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Schweizer Lehrstellen nach Covid-19-Pandemie wieder im Trend

Automatisierungsingenieur in der Ausbildung
Ein Automatisierungsingenieur in der Ausbildung Keystone / Goran Basic

Jedes Jahr im August beginnt in der ganzen Schweiz ein neuer Jahrgang von Lernenden eine Berufslehre. Trotz der Auswirkungen von Covid-19 scheint der Appetit auf eine Berufsausbildung ungebrochen. Fachleute gehen davon aus, dass das Niveau von vor der Pandemie wieder erreicht wird. IT und Informatik konnten 2022 den höchsten Prozentsatz an offenen Stellen besetzen.

Sinan Kaufmann, 15 Jahre alt, fühlte sich schon immer zu Flugzeugen und Helikoptern hingezogen. Schon früh war er davon überzeugt, dass eine Lehre der geeignetste Weg wäre, um als Fachmann in der Luftfahrtbranche zu arbeiten.

Jugendlicher in einem Leichtflugzeug
Sinan Kaufmann. x

Nach dem Besuch einer Berufsmesse in Zürich im ersten Jahr der Sekundarschule und mehreren Praktika hat er einen Traumjob ergattert: eine vierjährige Automatikerlehre bei der nationalen Fluggesellschaft Swiss, spezialisiert auf die Wartung von Flugzeugen.

Kaufmann ist nur einer von Tausenden von Schülern und Schülerinnen, die diesen August eine Ausbildung beginnen werden. Trotz der seit zwei Jahren andauernden Covid-19-Pandemie ist die Nachfrage nach beruflicher Bildung in der Schweiz ungebrochen hoch – sie ist der beliebteste Weg für Schulabgängerinnen und -abgänger.

Die Lockdowns im Jahr 2020 und die daraus resultierenden Anforderungen an die Arbeit im Homeoffice zwangen die meisten Ausbildungsprogramme, ihre Kurse entweder abzusagen oder online anzubieten. In der Zwischenzeit kämpften die Schülerinnen und Schüler mit dem E-Learning, das nicht an den praktischen Ansatz der Lehrlingsausbildung angepasst ist.

Mindestens 79% der Lehrstellen sind für dieses Jahr besetzt, so die neusten Ergebnisse des Forschungsprojekts «LehrstellenPuls»Externer Link. Der Bericht des Lehrstuhls für Bildungssysteme der ETH Zürich und der Lehrstellenplattform Yousty.ch untersucht die Auswirkungen und langfristigen Folgen von Covid-19 auf Lehrlinge und Ausbildungsbetriebe in der Schweiz. Obwohl die Quote im Vergleich zu 2020 (87%) etwas niedriger ist, gehen die Forschenden von einer «Normalisierung» der Situation aus.

«Uns hat bei der jüngsten Umfrage positiv überrascht, dass es eine relativ schnelle Erholung zu geben scheint», sagt Ursula Renold, Professorin für Bildungssysteme an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) und Forscherin für «LehrstellenPuls».

«Die Mehrheit der Unternehmen ist der Meinung, dass es für junge Berufseinsteigerinnen und -einsteiger nach dem Abschluss genauso einfach oder sogar einfacher sein wird, eine Stelle zu finden als vor der Pandemie», sagt Renold.

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Die Lehrlingsausbildung in der Schweiz ist eine Kombination aus persönlichem Lernen in einer Berufsschule und praktischer Ausbildung in einem Unternehmen. Das Modell wird häufig als Erfolgsgeschichte gepriesen, mit Vorteilen wie einer geringeren Jugendarbeitslosigkeit und reduzierten Rekrutierungskosten.

Schätzungen zufolge entscheiden sich in der Schweiz rund zwei Drittel der Schulabgängerinnen und -abgänger im Alter von 15 bis 16 Jahren nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit für diesen Weg.

«Für mich war immer klar, dass ich eine Lehre machen will, um einen guten Start in die Arbeitswelt zu haben. Ich wollte schon immer mein eigenes Geld verdienen und früh selbständig sein», sagt Vanessa Derendinger, 17 Jahre alt und angehende Lernende bei der Schweizerischen Post.

Mädchen mit Fahrrad in den Bergen
Vanessa Derendinger. X

Auswirkungen von Covid-19

Mehrere Lehrlinge erzählten swissinfo.ch, dass Schnupperpraktika – ein «Schnuppertag», um Einblicke in ein Unternehmen und die Aufgaben zu erhalten – während der Pandemie gestrichen wurden.

Andere sagten, während der Gesundheitskrise habe es kaum Angebote in ihrem gewählten Bereich gegeben. Und für diejenigen, die es geschafft haben, eine Ausbildung zu bekommen, wurden die Herausforderungen der Arbeit von zu Hause aus schnell offensichtlich.

«Lehrlinge verbringen in der Regel drei bis vier Tage pro Woche in der Firma. Der grösste Teil ihrer Ausbildung findet am Arbeitsplatz und vor Ort statt», sagt Marco Salvi, Senior Fellow beim Think Tank Avenir SuisseExterner Link.

«Es war eine noch grössere Herausforderung als für Schulen oder Universitäten, die Ausbildung online durchzuführen. Man kann eine Werkzeugmaschine nicht einfach online betreiben. Die Arbeit von zu Hause aus mag für ältere Arbeitnehmende ein Segen sein – aber nicht für Lehrlinge.»

