Schweizer Impfstoff gegen Covid-19 in Reichweite?
Ein Forscherteam der Universität Bern hofft, als erstes einen Impfstoff gegen die Lungenkrankheit Covid-19 herzustellen. Ab Oktober könnte die Schweizer Bevölkerung geimpft werden, so die Forschenden.
«Die Chancen auf einen Erfolg stehen gut», sagte Martin Bachmann, Leiter der Immunologie an der Schweizer Universität, anlässlich einer Webkonferenz mit dem Presseverband der Vereinten Nationen. Ein Merkmal der Schweiz sei ihr Pragmatismus. Das Land sei eher an einem Kompromiss interessiert, wenn es darum gehe, den Impfstoff schneller zu finden.
Seit dem Auftreten des Coronavirus und dem Ausruf eines öffentlichen Gesundheitsnotstands von internationaler Besorgnis durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ende Januar, erklärten die meisten internationalen Gesundheitsexperten und die Behörden, dass mit einem Impfstoff frühestens in 12 bis 18 Monaten zu rechnen sei.
Einzigartiger Ansatz
Bachmann ist auch Professor für Impfstoffkunde am Jenner-Institut an der Universität Oxford. Er sagte, sein beschleunigtes Timing erkläre sich teils durch eine mögliche Produktionserleichterung, bei der das Äquivalent von 200 Litern bakteriellem Bioferment, das für die Impfungen benötigt wird, 10 bis 20 Millionen Dosen produzieren könnte.
«Der Impfstoff ist aufgrund seiner enormen Skalierbarkeit einzigartig. Er ist in der Lage, Milliarden von Dosen in kurzer Zeit herzustellen», so Bachmann.
Der Impfstoff, den das Schweizer Team entwickelt, verfolgt im Vergleich zu anderen Labors einen eigenen Ansatz: Es verwendet so genannte virusähnliche Partikel, die – anders als bei der Verwendung des Virus selbst – nicht infektiös sind und eine gute Immunantwort liefern. Ein Prototyp wurde im Februar entwickelt – nur wenige Wochen nach der Identifizierung des neuen Coronavirus in China. Er erwies sich in Tests an Labormäusen als erfolgreich, das Serum neutralisierte das Virus.
Gary Jennings ist CEO der Firma SaibaExterner Link, die mit der Universität Bern zusammenarbeitet. Er sagte, die Schweizer Behörden seien sich der Bedeutung der Zulassung der Impfstoffentwicklung bewusst. Wenn die Schweizer Regierung und die Aufsichtsbehörden wollten, dass dieser Impfstoff innerhalb dieses Zeitrahmens der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde, «dann wird das geschehen».
Frühe Begleitung durch Behörden
Swissmedic, die für die Zulassung und Überwachung von Medikamenten zuständige nationale Behörde, bestätigte, dass sie das Projekt bereits wissenschaftlich begleitet und über den Stand der Forschung informiert sei.
Sprecher Lukas Jaggi sagte gegenüber SWI swissinfo.ch: «In dieser Ausnahmesituation müssen wir realistischerweise mit acht bis 14 Monaten rechnen, bis wir einen Impfstoff gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 haben».
«Swissmedic räumt der Zeit hohe Priorität ein», so der Sprecher in einer schriftlichen Antwort. «Aber Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffs stehen an erster Stelle.» Deshalb sei es wichtig, dass sich Firmen und Forschungsgruppen frühzeitig mit Swissmedic in Verbindung setzten, «damit wir sie bei ihrer Entwicklung begleiten und unterstützen können, bevor sie ein Zulassungsgesuch einreichen.»
Auf der Suche nach Geld
Die Entwicklung des Impfstoffs bis zu dem Punkt, an dem er in grossen Mengen produziert werden könnte, wird laut der von Bachmann mitbegründeten Firma Saiba rund 100 Millionen Schweizer Franken kosten. Die gemeinnützige Stiftung USZ FoundationExterner Link hat ihr Interesse an der Unterstützung der Forschung bereits bekundet. Saiba-Chef Jennings sagt zudem, es hätten auch bereits Gespräche mit den Pharmariesen Novartis und Lonza stattgefunden.
Weltweit sind bisher rund 2,5 Millionen Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden, rund 170’000 Menschen sind daran gestorben. Länder mit begrenzten Gesundheitsdiensten verzeichnen wachsende Zahlen. Die Schweiz hat fast 28’000 positiv getestete Personen und mehr als 1400 Todesfälle gemeldet.
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Coronavirus: Die Situation in der Schweiz
(Übertragung aus dem Englischen: Kathrin Ammann)
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