Darwin, der Urknall und der Mond
Für die Wissenschaft ging das Jahr in der Schweiz mit einem Knall zu Ende: In der "Urknallmaschine", dem Teilchenbeschleuniger im Atomforschungszentrum CERN, prallten erstmals Protonenstrahlen aufeinander – nach Monate langen Verspätungen.
2009 markierte auch wichtige Jahrestage für Darwin sowie die Erforschung des Mondes. Und Schlagzeilen machten zudem die Entdeckung eines roten Sees und Erkenntnisse über Sex.
Wissenschaftler am Europäischen Kernforschungszentrum (CERN) in Genf gaben die bahnbrechenden Resultate ihrer ersten Experimente im Teilchenbeschleuniger (Large Hadron Collider, LHC) am 23. November bekannt.
«Das sind grossartige Neuigkeiten, der Anfang einer fantastischen neuen Ära in der Physik», erklärte die Teilchenphysikerin Fabiola Gainotti.
Die Physiker erhoffen sich von den Experimenten neue Einblicke in die Tiefe der Materie, Hinweise auf den Ursprung des Urknalls. Der LHC, die weltweit grösste solche Maschine, hat bei den ersten Versuchen bereits den Weltrekord für Protonen-Beschleunigung gebrochen.
Der LHC war 10. September 2008 mit viel Trara – und nicht wenigen Befürchtungen, zum Beispiel von Nutzern von swissinfo.ch – erstmals angefahren worden. Nur neun Tage später legte eine elektrische Panne die Maschine lahm.
Die Reparaturarbeiten dauerten rund 14 Monate. Kurz vor der geplanten Wiederaufnahme des Betriebs hatte ein Brotkrümel, den ein Vogel in einer Aussenanlage verloren hatte, noch zu einem Kurzschluss geführt und einen Notstopp ausgelöst.
Darwin und die Affen
Wie der vor 200 Jahren geborene Charles Darwin diesen Zwischenfall interpretiert hätte, ist natürlich nicht bekannt. Das Leben und Werk des britischen Forschers wurden auch in der Schweiz gewürdigt. Vor 150 Jahren erschien Darwins Paradewerk «Von der Entstehung der Arten».
Daniel Cherix, Professor für Ökologie und Evolution an der Universität Lausanne, hatte im Februar gegenüber swissinfo.ch erklärt, das Darwin-Jubiläumsjahr könne dazu beitragen, einige der Mythen abzubauen, die sich bis heute um Darwin und dessen Theorien rankten.
Etwa die berühmte Aussage «der Mensch stammt vom Affen ab»: Diese Zusammenfassung des Darwinismus, die auch heute oft noch auftaucht , erklärte Cherix, sei «eine falsche Interpretation seiner Theorie».
“Er hatte nie gesagt, der Mensch stamme vom Affen ab, sondern dass die Arten der Familie der Hominiden untereinander verwandt seien und zu einem gewissen Zeitpunkt alle einen gemeinsamen Vorfahren gehabt hätten. Das ist etwas ganz Anderes.»
Darwins Aussage war zu seiner Zeit schockierend – und für gewisse Leute ist sie dies bis heute geblieben. 2006 ergab eine internationale Umfrage des Wissenschaftsmagazins Science, dass in der Schweiz einer von drei Befragten der Ansicht war, es sei «definitiv falsch», dass der Mensch sich aus früheren Tierarten heraus entwickelt habe.
Eine nicht repräsentative Umfrage von swissinfo.ch zur Frage, ob Menschen und Schimpansen einen gemeinsamen Vorfahren hätten, ergab 2009 ein ähnliches Resultat: Etwa ein Drittel sagte Nein.
Der Mond und die Uhr
2009 war auch ein Jubiläumsjahr in der bemannten Raumfahrt: 1969 hatte der erste Mensch seinen Fuss auf den Mond gesetzt. Der bisher einzige Schweizer Astronaut, Claude Nicollier, war damals 24.