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Dies bestätigt auch von Renold. Sie hat festgestellt, dass das Homeoffice einen «erheblichen Einfluss» auf die Lernenden hatte. Die «LehrstellenPuls»-Umfrage ergab einen Rückgang des Motivationsniveaus und mehr Stress.

«Es ist davon auszugehen, dass die Lehrlinge, die ihre Lehre im Jahr 2020 begonnen haben, den grössten Kompetenzverlust erlitten haben. Weil sie zwei Jahre lang den Auswirkungen der Pandemie ausgesetzt waren und sich der verpasste Stoff angesammelt hat», so Renold.

Irene Kriesi, Co-Leiterin des Forschungsbereichs Strategische Planung der Berufsbildung an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB), sagt jedoch, die Auswirkungen von Covid-19 auf die Schweizer Berufsbildung seien insgesamt «meist nur von kurzer Dauer» gewesen.

«Der vorübergehende Rückgang des Suchverhaltens der Jugendlichen [nach Lehrstellen] hat sich in vielen Berufen schnell wieder auf das Niveau von vor der Pandemie erholt», sagt sie.

Gefragte Berufe

Nach Angaben des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) wurden in diesem Jahr bisher über 45’100 Lehrverträge abgeschlossen. Die Lernenden können aus über 200 Berufen wählen, die sie schliesslich mit einem eidgenössischen Lehrdiplom abschliessen können.

Die «LehrstellenPuls»-Umfrage hat ergeben, dass die Bereiche IT und Informatik in den letzten zwei Jahren einen hohen Anteil ihrer offenen Stellen besetzen konnten. Die 15-jährige Alissa Villiger beginnt ihre IT-Lehre bei TIE International, einem Zuger Bildungsunternehmen. Dort wird sie Programmiersprachen lernen, um Websites und Blockchain-Technologie zu gestalten.

«Das hat mir beim Schnuppern sehr gut gefallen, und dieser Beruf hat auch eine Zukunft», sagt Villiger, die zwischen Medientechnikerin und kaufmännischer Angestellter (die beliebteste Lehre bei Jugendlichen) schwankte. Letzterer Beruf variiert je nach Branche und kann Aufgaben von der Organisation von Sitzungen über die Spesenverwaltung bis hin zur Beratung von Kundschaft umfassen.

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Im Hotel- und Gastronomiegewerbe, einschliesslich Köche, Kellner und Kellnerinnen, herrscht dagegen nach wie vor ein gravierender Mangel an Auszubildenden und Fachkräften. «Obwohl die Pandemie nicht der einzige Grund für diese Situation ist – unattraktive Arbeitsbedingungen wie unregelmässige und lange Arbeitszeiten spielen auch eine Rolle – hat sie die Situation wahrscheinlich verschärft», sagt Kriesi.

Romi de Redelijkheid, 18 Jahre alt, hat 2021 ihre Lehre im Fünfsternehotel Dolder Grand in Zürich begonnen. An der Branche reizten sie das internationale Arbeitsumfeld und die Möglichkeit, nach der Ausbildung im Ausland zu arbeiten.

«Ich hatte natürlich Bedenken, meine Lehre in einer für das Gastgewerbe so unsicheren Zeit zu beginnen», sagt sie. «Aber ich wusste, wenn ich diesen Schritt nicht mache, würde ich es irgendwann bereuen.»

Ausblick für Lehrstellen

Die Einstellungsbereitschaft der Schweizer Lehrbetriebe hat sich insgesamt erholt. Swisscom will im August 270 Lernende aufnehmen. Das sind 12 Neueinstellungen mehr als im Sommer 2021. Swiss International Air Lines stellt dieses Jahr 41 Lernende ein. Eine Unternehmenssprecherin sagte, dass die Zahl der Lehrlinge im Jahr 2021 zwar «leicht rückläufig» gewesen sei, sich aber inzwischen wieder auf das Niveau von vor der Pandemie erholt habe.

Um ihre Attraktivität auch in Zukunft zu sichern, werben Unternehmen wie die Schweizerische Post sogar auf der Social-Media-Plattform Tiktok für ihre Lehrstellen. Die Post stellt jedes Jahr zwischen 740 und 780 Lernende ein. Davon mehr als 400 in der Logistik, weitere 150 im Detailhandel und über 60 in der ICT-Abteilung.

Zudem entwickelt sie neue Berufsbilder, die sich an den Marktbedürfnissen wie der Digitalisierung orientieren. Ab 2023 bietet die Post zusammen mit Postfinance und anderen Unternehmen eine neue Ausbildung zum Digital Business Developer an.

Dies sei ein Trend, sagt Salvi von Avenir Suisse. «Die Inhalte und Lehrpläne können und werden an die zukünftigen Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst werden. Das ist eine der Hauptstärken des dualen Bildungssystems, wie es in der Schweiz praktiziert wird.»

Schliesslich seien aber weitere Anstrengungen nötig, um das Schweizer Lehrlingsmodell auf der internationalen Bühne relevant zu halten. «Der Schweizer Weg ist sehr erfolgreich, aber es ist nicht einfach, diesen Erfolg im Ausland zu wiederholen. In der Tat gab es viele gescheiterte Versuche», sagt Salvi.

«Leider ist der Arbeitsmarkt zunehmend auf formale Bildungsabschlüsse ausgerichtet. Unser System wird immer erklärungsbedürftig sein, wenn es um potenzielle internationale Arbeitgeber geht.»

Bearbeitet von Virginie Mangin

Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

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