Die besten Schweizer Erfindungen des Jahres
Eine biologisch abbaubare Papierbatterie, eine akustische Wildtierüberwachung und ein von Studierenden gebautes Elektroflugzeug: Diese drei Innovationen gehören zu den Schweizer Erfindungen, die 2022 Geschichte geschrieben haben.
Die Schweiz gehört zu den innovativsten Ländern der Welt und ist für ihre Spitzenleistungen in Wissenschaft und Technologie bekannt. Der Bund investiert 3,15 Prozent des Bruttosozialprodukts in Forschung und Entwicklung (Stand 2019) und belegt damit in einem internationalen InnovationsrankingExterner Link den siebten Platz.
Die Schweiz zählt 12 öffentliche Universitäten, darunter die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen (ETH) in Lausanne und Zürich, neun Fachhochschulen und Dutzende von Spitzenforschungsinstituten.
Es folgen acht bemerkenswerte Forschungsprojekte und Erfindungen aus dem Jahr 2022.
Eine Papierbatterie
Wissenschaftler:innen der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) haben eine neuartige Lösung gefunden, um das Problem von Einweg-Batterien zu lösen. Sie erfanden eine Batterie aus PapierExterner Link, die mit Salz und Tinte funktioniert und mit nur wenigen Tropfen Wasser aktiviert werden kann. Die Papierbatterie hat im Grunde die gleichen Bestandteile wie herkömmliche Batterien, ist aber anders verpackt.
Nachdem das Team Hunderte von Prototypen entwickelt hatte, entschied es sich für eine Lösung, bei der Graphittinte als Kathode wirkt (positiver Pol), Zinkpulver als negativer Pol (Anode) und ein mit Salz durchtränktes Papier als Elektrolyt. Nach der Aktivierung durch Wasser (das im Papier enthaltene Salz löst sich dann auf) hat die Batterie eine konstante Spannung von 1,2 Volt.
Innerhalb von zwei bis fünf Jahren könnte diese Technologie in Einweg-Elektronik mit geringem Stromverbrauch, beispielsweise in medizinischen Diagnosegeräten und intelligenten Verpackungen, eingesetzt werden.
>> Wir berichteten über die Papierbatterie (auf Englisch):
«Schlaues Mikrofon» zum Aufspüren von Wölfen
Die Überwachung von Wildtieren wie Wölfen wird aufgrund wachsender Populationen und veralteter Beobachtungsinstrumente immer schwieriger. Studierende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL)Externer Link haben ein neues Gerät entwickelt, das mit Hilfe künstlicher Intelligenz das Heulen und Wispern von Tieren, die nachts in den Alpen umherstreifen, aufzeichnet und identifiziert.
Die Daten werden automatisch über das Mobiltelefonnetz an einen Computerserver weitergeleitet, wo sie verarbeitet und analysiert werden. Das «Smart Mic» (schlaues Mikrofon) kann Wolfgeheul mit einer Genauigkeit von 500 Metern identifizieren. Die Geräte sollen für Wildhüter eine Zeitersparnis darstellen und grössere Gebiete abdecken als herkömmliche Kamerafallen.
Sie sind auch wesentlich günstiger als Kamerafallen; ein Prototyp kostet 450 Franken. Die Erfindung wurde bereits erfolgreich mit Elefanten in Südafrika getestet, zudem gibt es weitere Versuche in Indien, ebenfalls mit Elefanten.
Biosensor zur Quantifizierung von Viren in der Luft
Wissenschaftler:innen der ETH Zürich und des Materialforschungsinstituts EMPA haben lange an Sensoren gearbeitet, die Viren in der Luft «sehen» und «fühlen» können. Anfang 2020 konzentrierten sie sich darauf, SARS-CoV-2 in der Luft zu identifizieren. Im Herbst 2022 kündigten sie die Entwicklung von CAPS an, einem Biosensorsystem zur quantitativen Virusdetektion in InnenräumenExterner Link. Dieses kann einen Beitrag leisten, Pflegepersonal mit hohem Covid-19-Infektionsrisiko in Spitälern oder Pflegeheimen zu schützen.
CAPS ermöglicht eine Detektion des Virus in der Raumluft vor Ort. Der erste Schritt ist die Probennahme, für welche Aerosole gesammelt und in einer flüssigen Lösung angereichert werden. Der Biosensor analysiert diese Lösung und misst die Menge an Covid-19 spezifischer RNA.
Das System wurde in Spital- oder Heimzimmern von Covid-19 Betroffenen und auf angrenzenden Gängen getestet und zeigte eine ähnliche Aussagekraft wie moderne PCR-Tests. Die Ergebnisse der Messungen stehen dem Gesundheitspersonal in Echtzeit zur Verfügung, einschliesslich einer Bewertung des Infektionsrisikos.
