Schutzmasken: wo, welche, für wen?
Warum sollen gesunde Personen in der Schweiz keine Schutzmasken tragen, während diese in Heimen und Spitälern Pflicht sind? Geht es darum, die Mangelware fürs Pflegepersonal zu sichern? Die Erklärungen der Schweizer Gesundheitsbehörde sind nicht einfach zu verstehen.
Nur noch zwei 10er-Packungen Schutzmasken zum Preis von 29 Franken hatte Marlen Aeschlimann, Teilinhaberin der NaturdrogerieExterner Link in einem Berner Stadtquartier, Mitte der Woche zu verkaufen. Aber eine Lieferung von 1000 weiteren Packungen sei unterwegs, sagte die junge Frau, die selbst keine Schutzmaske trägt.
Allein in den letzten zwei Tagen gingen in ihrer Drogerie 200 Packungen über den Ladentisch. Auf dem Etikette verspricht der Hersteller «Schutzmaske, 3-lagig, Anti-Virus, TUV geprüft, ISO-zertifiziert».
Geliefert wurden die Masken von Victory Switzerland GmbhExterner Link in Kirchberg (Kanton Bern). Die Firma habe in den letzten 48 Stunden 350’000 Stück dieses Typs in Heime, Apotheken und Drogerien geliefert, sagt Geschäftsleiter Daniel Gerber. Bestellt werde in diesen Tagen ein Vielfaches davon.
Gerber bezieht diese Masken derzeit für einen Einkaufspreis von umgerechnet 1 Franken 20 bei einem Verkäufer in China, wo diese für 2 Rappen pro Stück hergestellt würden. Seine Kunden bezahlen dafür 1 Franken 57, und die Konsumenten in der Drogerie eben 2 Franken 90.
Die geringen Herstellungskosten in China waren mitverantwortlich dafür, dass hierzulande die Produktion von Schutzmasken aufgegeben wurde. Erst jetzt beginnen zwei, drei Firmen in der Schweiz wieder damit.
China, wo die Pandemie offenbar weitgehend vorüber ist, könnte ihm derzeit mehrere Millionen Stück anbieten, sagt der Victory-Geschäftsleiter. Dass er nur einen Bruchteil davon erhalte, liege an den derzeit sehr beschränkten und teuren Transportmöglichkeiten: weltweit reduzierte Kapazitäten auf Flügen, Strasse und Schiene, Probleme an den Grenzen.
Victory beliefert auch Spitäler, aber nicht mit Masken dieses Typs, sondern mit Masken für den professionellen Gebrauch, sogenannte FFP2. Online kann man diese nicht mehr bestellen, auf der WebsiteExterner Link werden sie als «ausverkauft» deklariert.
Auf anderen Online-Portalen werden sie noch angeboten, kosten aber bis zu zehn Mal mehr als vor der Pandemie, als man laut Bernhard Roder, Leiter Beschaffung und Logistik des Spitals Biel, noch 75 Rappen dafür bezahlte, wie er gegenüber SRFExterner Link sagte.
Die FFP2-Masken (Mund- und Naseschutz) und FFP3-Masken (Mund-, Nase- und Augenschutz) sind knapp und die Beschaffung schwieriger geworden, berichten mehrere Spitäler.
Der Bund hat ein Pflichtlager von 180’000 Stück, die nirgends hinreichen. Aber die Bundesbehörden kauften im Moment alles auf, was sie könnten, sagte Daniel Koch, Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit BAG in der Sendung Rundschau des Schweizer Fernsehens SRF.
«Und es wird reichen. Wir haben jetzt auch eine Produktion von Masken in der Schweiz. Pro Tag werden rund 40’000 FFP2-Masken für das Pflegepersonal in der Schweiz produziert», versicherte Koch.
«Diese Masken sind für gesunde Menschen kein wirklicher Schutz vor Viren», sagt Koch. Auf Distanz gehen, Hände regelmässig waschen, sei viel wirksamer.
Auf dieser WebsiteExterner Link empfiehlt das BAG der Bevölkerung unter der Rubrik «Hygienemasken», einen Vorrat von 50 Stück pro Person anzulegen. Während es auf dieser Website schreibt: «Gesunden Personen im öffentlichen Raum empfiehlt das BAG nicht, Hygienemasken zu tragen.»
Schutzmaterial solle primär zum Schutz von Gesundheitsfachpersonen, die Patienten behandeln, sowie zum Schutz besonders gefährdeter Personen eingesetzt werden.
BAG-Experte Koch winkt ab: «Die Masken haben eine Wirkung, wenn infizierte Personen sie tragen, weil sie verhindern, dass die Viren herumgeschleudert werden.» Aber wer infiziert ist, gehört sowieso nicht mehr auf die Strasse.
Die Masken gehörten dorthin, wo Personen wirklich gefährdet seien, nämlich in die Spitäler sowie Alters- und Pflegeheime. Dort gebe es Maskenpflicht, weil sonst die Gefahr bestehe, dass das Personal die Patienten anstecke, sagt Koch.
Nicht unbedingt, sagt das BAG dazu. Erstens könnte man sich mit Schutzmaske in falscher Sicherheit wiegen und die Abstandregel missachten. Zweitens seien diese Schutzmasken bei unsachgemässer VerwendungExterner Link selbst ein Risiko.
Ob es in der Schweiz auch noch soweit kommen wird, oder ob zumindest für stark exponierte Berufstätige im Detailhandel und öffentlichen Verkehr demnächst Maskenpflicht besteht, ist nicht auszuschliessen.
Das BAG verfolgt aber zumindest vorerst eine andere Strategie: Geschützt werden sollen in der Schweiz primär die verletzlichen Personen (chronisch Kranke und alte Menschen). Diese sollen ihr Zuhause wenn immer möglich nicht mehr verlassen. Und die Angehörigen, Freunde und Bekannten sollen – so schmerzhaft es auch sein kann – Distanz zu ihnen halten. Damit helfe man ihnen, so das BAG, mehr als mit Schutzmasken.
Die Bevölkerung scheint der Gesundheitsbehörde zu vertrauen. Trotz reissendem Absatz der Schutzmasken werden diese in der Öffentlichkeit kaum von jemandem getragen.
Die derzeit bekannten Haupt-Übertragungswege des Virus sind laut BAG folgende:
- Bei einem Kontakt von mehreren Minuten auf eine Distanz von weniger als 2 Meter mit einer erkrankten Person.
- Wenn eine erkrankte Person niest oder hustet, können die Viren mit den versprühten Tröpfchen direkt auf die Schleimhäute nicht nur von Mund und Nase, sondern auch der Augen gelangen. Vor solchen Virenschleudern schützt also ein Mund-Nase-Schutz nicht.
- Auch ein Mund-Nase-Augenschutz FFP3 (sogenannter Aerosolschutz) schützt nur begrenzt, weil die ansteckenden Tröpfchen der hustenden oder niesenden Person sich auch auf den Händen des Gegenübers absetzen. Und von dort können sie in Mund, Nase oder Augen gelangen, wenn man diese berührt.
(Quelle: BAG)
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