Er beschrieb die erste Mondlandung als einen «magischen, wunderbaren Moment». Nicollier nahm als Astronaut an Missionen der NASA teil, der amerikanischen Weltraumbehörde. Auf dem Mond war er aber nie.
Doch eine Schweizer Uhr hat das geschafft: Der erste Mann auf dem Mond, Neil Amstrong, liess seine im Mondmodul auf dem Erd-Trabanten zurück. Und auch Buzz Aldrin, der zweite Mann auf dem Mond, trug eine Omega Speedmaster.
Eine wichtige Rolle spielte die Uhr später bei der dramatischen Mission Appollo-13: Nachdem eine Explosion das Shuttle schwer beschädigt hatte, musste die Crew den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre manuell vollziehen und war dabei auf eine präzise Zeitmessung angewiesen.
«Als Anerkennung der Rolle der Speedmaster erhielt Omega von der NASA einen ‹Snoppy›, die höchste ihrer Auszeichnungen», rief Omega-Präsident Stephen Urquhart in Erinnerung.
Berge und … Sex gegen Parasiten
2009 war auch ein Jahr neuer Entdeckungen: Im Silvretta-Gebirge nahe der Grenze zu Österreich stiessen Archäologen auf das Fundament der bisher ältesten Alphütte, aus einer Zeit vor fast 3000 Jahren.
Die Forscher gehen nun davon aus, dass Hirten offenbar schon im frühen Eisenzeitalter die Sommer mit ihren Tieren im hohen Alpgelände verbrachten und wahrscheinlich auch Käse produzierten, ähnlich wie heute.
Zunächst für Unruhe gesorgt hatte der Seealp-See im Alpstein im Appenzellerland, der sich im Sommer plötzlich blutrot verfärbte. Die Behörden standen vor einem Rätsel und stoppten die Trinkwassernutzung, bis Forscher Entwarnung gaben.
Die rote Farbe war von einer Alge verursacht worden, der «Tovellia sanguinea». Es war das erste Mal, dass dieses Phänomen in der Schweiz beobachtet wurde. Zuvor war es in Europa nur aus einem See in den Trentiner Alpen bekannt gewesen.
Auch in Sachen Sex berichteten Wissenschaftler 2009 über neue Erkenntnisse: «Es ist nicht einfach offensichtlich, worin der Vorteil der sexuellen Reproduktion liegt», sagte der Evolutionsbiologe Jukka Jokela. Denn auf den ersten Blick könnten asexuelle Reproduktion oder Klonen effizienter scheinen.
Bei Forschungsarbeiten mit einer bestimmten Schneckenart stiess Jokela auf Beweise, die darauf schliessen lassen, dass sich die sexuelle Reproduktion entwickelt haben könnte, um Parasiten besser abwehren zu können.
Mit einem Zwinkern liesse sich also sagen, dass die oft ärgerlichen Parasiten offenbar auch ihr Gutes haben können.
Isobel Leybold-Johnson, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)
Die Schweiz ist stolz auf ihren hohen Standard in wissenschaftlicher Forschung und Entwicklung, und dies seit Jahrhunderten.
Zu den führenden Institutionen gehören die Eidgenössisch-Technischen Hochschulen in Zürich (ETHZ) und in Lausanne (EPFL) sowie das Paul Scherrer Institut (PSI).
Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) ist die wichtigste Schweizer Institution zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Der SNF unterstützt pro Jahr 7000 Forschende, 5500 von ihnen sind unter 35-jährig.
Von den 27’480 Personen, welche 2004 in der tertiären Bildung tätig waren, waren gemäss dem Bundesamt für Statistik 11’895 Ausländer.
Schweizer und in der Schweiz wohnhafte Wissenschaftler wurden mehrfach mit dem Nobelpreis ausgezeichnet,.
So ging der Nobelpreis für Chemie 2002 an den Schweizer Kurt Wüthrich für seine Forschung mit Proteinen.
Und Albert Einstein lebte in Bern, als er an seinen bahnbrechenden Theorien arbeitete.
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