Die Wissenschaftler:innen hoffen, dass ihre Erfindung auch an vielbesuchten öffentlichen Standorten wie Bahnhöfen eingesetzt werden kann, um hohe Konzentrationen des Virus und damit eine hohe Ansteckungsgefahr zu erkennen.
Ein sonnenbetriebener Wasserreiniger
Viele Menschen auf der Welt haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, insbesondere in abgelegenen Regionen. Wissenschaftler:innen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) haben einen einfachen, hocheffizienten WasserreinigungsfilterExterner Link erfunden, der mit Hilfe von Sonnenenergie sauberes Wasser erzeugt.
Durch die Verflechtung von Titandioxid-Nanodrähten mit Kohlenstoff-Nanoröhren schuf das Team ein Komposit-Filtermaterial, das in Verbindung mit UV-Licht eine Gruppe von Molekülen erzeugt, die als reaktive Sauerstoffspezies (ROS) bezeichnet werden – Wasserstoffperoxid, Hydroxid und Sauerstoff. Diese ROS-Moleküle können Bakterien und grosse Viren beim Filtern von Wasser abtöten.
Ein von Studierenden gebautes Elektroflugzeug
«Im Studium ein Flugzeug bauen zu können und dieses dann tatsächlich fliegen zu sehen, ist ein unbeschreibliches Gefühl», sagt Maschinenbaustudent Maurice Kaulich von der ETH Zürich über das Projekt e-Sling.
Zwei Jahre lang hat ein Team von 20 Studierenden ein viersitziges, vollständig batteriebetriebenes ElektroflugzeugExterner Link gebaut, das Ende September 2022 seinen Jungfernflug absolvierte.
Während die Aussenhülle des einmotorigen Flugzeugs aus Südafrika stammt, haben die Studierenden ein elektrisches Antriebssystem entwickelt, das von einem modularen Batteriesystem mit einem speziellen Kühlsystem gespeist wird. Die Batterien können bei einem Zwischenstopp ausgetauscht werden.
Der Motor wiegt nur 42 Kilogramm, während die Batterien in den beiden Flügeln 224 Kilogramm wiegen. Damit hat das Flugzeug eine Reichweite von rund 180 Kilometern, entsprechender einer Flugzeit von einer Stunde.
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Ein CO2-Wärmenetz
In der Schweiz wird der Prototyp eines Wärmenetzes getestet, das Kohlendioxid (CO2) als Flüssigkeit in den Fernwärmeleitungen verwendet. Das System mit einer Kapazität von 500 Kilowatt (kW) an Wärmeenergie befindet sich im Keller des Campus EnergypolisExterner Link im Süden der Stadt Sion (Wallis).
Nach Angaben der Projektentwickler soll es möglich sein, flüssiges und dampfförmiges CO2 aus erneuerbaren Quellen und Abwärme über kompaktere und kostengünstigere Rohrleitungen zu transportieren, um Gebäude zu einem Netz zusammenzuschliessen. Die Projektverantwortlichen halten es für möglich, das Netz in zwei oder drei Jahren in Betrieb zu nehmen.
Ein Gel zur Behandlung von Hautkrebs
Wissenschaftler:innen der Universität Bern haben ein Hydrogel zur Behandlung von Melanomen entwickelt, einer aggressiven Form von Hautkrebs. Das Gel wird direkt auf den Tumorbereich aufgetragen und aktiviert das körpereigene Abwehrsystem gegen das Melanom.
Bei der Entwicklung des Gels verwendeten die Forscher:innen Elemente des Bakteriums Bacillus Calmette-Guérin (BCG) – dem weltweit am häufigsten verwendeten Impfstoff, der auch eine Immunreaktion gegen Tumore auslöst. In Versuchen zeigte sich bei Mäusen mit Melanomen eine deutlich verlängerte Lebenszeit nach einer Behandlung mit dem Gel. Es sollen nun klinische Versuche mit Patient:innen folgen, um die Wirksamkeit des Gels zu testen.
>> Wir berichteten über das Gel (auf Englisch):
Wenn Gelähmte wieder gehen können
Drei männliche Querschnittsgelähmte können dank eines von einem Forscherteam unter der Leitung der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) entwickelten NervenstimulationsgerätsExterner Link wieder gehen.
Den Patienten wurde eine spezielle Elektrode aufs Rückenmark gepflanzt. Mit der Hilfe einer Software und des Rollators können die drei wieder gehen – sogar Velofahren und Schwimmen.
Die Elektrode ermöglicht eine Stimulation der Nerven im Rücken und in den Beinen. Alle drei Patienten konnten unmittelbar nach der Operation mit Unterstützung aufstehen und gehen. Im Laufe der nächsten sechs Monate erlangten sie die Fähigkeit, fortgeschrittenere Aktivitäten – Gehen, Radfahren und Schwimmen – auszuüben, indem sie das Gerät selbst über ein Tablet steuerten.
>> Wir berichteten über das Nervenstimulationsgerät (auf Englisch):
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