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Aids: Zu viel Hoffnungen in einen Impfstoff?

Kürzlich wurde die Entdeckung eines neuen Impfstoffs gegen Aids bekanntgegeben. Aber: Ist das wirklich der richtige Weg? Keystone

Staunen, Erwartung, Skepsis: Die Meldung über einen experimentellen Impfstoff, der das Risiko einer HIV-Infizierung einschränken soll, hat weltweit Aufmerksamkeit erzeugt in Sachen Aids und Möglichkeiten zur Blockierung des Virus.

Jedes Jahr infizieren sich weltweit über zwei Millionen Menschen mit dem HI-Virus. Trotz den Fortschritten in den letzten Jahren mit Therapien, die das Fortschreiten der Infektion bremsen können, bleibt Aids weiterhin eine unheilbare Krankheit.

Seit der Entdeckung des Virus 1983 stand die Idee eines Anti-HIV-Impfstoffs immer im Zentrum der Forschung. Aber die Aufgabe erwies sich von Beginn an als schwierig. Deshalb gab es weltweit einen Hoffnungsschimmer, als Ende September einige thailändische und amerikanische Forscher bekanntgaben, sie hätten einen Impfstoff entdeckt, der das Aids-Risiko um 31% einschränken könne.

Laut der Weltgesundheits-Organisation (WHO) ist es das erste Mal, dass ein experimenteller Impfstoff ein solches Resultat erbracht hat.

Die Meldung sollte jedoch mit der gegebenen Vorsicht aufgenommen werden, mahnt Bernard Hirschel, Chef der HIV/Aids-Abteilung am Universitätsspital in Genf. «Auch wenn an dem Versuch über 16’000 Personen beteiligt waren, bleibt die Anzahl in der Realität eher begrenzt», sagt er gegenüber swissinfo.ch.

«Mit 74 Personen, die in der Placebo-Gruppe angesteckt wurden, gegenüber 51 geimpften Personen, hat der Versuch keine solide statistische Relevanz. Man kann also nicht ausschliessen, dass das Resultat zufällig ist», so Hirschel.

Ein Virus mit tausend Gesichtern

Aus wissenschaftlicher Sicht liegt die Schwierigkeit bei der Schaffung eines Impfstoffs in der Natur des Virus, der fähig ist, sich im menschlichen Körper zu verändern. «Im Fall von Infektionen, gegen die es einen Impfstoff gibt – wie zum Beispiel bei Masern – , haben die Personen eine immune Reaktion. Bei Aids ist dies aber nicht der Fall», sagt Hirschel. «Das HI-Virus zerstört die Zellen des Immunsystems beziehungsweise jene Zellen, die bei der Impfaktion stimuliert werden müssten.»

Wegen der geringen Resultate der bisherigen Versuche haben sich die Forscher diesmal für eine Kombination von zwei Impfstoffen entschieden: ein Impfstoff zur Verstärkung der Immunität gegenüber den Angriffen des Virus und ein anderer zur Verstärkung der Reaktion des Organismus.

Für Hirschel geht es darum zu begreifen, «warum nur 31% der freiwilligen Versuchspersonen geschützt wurden, und welche Immunreaktion in ihrem Abwehrsystem enthalten ist». Falls das Experiment diese noch ungelösten Fragen beantworte, könne es für weitere Tests von neuen Impfstoffen genutzt werden.

Bernard Hirschel schliesst nicht zum vornherein aus, dass angesichts der Schwierigkeiten und der Natur des HI-Virus dieses Forschungsgleis für den Impfstoff in Zukunft wieder aufgegeben werden könnte.

«Vielleicht ist es auch nicht realistisch, darüber nachzudenken, einen Impfstoff gegen diese Krankheit zu schaffen – und es ist daher unabdingbar, weiter an einer Therapie gegen eine HIV-Infektion zu forschen.»

Prävention vor Heilung

In der Schweiz leben etwa 25’000 Personen mit dem HI-Virus. Doch dank dem generellen Zugang zu antiretroviralen Therapien ist ihre Lebenserwartung in den letzten Jahren bedeutend gestiegen.

«Bei konstanter und regelmässiger medizinischer Überwachung hilft diese Kur den Betroffenen, ein ’normales› Leben zu führen, und sie können die Krankheit nicht mehr sexuell weitergeben», sagt Thomas Lyssy, Sprecher der Aidshilfe Schweiz, gegenüber swissinfo.ch.

Abgesehen von der Schaffung eines Impfstoffs liegen die Prioritäten in der Schweiz «bei der Prävention und im Kampf gegen Diskriminierung», unterstreicht Lyssy. «Praktisch jeden Tag erleben HIV-positive Menschen Ablehnung, Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung hautnah. Und das vom Moment an, an dem sie erklären, HIV-positiv zu sein.»

Trotz den Präventionskampagnen wurden 2008 in der Schweiz weitere 700 Menschen positiv auf HIV getestet. Eine alarmierende Zahl, die indirekt und paradoxerweise auf jene medizinischen Fortschritte zurückzuführen ist, die das Leben der HIV-Positiven verbessert haben.

Die neuen Therapien haben der Krankheit Aids einen Teil ihrer Bedrohung genommen und sind nicht unbedingt förderlich für präventives Verhalten. «Die Sensibilisierungs-Kampagne bleibt daher eine Priorität, besonders bei gefährdeten Gruppen wie Homosexuellen und Migranten», betont Lyssy.

Stefania Summermatter, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud und Christian Raaflaub)

Rund 33,2 Millionen Menschen leben mit HIV/Aids.

2007 infizierten sich 2,5 Millionen Menschen neu mit HIV.

2,1 Millionen Menschen starben 2007 an Aids.

Gegen 28 Millionen Menschen sind bereits an den Folgen von Aids gestorben.

Über 65% der Menschen mit HIV/Aids leben in Afrika, südlich der Sahara (22,5 Mio.).

Mindestens 80% der Menschen mit HIV/Aids, die eine HIV-Therapie benötigen, haben keinen Zugang zu medizinischer Behandlung.

In der Schweiz wurden bisher insgesamt über 30’000 positive HIV-Testresultate gemeldet.

In der Schweiz leben rund 25’000 Menschen mit HIV und Aids.

Seit Beginn der Epidemie bis Ende Dezember 2007 wurden über 8600 Aidsfälle gemeldet.

5738 Menschen sind an den Folgen von Aids gestorben.

2007 wurden 761 neue positive HIV-Testresultate gemeldet, der Frauenanteil beträgt 26%.

Von allen Ansteckungen beruhen etwa 45% auf heterosexuellen Kontakten.

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