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Das Packeis, Archiv zur Erforschung des Weltklimas

Grönland löst sich langsam auf. Keystone

2007 ist das Internationale Polarjahr. Deshalb lanciert die in Genf angesiedelte UNO-Organisation für Meteorologie das umfangreichste Polarforschungs-Programm der letzten 50 Jahre.

Wissenschafter aus 60 Ländern erforschen die Bedeutung der Polkappen für das planetarische Gleichgewicht. Die Schweiz beteiligt sich aber offiziell nicht am Programm.

Im Jahr 2070 könnte das Packeis der Arktis rund um den Nordpol bereits Geschichte sein. Dies wenigstens behaupteten schon vor Jahren Forscher, welche die Folgen des Treibhauseffekts und des Klimawandels untersuchen.

Seither haben die warnenden Stimmen noch zugenommen. Die amerikanische Weltraumbehörde NASA beispielsweise hat festgestellt, dass zwischen 2004 und 2005 die Arktis um eine Eisfläche von der Grösse der iberischen Halbinsel geschrumpft ist.

UNO-Klimaexperten rechnen im jüngst vorgestellten vierten Expertenbericht zur Klimaentwicklung damit, dass das arktische Eis zwischen 2050 und 2100 gänzlich geschmolzen sein könnte.

Die Sorge um die Arktis betrifft weit mehr als das Schicksal von Eisbären und Eskimos. Es geht um den ganzen Planeten. Ohne Packeis gibt es auch in den Tropen kein Überleben.

Die Zukunft der Polargebiete steht denn auch im Mittelpunkt des Internationalen Polarjahres, das am 1. März 2007 beginnt. «Wir wollen mehr über diesen wichtigen Indikator des Klimawandels erfahren», sagt Mark Oliver, Sprecher des Weltverbandes der Meteorologen, einer der Initianten des «International Polar Year» (IPY).

Geheimnisse lüften

Bis zum 1. März 2009 stehen rund 220 naturwissenschaftliche Projekte auf der IPY-Agenda. Es geht um physikalische, chemische und biologische Aspekte der Arktis sowie um umfangreiche Klimastudien.

An den beiden Polen der Erde will man in bisher unerforschte Gebiete vordringen. In den Tiefen des Packeises wird die Entwicklung der Erdgeschichte untersucht, ausserdem werden Lebensformen unter extremen klimatischen Bedingungen unter die Lupe genommen.

«Es handelt sich um das umfangreichste Polarforschungs-Programm der letzten 50 Jahre», betont Oliver. Die Kosten für alle Kongresse, Expeditionen oder Ausstellungen während des langen Polarjahres belaufen sich auf mehrere Milliarden Dollar.

Schweiz nur Zuschauerin

Die Liste der Länder, die am Polarjahr teilnehmen, ist lang. 60 Staaten sind beteiligt, aber nicht die Schweiz. Dies überrascht, zumal die Schweiz einen guten Ruf in der Polarforschung hat. Vor allem die Universität Bern und die Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) haben sich profiliert.

«Es ist tatsächlich keinerlei Aktivität vorgesehen, die direkt mit dem IPY zusammen hängt», bestätigt Urs Scherrer, Präsident des Schweizer Komitees für Polarforschung. Man arbeite aber an eigenen Langzeitforschungen.

Heinz Blatter, Glaziologe am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich, erklärt die mangelnde Beteiligung der Schweiz so: «In der Schweiz gibt es einfach kein nationales Institut für Polarforschung.» Die Teilnahme hänge daher stark von der privaten Initiative einzelner Forscher ab.

«Diese Absenz schliesst uns aber nicht aus dem internationalen Forscherkreis aus. In einigen Forschungsbereichen gehören wir sogar zur Weltspitze», sagt Urs Scherrer.

Kritische Stimmen

Doch nicht von allen Seiten tönt es so positiv. Es gibt in der helvetischen Forschergemeinschaft auch einige kritische Stimmen.

Die Schweiz begnüge sich mit einer passiven Zuschauerrolle, tönt es etwa. Zudem würde die Eidgenossenschaft mit 200’000 Franken im Jahr angesichts eines Gesamtvolumens von 300 Mio. Franken an Forschungsgeldern viel zu wenig Mittel in die Polarforschung investieren.

Offenbar gibt es auch einen gewissen Neid zwischen den Projekten der einzelnen Forscher. Dabei sollte das Internationale Polarjahr gerade die Zusammenarbeit fördern.

swissinfo, Luigi Jorio
(Übertragen aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Erstmals wurde das Internationale Polarjahr 1882 lanciert.

Der Anlass galt in Wissenschaftskreisen als erstes umfassendes internationales Forschungsprojekt.

Das International Polar Year (IPY) wurde bisher 2 Mal organisiert, 1932 und 1957. Die dritte Ausgabe ging einher mit der Erforschung der Antarktis und der Ausarbeitung des Antarktis-Vertrags.

Am IPY 2007 bis 2009 beteiligen sich rund 20’000 Personen. Es findet gleichzeitig zu dem von der UNO ausgerufenen internationalen Jahres des Planeten Erde statt (2008).

Die Arktis ist der nördlichste zirkumpolare Erdgürtel und bedeckt Teile von Russland, Alaska (USA) und Kanada sowie Grönland (Dänemark), Lappland (Norwegen, Schweden, Finnland) und Spitzbergen (Norwegen), ferner den großenteils von Eis bedeckten Arktischen Ozean (Nordpolarmeer).

Anders als der südlichste zirkumpolare Erdgürtel, die im Wesentlichen als ein eigener Kontinent charakterisierte Antarktis, erstreckt sich die Arktis über Nordamerika, Asien und Europa.

Schweizer Forscher beteiligen sich seit rund 100 Jahren an der Erforschung der Arktis und Antarktis.

Wissenschafter der Universität Bern konnten beispielsweise neue Erkenntnisse über die Entwicklung der Treibhausgase in den letzten 650’000 Jahren gewinnen.

Dazu analysierten sie Packeis bis in eine Tiefe von 3000 Metern.

Die Schweiz hat 2006 den 50. Jahrestag der Gletscher–Expedition nach Grönland begangen. Die Expedition von 1956 war von Schweizer Forschern lanciert worden.

Vor zwei Jahren wurde die Schweizer Kommission für Polarforschung 20 Jahre alt.

Zugleich wurde sie Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission für die Antarktis-Forschung.

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