Ein Blick in die Zukunft zum Wohl der Menschheit
Eine Genfer Stiftung hat ein Instrument entwickelt, das künftige Innovationen der Wissenschaft darstellt. Es soll Entscheidungsträgern und der Zivilgesellschaft helfen, sich auf neue Möglichkeiten vorzubereiten.
Der so genannte «Science Breakthrough Radar» wurde während des ersten Gipfeltreffens der Stiftung Geneva Science and Diplomacy Anticipator (Gesda) vorgestellt. Der Anlass fand letzte Woche statt.
Das digitale Instrument bietet einen Überblick über 216 wissenschaftliche Innovationen, die in den nächsten 25 Jahren erwartet werden. Fast 550 Wissenschaftler aus aller Welt haben an dem Projekt mitgewirkt.
Rare Metalle vom Mond
Gemäss den Informationen dieses «Radars» könnten leistungsstarke Quantencomputer in 25 Jahren Probleme lösen, die bisher unlösbar waren. Sie könnten in der Chemie zum Beispiel Simulationen durchführen, welche die Entdeckung neuer pharmazeutischer Produkte beschleunigen.
In zehn Jahren könnten Privatunternehmen in der Lage sein, auf dem Mond Metalle und Mineralien zu gewinnen, die auf der Erde Mangelware sind. In fünf Jahren könnten Fortschritte in der künstlichen Intelligenz (KI) Muster in Gehirndaten aufdecken, die neue Erkenntnisse über das Bewusstsein liefern.
Gesda hofft, dass der Radar als Instrument für den Multilateralismus dienen wird. Es soll dazu beitragen, dass die Wissenschaft in Gespräche und Verhandlungen innerhalb der internationalen Organisationen in Genf und darüber hinaus einbezogen werden. Der Radar wird regelmässig aktualisiert werden, um mit den Entwicklungen der Wissenschaft Schritt zu halten.
Zukunftsweisende Entscheidungen
«Es ist selten, dass Forscher erklären, wohin uns die Wissenschaft führen könnte, damit die politischen Entscheidungsträger den Missbrauch der Wissenschaft vorhersehen und vermeiden können», sagt Patrick Aebischer, Vizepräsident der GESDA, gegenüber SWI swissinfo.ch.
«Ein solches Instrument entspricht den Bedürfnissen der politischen Entscheidungsträger», ergänzt Joseph D’Cruz, Sonderberater des UNO-Entwicklungsprogramms.
«Die Entscheidungen, die wir heute treffen, müssen Entwicklungen berücksichtigen, die drei, fünf oder zehn Jahre von jetzt geschehen werden. Aber wir wissen nicht genau, was dann passieren wird», so D’Cruz gegenüber SWI swissinfo.ch.
Über 100 Redner und 900 Teilnehmer trafen sich vom 7. bis 9. Oktober persönlich und online zum ersten Gesda-Gipfel in Genf. Sie diskutierten über künftige wissenschaftliche Innovationen, ihre potenziellen Auswirkungen auf die Gesellschaft und Politik, die es braucht, um sicherzustellen, dass der Nutzen geteilt und die Risiken minimiert werden.
Die dreitägige Konferenz bot der Stiftung Gesda die Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit vorzustellen, dies zwei Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 2019 durch die Schweizer Regierung und die Genfer Stadtregierung.
Auf dem Gesda-Gipfel diente die Covid-19-Pandemie als Beispiel, um die Herausforderungen zu veranschaulichen. Es geht nicht nur um Antizipation, sondern auch um den Zugang zu den Fortschritten der Wissenschaft und um das Vertrauen, das diese erfordern.
Zu oft landen öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse hinter den Schranken gewinnorientierter akademischer Verlage, wo sie für Forschung, Politik oder Öffentlichkeit unzugänglich bleiben, sagte Kamila Markram, Mitbegründerin und CEO von Frontiers.
Nur weil solche Barrieren überwunden worden seien, habe man rasch Impfstoffe gegen Covid-19 finden können. Ihr Fazit: «Wenn wir Debatten über wichtige wissenschaftliche Themen führen wollen – sei es der Klimanotstand, Covid-19 oder Gentechnik – dann müssen wir zuerst Zugang zu den Ergebnissen der Wissenschaft haben.»
Naledi Pandor, Südafrikas Ministerin für internationale Beziehungen und Zusammenarbeit, wies auf die Schwierigkeiten afrikanischer Länder hin, Vertrauen in die Wissenschaft aufzubauen, wenn «man der Letzte in der Schlange ist, der einen Impfstoff bekommt».
Was steht bei Gesda als nächstes an?
Gesda geht Partnerschaften ein, um Lösungen für die identifizierten Probleme zu erarbeiten. So soll ein Wettbewerb gestartet werden, um die Entwicklung eines Quantencomputers voranzutreiben.
Gesda wird im August 2022 zu einem zweiten Gipfel mit einer aktualisierten Version ihres Radars rufen und «zwei bis maximal drei» Lösungen präsentieren, sagte Peter Brabeck-Letmathe, der Vorsitzende von Gesda, an der Schlusssitzung des Gipfels. «Wir können nicht glaubhaft auf alle Probleme antworten, die hier diskutiert wurden. Wir bleiben vertrauenswürdiger und relevanter, wenn wir unsere Erwartungen einschränken», sagte Brabeck-Letmathe.
Mehr Private an Bord holen
Trotz allem Reden über Inklusion blieben Zivilgesellschaft und private Akteure auf dem Gipfel unterrepräsentiert. Dies räumte Aebischer in einer Sitzung ein, als er sagte, er hoffe, dass Gesda im nächsten Jahr mehr private Unternehmen einbeziehen werde.
Dies ist vor allem für die Diskussionen über die KI-Forschung von Bedeutung, bei der private Unternehmen und nicht Staaten die Führung übernehmen. In der Zwischenzeit bietet das Radar allen die Möglichkeit, Beiträge einzureichen, die in die künftige Arbeit von Gesda einfliessen werden.
Gesda wird sich zudem bald wieder an die Schweizer Regierung wenden müssen, um nach dem Ende der Pilotphase im Jahr 2022 weitere Unterstützung zu erhalten.
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