Der Impfstoff ist bald in Griffweite
Seit 40 Jahren werden Impfstoffe gegen Malaria erforscht und klinisch getestet. Das Ende der gefährlichen Krankheit ist aber immer noch in weiter Ferne. Wissenschaftler entwickelten immerhin einen Stoff, der den Parasiten im menschlichen Körper abtötet.
Er trägt die Bezeichnung RTS,S. Unter den rund 20 Impfstoffen gegen Malaria hat sich RTS,S in Tests als der vielversprechendste erwiesen.
In sieben Ländern Afrikas befinden sich aktuell 16’000 Kinder zwischen 5 und 17 Jahren in der Phase III der klinischen Tests. Laut einer Zwischenauswertung vermindert das Vakzin bei ihnen den Ausbruch der Krankheit um 50%.
Auf den ersten Blick scheint das Ergebnis enttäuschend, wirken doch die meisten Impfstoffe in 90% der Anwendungen. «Es hängt davon ab, ob man das Glas als halb voll oder halb leer betrachtet», sagt Blaise Genton vom Tropeninstitut Basel, das seit 20 Jahren aktiv nach einem Malaria-Impfstoff forscht.
«Wenn man auf diesem Gebiet forscht, bedeutet eine Verminderung um 50% ein grosser Schritt. Er ist zwar nicht riesig, aber immer noch viel besser als 0%, selbst wenn es sich nur um theoretische Zahlen handelt. Denn man wird nie 100% der Kinder impfen können, um diesen Schutz von 50% zu erreichen», sagt der Professor.
Dies sieht auch Bernard Pécoul so, Direktor der Stiftung Drugs for neglected diseases initiative (DNDi) in Genf. «Wichtig ist vielmehr der erstmalige Nachweis, dass ein Impfstoff überhaupt wirkt. Dies ist ein fundamentaler wissenschaftlicher Fortschritt.»
In Bezug auf die öffentliche Gesundheit dagegen wäre die Verminderung der Krankheit um 50% pro Jahr ein ungenügender Wert, weil er jährlich wiederholt werden müsste, relativiert Pécoul.
Die beiden Experten sind sich aber einig: RTS,S ist ein Durchbruch, auf dessen Grundlage die nächste Stufe des Impfstoffs entwickelt werden kann. Und dieser Impfschutz wird höher sein als die 50% der aktuellen Version.
Kein Allerheilmittel
Der Erreger von Malaria hält sich hartnäckig. Es wird angenommen, dass der Parasit vor über 10’000 Jahren bereits unseren Vorfahren zu schaffen gemacht hatte, als diese begannen, sesshaft zu werden. Am gefährlichsten ist das Plasmodium falciparum, führt doch dieser einzellige Parasit zur tropischen Malaria. Sie ist für den Menschen lebensgefährlich, weil der Erreger das Immunsystem seines Wirts austrickst.
Der Malaria-Impfstoff wird der erste sein, der Menschen gegen einen Parasiten beschützen muss, der sich dauernd verändert. Und das in einer Geschwindigkeit, die viel höher ist als bei Viren und Bakterien.
Ist der Parasit einmal in den Körper gelangt, kann er nicht aus eigener Kraft zum nächsten Opfer gelangen. Deshalb ist er auf die weibliche Anopheles-Mücke angewiesen: Sticht sie einen Menschen und saugt eine kleine Menge von dessen Blut, nimmt sie gleichzeitig Malaria-Erreger auf. Diese können sich in den nächsten zehn Tagen im Körper der Mücke vermehren. Beim Stich des nächsten Menschen wird dieser gleichzeitig mit dem Parasiten infiziert.
Der Kampf gegen Malaria wird an drei Fronten geführt: Eindämmung der Mücken und Verhinderung der Stiche an Menschen mittels imprägnierter Netze, Behandlung der infizierten Menschen sowie Impfung der Gesunden.
Ein Impfstoff allein ist also kein Allerwelts-Heilmittel, sondern stellt ein Element dar, das in den aktuellen Strategien im Kampf gegen Malaria komplementär eingesetzt werden kann.
Preisfrage
Es bleibt dann noch die Frage, ob der Impfstoff dereinst auch tatsächlich diejenigen erreichen wird, die ihn am nötigsten haben, also Menschen, die in einigen der ärmsten Länder leben. Die Entwicklung von RTS,S durch den britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) wurde entscheidend von der Stiftung von Bill und Melinda Gates unterstützt. Dies erfüllt Blaise Genton mit Optimismus.
«Dies bedeutet, dass GlaxoSmithKline bei der Festsetzung des Preise nicht komplett freie Hand haben wird.» Die Preisfrage sei seit Beginn der philanthropischen Initiativen zentral. Eine einzelne Impfung dürfe aus Sicht der Käufer maximal 10 Dollar kosten, «wahrscheinlich sogar noch etwas weniger», so Genton.
Die Briten dürften dem Beispiel von Novartis und anderer Pharmahersteller folgen, die im Kampf gegen Malaria aktiv sind. GSK hat bereits angekündigt, den Impfstoff ohne Gewinn auf den Markt zu bringen.
Nachlassen verboten
Ist eine Welt ohne Malaria realistisch? Blaise Genton, der in 12 Jahren in Pension gehen wird, geht nicht davon aus, dass er die Ausrottung des Erregers noch erleben wird. Höchstens in Ländern, die von Malaria nicht so stark betroffen sind. Für Länder mit grösseren Konfliktzonen rechnet Genton gar mit einer leichten Zunahme. Auch befürchtet er, dass die Finanzkrise möglicherweise zur Folge haben könnte, dass einzelne Länder ihre Beiträge für den Kampf gegen die Malaria kürzen.
«In rund 20 Ländern haben wir einen Rückgang der Malaria von rund 50% erreicht», freut sich Blaise Genton. Dies zeige, dass man die Krankheit bekämpfen könne, wenn die Mittel zur Verfügung stünden. «Aber in den betroffenen Ländern müssen die Regierungen fortfahren, Malaria als Problem für die öffentliche Gesundheit zu sehen, auch wenn die Zahlen rückläufig sind.» Lasse man in den Anstrengungen nach, rücke die Malaria sofort wieder vor, wie man in Madagaskar und anderen Ländern gesehen habe.
Alle 45 Sekunden stirbt ein Kind an der Krankheit, hauptsächlich in Afrika.
Der Kampf gegen Malaria frisst 40% der Ausgaben im Bereich der öffentlichen Gesundheit in afrikanischen Ländern.
Experten rechnen, dass die Krankheit die Wirtschaft des Kontinents Afrika jedes Jahr zwischen 12 und 30 Mrd. Dollar des Bruttoinlandprodukts kostet.
In einer Metastudie (Auswertung von 27 bereits vorhandener Studien, durchgeführt zwischen 1999 und 2010 in Afrika und Südostasien) kamen Forscher des US-Instituts für öffentliche Gesundheit zu einem ernüchternden Fazit.
35% der Medikamente gegen Malaria wirkten ungenügend.
46% in Asien und 36% in Afrika waren ungenügend verpackt oder bereits abgelaufen.
36% in Asien und 20% in Afrika waren Fälschungen.
In diesem Zusammenhang wurden Pharmahersteller in Indien und China als Hauptlieferanten der Entwicklungsländer stark kritisiert.
Die festgestellten Missstände müssten als «Verbrechen gegen die Menschheit geahndet werden», lautet das Schlussfazit der Autoren der Metastudie.
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)
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