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Die neuen Horizonte des Betons

Beton ist ein sehr langlebiges Material. Aber auch dieses muss nach einer gewissen Zeit renoviert werden. RDB

Den Energieverbrauch für die Zementherstellung senken, den Beton der Zukunft entwickeln, die Wiederverwertung von Bauschutt vorantreiben… Zement und seine Nebenprodukte entwickeln sich. Einen wichtigen Beitrag leistet das Polytechnikum Lausanne (EPFL).

Beton? Grau, langweilig, gewöhnlich… Mag sein, doch Beton ist der meist verwendete Baustoff weltweit.

Die Entwicklung ist nach der Erfindung von Stahlbeton in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht stehengeblieben – und das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft.

«Wisst ihr, mit welchem Material dies gefertigt wurde?» fragt Eugen Brühwiler und streckt uns einen grossen, leichten Bolzen hin. «Eine von vielen Möglichkeiten dieses Baustoffs», erklärt der Direktor des Instituts für Bauingenieurwesen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL).

Energieverbrauch

Die Forschung im Energiebereich ist nicht nur für die Fachleute der Branche von Nutzen, denn die Zementherstellung – Temperaturen von über 1400 C° sind dazu nötig – ist verantwortlich für rund 5% des weltweiten CO²-Ausstosses (in der Schweiz sind es sogar 9%). 40% des gesamten Energieverbrauchs in der Schweiz sind dem Bausektor zuzurechnen, macht Eugen Brühwiler klar.

Die Entwicklung von neuen, isolierenden und leistungsfähigeren Werkstoffen sowie eine Qualitätsverbesserung des Betons oder neue, energieeffiziente Produktionsmethoden sind folglich ein Gewinn für die ganze Gesellschaft.

In den letzten Jahren wurden wichtige Fortschritte gemacht, auch dank der zukunftsweisenden Forschung in Lausanne. «Im Zeitraum von zehn Jahren wurde der Energieverbrauch für die Produktion von einem Kilo Zement um rund 30% reduziert», erklärt Professor Brühwiler. Dies konnte unter anderem durch das Ersetzen von gewissen «Zutaten» beim Zement erreicht werden.

Kies reduzieren

Eine weitere Herausforderung für den Bausektor ist die Verringerung des Betonvolumens, ohne dabei die Dauerhaftigkeit zu beeinträchtigen. Mit den heutigen Methoden braucht man zu viel Kies, was sich negativ auf Landschaft und Fauna auswirkt.

«Die Forschung geht in Richtung einer Entwicklung von Beton, der weniger oder gar keinen Kies mehr braucht», erläutert Eugen Brühwiler und zeigt uns einen kleinen Kubus. «Dieses Material heisst Ultrahochleistungs-Faserbeton und ist auch äusserst leistungsfähig. Es handelt sich um Zement, der mit verschiedenen Zusatzstoffen gemischt wurde, darunter Mikrosilikon-Dampf und feine Stahlfasern». Die Bauingenieure der EPFL arbeiten seit Jahren an der Weiterentwicklung dieses Baustoffs.

Leichte Bauwerke

Der neue Baustoff hat bei einer viermal geringeren Dicke die gleiche Dauerhaftigkeit wie herkömmlicher Beton. «Für die Baubranche erschliessen sich damit neue Horizonte. Besonders für leichtere Bauwerke könnte der neue Beton zu einer Konkurrenz für Stahlkonstruktionen werden», meint Brühwiler.

Das erste grosse Projekt in der Schweiz mit diesem neuen Beton wird die 140 Meter lange, freischwebende Fussgänger-Passerelle in Zürich sein, die über die Gleise gebaut und die Stadtkreise 4 und 5 miteinander verbinden wird.

«Ich glaube, dass die Infrastruktur diesen neuen Baustoff gut zur Geltung bringen wird, vielleicht sogar sein schlechtes Image in der Bevölkerung aufbessern kann», unterstreicht Brühwiler.

Kostenfrage

«Im Vergleich zum normalen Beton kostet der Ultrahochleistungs-Faserbeton etwa zehnmal mehr; im Vergleich mit Stahl jedoch ist er dreimal günstiger», präzisiert Professor Brühwiler.

Der Preis des Rohstoffes ist jedoch nicht der einzige Faktor, der bei der Kostenberechnung berücksichtigt werden muss. Es sind kleinere Mengen nötig, es braucht weniger Arbeiter, weniger Transportlaster und Baumaschinen. «Die Arbeit kann zwei- bis dreimal schneller erledigt werden als mit herkömmlichem Beton», so Brühwiler.

Durch die hohe Undurchlässigkeit eignet er sich besonders für Reparaturarbeiten. «Wir haben den Baustoff für die Instandsetzung einer 40 Jahre alten Brücke in Lausanne eingesetzt. Diese war durch Korrosionsschäden arg beschädigt und hatte Probleme mit der Tragfähigkeit.» Das Resultat konnte sich sehen lassen.

«Meine grösstes Interesse gilt der Erhaltung und Sanierung von bestehenden Bauwerken. Es tut mir immer weh, wenn Gebäude abgerissen und neue gebaut werden», bekräftigt Brühwiler.

Wiederverwertung

Wenn ein Abriss unvermeidlich ist, sollte zumindest ein Teil des Bauschutts wiederverwertet werden. Das wäre das Ziel.

«Heute ist es nämlich möglich, viele Baumaterialien wiederzuverwerten und sie zu Betongranulat zu verarbeiten. So können Zweitelemente, wie Fundamentblöcke, hergestellt werden». Eine hoch willkommene Entwicklung, denn der Bausektor produziert 40% des Abfalls in der Schweiz.

Die Forschung konzentriert sich auch auf die Weiterentwicklung von Beton mit isolierenden Materialien als Zuschlagsstoff. «Denkbar sind Mauern und Platten aus isolierendem Beton ohne zusätzliche Materialien», erklärt Brühwiler.

Die lange Entwicklungsgeschichte des Baustoffs Zement dürfte noch lange nicht an ihrem Ende angelangt sein.

Eine Studie aus dem Nationalen Forschungsprogramm 54 «Nachhaltige Siedlungsentwicklung” (präsidiert von Eugen Brühwiler und im Herbst 2011 abgeschlossen) schätzte den Wiederbeschaffungswert aller Wohnbauten und Infrastrukturen der Schweiz auf rund 2400 Milliarden Franken, das sind 310’000 Franken pro Kopf.

Für den Unterhalt dieser Gebäude und Infrastrukturen werden jährlich rund 30 Milliarden Franken benötigt (4000 Franken pro Kopf).

Hinsichtlich der demographischen Entwicklung und des Ausbaus der technischen Infrastrukturen rechnen die Fachleute in den nächsten zwei Jahrzehnten mit jährlichen Investitionen von rund 65 Milliarden Franken oder 12 % des Bruttoinlandproduktes.

Im Moment ist die Finanzierung noch gesichert, kurz- und mittelfristig müssen jedoch zusätzliche Geldquellen gefunden werden. Daher ist es wichtig, nachhaltige Baumethoden zu entwickeln.

Zum grossen Bedauern von Brühwiler wird leider immer noch zu viel abgerissen und neu gebaut. Der Ultrahochleistungs-Faserbeton mit seiner hohen Undurchlässigkeit, Druck- und Zugfestigkeit und Korrosionsresistenz würde sich nämlich hervorragend für Instandsetzungen eignen und die höheren Investitionen würden durch geringere Kosten beim Unterhalt ausgeglichen.

(Übertragen aus dem Italienischen: Christine Fuhrer)

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