschinenbau- und Elektroingenieur:innen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) haben im Rahmen ihrer Bachelorarbeit ein Elektroflugzeug entwickelt. Zwei Jahre lang entwarfen, bauten und testeten sie das Flugzeug in einem Hangar im Innovationspark in Dübendorf. Dieser ist für manche fast zu einem zweiten Zuhause geworden.

Die Hülle des einmotorigen Viersitzers wurde allerdings nicht in der Schweiz gebaut. Die Teile stammen aus einem Flugzeugbausatz des südafrikanischen Herstellers Sling Aircraft, daher der Name e-Sling. Die Arbeit der jungen Tüftler:innen liegt vor allem im «e». Mit einigen Anpassungen wurde der herkömmliche Verbrennungsmotor durch einen elektrischen Antrieb ersetzt. Dieser wird von einem modularen Batteriesystem gespeist.

In der letzten Septemberwoche wurde das Flugzeug aus seinem Hangar geholt. Es konnte endlich abheben. Sieben Testflüge, darunter der letzte vor den Medien, markierten den offiziellen Start von e-Sling.

Batterie e-sling
Das Herzstück des Projekts sind die selbst gebauten Batteriemodule. Marc Bührer, Bührer Content Management

Wie bei allen elektrisch betriebenen Verkehrsmitteln sind auch beim e-Sling die Batterien und ihr Gewicht der entscheidende Punkt. Gerade im Falle eines Flugzeugs zählt jedes Gramm. Der Motor wiegt zwar nur 42 kg. Doch die Batterien, die in den Flügeln untergebracht sind, wiegen 224 kg. Damit kann das Flugzeug etwa eine Stunde fliegen und 180 Kilometer zurücklegen.

Das ist nicht schlecht, aber natürlich noch nicht ausreichend. Der nächste Schritt wird die Entwicklung eines Wasserstoffantriebs mit Brennstoffzellen sein, die direkt aus der Oxidationsreaktion von Wasserstoff Strom erzeugen. Das Verfahren ist seit dem frühen 19. Jahrhundert bekannt. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, diese Systeme leichter und billiger zu machen.

Das Flugzeug mit einem Wasserstoffantrieb auszustatten, wird die Aufgabe einer zukünftigen Studierendengruppe sein. Der e-Sling ist ein so genanntes Fokusprojekt, bei dem junge Menschen ihr theoretisches Wissen in die Praxis umsetzen können. Es endet nicht, wenn die Studierenden ihr Studium beendet und die Hochschule verlassen haben. Sondern wird an die nächste Generation weitergegeben, so wie man bei einem Staffellauf den Stab weitergibt. Die Gruppe, die gerade das Ruder übernommen hat, ist bereits die dritte.

Pionier ist erfreut

Bertrand Piccard begrüsst Initiativen wie die der Zürcher Studierenden. Zusammen mit dem Piloten André Borschberg unternahm Piccard in den Jahren 2015 bis 2016 die erste Null-Emissions-Weltumrundung an Bord des Flugzeugs Solar Impulse. Nun ist er Präsident der gleichnamigen Stiftung.

«Unser Ziel mit Solar Impulse war es, eine Botschaft zu transportieren und nicht Passagiere. Wir wollten zeigen, dass mit sauberen Technologien Ziele erreicht werden können, die auf den ersten Blick unmöglich erscheinen. Unsere schönste Belohnung ist nun, dass wir Projekte sehen, die von diesem Geist inspiriert sind», schreibt Piccard auf Anfrage von SWI swissinfo.ch.

Laut Piccard gibt es heute weltweit mehr als 600 Projekte für die Elektrofliegerei. Darunter die Pipistrel Velis, die in Slowenien hergestellt und in der Schweiz als Schulflugzeug eingesetzt wird. Oder H55, die direkte Weiterentwicklung der Technologie von Solar Impulse. «André Borschberg hat grosse Fortschritte bei der Entwicklung eines elektrischen Antriebssystems gemacht, das in allen Flugzeugen einsetzbar ist», so Piccard. H-55 hat kürzlich einen Vertrag mit dem amerikanischen Triebwerkshersteller Prat & Whitney unterzeichnet, um ein 20-sitziges Flugzeug zu elektrifizieren.

Bertrand Piccard et André Borschberg
Bertrand Piccard (links) und André Borschberg, 2021 auf dem Flughafen Sion nach einem Testflug an Bord der Bristell Energic von H-55. Keystone / Jean-christophe Bott

Hinzu kommen zahlreiche Projekte im Zusammenhang mit Wasserstoff. Der anglo-amerikanische Hersteller Zeroavia kündigte für 2025 ein 20-sitziges Flugzeug mit einer Reichweite von 500 Kilometern an. Und Airbus plant für 2035 ein Mittelstreckenflugzeug. «Aber es ist immer noch ein grosser Schritt von der Absicht bis zur Umsetzung», gibt Piccard zu bedenken.

Und wo rangiert die Schweiz in diesem Wettlauf um saubere Flugzeuge? Laut Piccard hat sein Land zwar eine lange Tradition der Innovation. Was aber die Elektrofliegerei und Drohnen angehe, sei sie – abgesehen von Solar Impulse und H-55 – anderen Ländern wie Frankreich, den USA oder China nicht voraus.

Adaptiert aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi

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