EU-Forschungsgelder für die ETH Lausanne
"Baue es und du verstehst es" - diesem Ansatz folgt das Human Brain Project des Hirnforschers Henry Markram von der ETH Lausanne. In den kommenden zehn Jahren investiert die EU rund eine Milliarde Euro in das Projekt.
Damit soll das Wissen über die Abläufe im menschlichen Gehirn in eine Computersimulation gepackt werden. Das soll der Wissenschaft helfen, das Zusammenspiel der komplexen Prozesse im menschlichen Gehirn zu entschlüsseln.
Damit wird den beteiligten Forschern zufolge eine neue Ära eingeleitet in den Neurowissenschaften und der pharmakologischen Wirkstoffforschung. Hirnkrankheiten wie Alzheimer oder Schizophrenie sollen dank den Forschungsergebnissen künftig geheilt werden können.
Seit 200 Jahren wird am menschlichen Gehirn geforscht. 200’000 Neuro-Wissenschafter widmeten bisher etwa fünf Millionen wissenschaftliche Aufsätze dem besseren Verständnis des Hirns. All diese Erkenntnisse sollen nun in einer gigantischen Computerplattform gebündelt werden, die als virtuelles Untersuchungsobjekt der Wissenschaft zur Verfügung stehen wird.
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Das Gehirn verstehen
Mit der Umsetzung werden tausende Forscher in etwa 200 Forschungsgruppen unter der Leitung des südafrikanischen Hirnforschers Henry Markram von der ETH Lausanne (EPFL) beschäftigt sein. Beteiligt sind zudem rund 80 Partnerorganisationen aus Industrie und Forschung.
«Wir müssen endlich all das Wissen der verschiedenen Disziplinen über das Gehirn integrieren. Das Gehirn zu verstehen, ist eine der grössten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts», sagte Markram jüngst bei einem Vortrag. Die technischen Anforderungen würden entsprechend hoch sein.
Standort wird gestärkt
Im Vorgängerprojekt des» Human Brain Projects» (HBP), dem «Blue Brain Project», verschlangen bereits die Berechnungen für ein einziges Neuron in etwa die Kapazitäten eines Laptop-Computers, gestand Markram ein. Der Forscher und seine Kollegen betonten in den vergangenen Jahren aber immer wieder, dass es sich bei ihrer Vision nicht um eine Utopie handelt. Das «Human Brain Project» sei ein umsetzbares Vorhaben, so ihre Devise.
Durch das Projekt wird der Forschungs- und Wirtschaftsstandort Schweiz gestärkt. «Dieser Grosserfolg ist extrem wichtig für die wissenschaftliche Landschaft in unserem Land», wird Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann am Montag in einem Communiqué der ETH Lausanne zitiert.
Das HBP vereine die besten europäischen Forschungsinstitute in einem ambitiösen Vorhaben, sagte Schneider-Ammann. Dass sämtliche Projekte in der Endauswahl des FET-Flagship-Programms eine Schweizer Beteiligung aufweisen, sei Beleg für die Schweizer Spitzenposition im Forschungsbereich.
Die EPFL hatte nebst dem HBP bis zuletzt auch noch «Guardian Angels for a Smarter Planet» im Rennen, die ETH Zürich das Projekt FuturICT mit seinem «Living Earth Simulator».
Zürcher Projekt unterlegen
Die bei der Milliardenvergabe schliesslich leer ausgegangenen Kollegen von der ETH Zürich schickten ihre Glückwünsche nach Lausanne. «Wir gratulieren den Kollegen an der EPFL zu ihrem siegreichen Projekt», wird ETH-Präsident Ralph Eichler in einer Mitteilung zitiert.
Das Nein aus Brüssel heisse nicht, dass die Forschungsansätze oder die beteiligten Forschungsgruppen nicht die richtigen wären, um die gesetzten Ziele zu erreichen, heisst es weiter. Unter Umständen werde man für die nicht geförderten Zürcher Projekte nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten auf nationaler oder internationaler Ebene suchen.
Internationale Zusammenarbeit
EPFL-Präsident Patrick Aebischer nahm die Glückwünsche aus dem In- und Ausland freudig entgegen. Durch die Wahl des HBP werde Europa bei einer der grössten Herausforderungen der Menschheit federführend sein: der Entdeckung des menschlichen Gehirns. Die Computersimulation sei der nächste grosse Schritt in der Entwicklung der medizinischen Forschung, sagte er.
Neben der EPFL sind am HBP seitens der Schweiz auch das Lausanner Universitätsspital (CHUV), die ETH Zürich, die Universitäten Bern und Zürich sowie die IBM Research GmbH beteiligt.
Auch bei «Graphene», dem zweiten von der EU-Kommission ausgewählten Flaggschiffprojekt, ist die Schweizer Forschung prominent vertreten, wie das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung mitteilte. Hier arbeiten unter Leitung der Chalmers-Universität im südschwedischen Göteborg unter anderem die ETH Zürich sowie die Universitäten Genf, Basel und Zürich mit.
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